26.03.2009

Geithner entgiftet Finanzjunkies mit Staatsgeld

...und die Linke hat keine Antwort.

Jörg Schindler

Wer diesen Staat regieren will, kommt nicht drum herum, die außenpolitischen Prämissen stinknormaler kapitalistischer Nationen zu akzeptieren, also manchmal Angriffskriege zu führen, meint Thomas Lohmeier in dem vorigen Blog. Zu ergänzen ist: Wer diesen Staat regieren will, kommt auch nicht drum herum, die finanzpolitische Prämisse stinknormaler Nationen zu akzeptieren. Und die geht so: Kapital braucht Anlagemöglichkeiten.

Wie sich der US-Finanzminister die Krisenlösung vorstellt...

Die bürgerliche Lesart der Finanzkrise behauptet, durch die Spekulation sei "das Vertrauen" der Anleger und auch der Banken untereinander gestört. Dadurch werde kein Kapital für Investitionen mehr zur Verfügung gestellt - schließlich wisse der Anleger ja nicht, ob er die geliehene Kohle je wieder sieht. Dadurch knauserten die Kapitalbesitzer mit notwendigen Investitionen für profitable Projekte, die Geld benötigten. Die Wirtschaft arbeite aber mit laufenden Kredit; Geld wird ständig geliehen, um damit zu arbeiten und so die Kreditverbindlichkeiten nebst Zinsen zu bedienen. Stockt dieser fließende Prozess, komme es also für die Wirtschaft zur "Kreditklemme". Der Motor der Realwirtschaft laufe also nicht mehr rund, stottere, die Krise sei da. Gesunde Unternehmen kämen in Schwierigkeiten und liefen Gefahr, abgewickelt werden. Arbeitslosigkeit drohe.

Es ist schon ziemlich blöd, dass auch weite Teile der Linken diese "Spekulationsthese" als Erklärungsansatz der Krise übernommen haben. Nun wäre das aber an sich für die Weltwirtschaft nicht so das große Problem, dass die Linke grad ziemlich daneben liegt; schließlich regiert sie ja den Staat nicht.

Ein größeres Problem ist, dass die bürgerliche Lesart keine Antwort darauf hat, wie mit dem Überakkumulationsproblem umzugehen ist. Denn was der Erklärungsansatz der "Spekulationskritiker" übersieht, ist, dass die Kreditklemme zwar kurzfristig durch staatliche Imitation von Vertrauen behoben werden kann. US-Finanzminister Geithner hat hier einen ebenso klugen wie bornierten Plan: Der Staat solle riskante Investitionsgeschäfte, aber vor allem Risikoaufkäufe von "toxischen Papieren" mit Garantien absichern. Meint also: Der Kapitalanleger kauft die in Verruf geratenen wertunsicheren Papiere von AIG & Co. an. Weil er aber nicht sicher sein kann, ob in den Papieren nur heiße Luft statt toller Renditen drin ist, sichert der Staat ihm eine Mindestrendite ab und sorgt so für den "Abfluss" der kritischen Wertpapieren durch den Markt - die Kreditklemme löst sich. So hoffen zumindest die staatlichen Finanzbuchhalter. Es gibt also Methadon statt Heroin für die Finanzjunkies. Draufzahler des Entgiftungsprogramms ist der Staat, wenn das Papier tatsächlich doch nichts (mehr) wert ist. So weit, so teuer für die Steuerzahlerin.

...und weshalb die Linken darauf keine Antwort haben.

Doch was ist, wenn diese organisierte Wertpapiersiebung mit anschließender Verbrennung der gefälschten Versprechen auf Rendite beendet ist? Wie soll verhindert werden, dass die zinshungrigen Anleger nicht erneut windige Versprechen nach Maximalrenditen folgen, die sich letztendlich nicht realisieren lassen? Oder, um im Bild zu bleiben, wenn der Finanzjunkie wieder neues Heroin will? Dieses Problem verweist auf die blinde Stelle der bürgerliche Antikrisenprogramme (leider auch die großer Teile der Linken):

Überakkumulation bei gleichzeitiger Unterkonsumtion lässt auch die Profitraten sinken. Selbst unterstellt, es gäbe regulierte Finanzmärkte, gilt ja, dass sich letztlich jede Investition im Produktionskreislauf auch profitabel realisieren muss. Warenüberschuss und Kaufarmut bewirken aber, dass Waren nicht mehr an den Mann oder die Frau, damit letztlich auch die Investition nicht hinreichend verzinst zurück zum Kapitalgeber gebracht werden können. Hier taucht dann urplötzlich des Pudels Kern, nämlich die Verteilungsfrage, auf: Statt den Anlegern Mindestrenditen zu sichern, die sich in der Krise am Markt nicht realisieren lassen und damit gesellschaftlichen Reichtum buchstäblich sinnfrei zu verpulvern, könnte man ja die Frage stellen, weshalb mit diesen Mitteln nicht in die Warenproduktion eingegriffen werden sollte.

Die Weicheier unter uns könnten hier vorschlagen, die Konsumentenkaufkraft gemeinwohlorientiert zu steuern, also den Armen zu geben und den Reichen zu nehmen. Und zwar bewusst.

Stereoanlage statt Kapitalanlage

Die Bruce-Willis-Linken unter uns dagegen könnten sich noch darüber hinaus was Schönes überlegen, die Kapitalanleger von der Sorge des Anlegens zu befreien - verbunden mit dem freundlichen Hinweis, dass man mit einer Stereoanlage mehr Spaß haben kann als mit einer Kapitalanlage. Dies bricht dann allerdings mit der finanzpolitischen Notwendigkeit kapitalistischen Wirtschaftens, der Verschaffung von Anlagemöglichkeiten für das Kapital. Staat ist mit einem solchen Programm also nicht zu machen, aber es wäre ein Ausblick auf eine postkapitalistische Alternative. Aber dafür müsste die Linke zunächst mal aufhören, die Antikrisenprogramme der Bürgerlichen, nur ein bisschen moralischer, nachzubeten.