15.03.2009

Statt alter Hüte: VEB Ökolopel

Nicht rumdrucksen: Wirtschaftskrise, nicht Finanzkrise.

Jörg Schindler

Alte Hüte

Der erste linke alte Hut geht so: Der Neoliberalismus ist gescheitert. Niemand wills gewesen sein, niemand will die Kapitalverkehrsbeschränkungen weggebolzt haben. Oh doch, wendet die Linke ein, ihr, das neoliberale Parteienkartell, ihr warts. Der Streit ist allerdings müßig, denn alle wissen ja, dass es so war.

Der zweite linke alte Hut geht dann so: Die Finanzspekulation ist schuld. Das Mehrfache des Weltbruttosozialprodukts wurde in Aktienwerten erfasst und auf Börsen durch die Welt gejagt. Das war schlecht, weil diese Werte statt dessen in gute Markenprodukte und goldene Arbeitshände investiert hätten werden müssen.

Der dritte linke alte Hut heult dann so rum: Die Manager sind schuld. Sie haben gezockt, weil sie schnell Häuser am Gardasee und fette Bonzenkarren kaufen wollten. Das war böse. Von 500.000 im Jahr kann man sich doch auch nen anständigen Schlitten leisten. Mehr Bodenständigkeit, bitte.

Die Summe aller alten Hüte verquasen sich dann so: Wir erleben eine Finanzkrise, und der entfesselte Kapitalismus ist schuld; deshalb brauchen wir eine Regulierung der Finanzmärkte.

Krise? Welche Krise?

Nun gibt es aber zwei Probleme, ein quasi externes und ein internes. Das externe Problem besteht darin, dass offenbar die drei alten Hüte (und damit auch die Summe der alten Hüte) nicht stimmen. Denn wenn das ganze Schlammassel nur an falscher Politik von im Übrigen unfähigen Politikern und an Geldspekulation von im Übrigen unfähigen Zocker-Managern liegt: Weshalb bricht dann die so genannte "Realwirtschaft" - Opel, Qimonda, Schaeffler usw... - ein?

Das Gegenteil ist nämlich richtig: Nicht die Finanzkrise wirkt sich auf die "Realwirtschaft" aus, sondern die "Realwirtschaft" auf die Finanzwelt. Erinnern wir uns an das Wertgesetz: Danach ist die Summe aller (Arbeits-)Werte die Summe aller (Weltmarkt-)Preise. Ungedeckte Schecks, ob als Wert oder Preis, gibts deshalb nur solange, wie es keiner merkt - und das geht auf dem Markt ganz fix. Kommts raus, gleichen sich Wert und Preis an, da niemand bereit ist, für etwas zu bezahlen, was seinen Preis nicht wert ist. Wenn dem aber so ist, verpulvert das ganze Gerede von Finanzkrise zu heißer Luft. Fehlende Gewinnchancen im realen Wirtschaftsbetrieb zogen das uninvestierbare Kapital in die Spekulation - es war also nicht die "Gier", sondern die pure Not der Zockerbankermanager vor dem Wertverlust ihres nicht anlegbaren Kapitals, das sie auf die Börsenparketts und in die Finanzpferdewetten trieb - ähnlich dem Familienvater, der hofft, das drohende Finanzloch durch den Sieg am einarmigen Banditen zu verhindern. Reale Unterkonsumtion und reale Überakkumulation sind es, die die Krise bewirkten. Das Wort Finanzkrise sollte also sofort aus dem linken Sprachschatz gestrichen und durch jenes ersetzt werden: Wirtschaftskrise.

Das interne Problem der Linken, und es drückt sich in den stagnierenden Umfrage- und Krisenkompetenzwerten aus, besteht nun darin, dass die Leute ahnen, dass es genauso ist wie oben beschrieben - und nicht etwa kurzfristig das Finanzzocker-Böse gegen das Fleißige-Hände-Gut gewonnen hat. Deshalb sind alle Regulierungen des Finanzsektors gut und richtig, aber in etwa so wirksam wie das Schild "Erst ab 16" am örtlichen Spielautomaten. Und selbst der Abbau des einarmigen Banditen verschafft dem Familienvater noch nicht das nötige Geld.

VEB Ökolopel baut jetzt Bus und Bahn

Unterkonsumtion und Überakkumulation schlägt jetzt auf Opel, Qimonda, Conti - und wie sie alle heißen, die die schönen Waren, die viele nicht kaufen können, produzieren - durch. Es geht hier also um eine stinknormale kapitalistische Krise.

Gegen die Anarchie der Produktion (und der notwendigen folgenden Krise) aber hilft keine Managerschelte, sondern nur steuernde Eingriffe in die Preis- und Wertzirkulation selbst; keynesianisch-antizyklisch durch Nachfrageerweiterung mit Umverteilung der Investitionsergebnisse auf die KäuferInnen und letztendlich durch staatliche Rahmenplanung der Marktabläufe.

Die fieberhafte Suche der Bundesregierung um Merkel und Guttenberg, aber auch der alternativen Bundesregierung um Oskar Lafontaine und Sevim Dagdelen danach, wie bei Opel eigentlich irgendwie alles bleiben kann wie bisher, wird daher nichts nutzen. Notwendig ist deshalb die staatliche Übernahme von Opel und den Umbau zu einem Anbieter dringend erforderlicher ökologischer Verkehrsmittel - VEB Ökolopel. Alles andere ist Quark.