18.04.2009

Die taz wird 30. Wir gratulieren auch.

Das Glückwunschtelegramm zum taz-Kongress

Redaktion

Liebe taz,

Du wirst 30 Jahre alt. Und selbstverständlich wünschen wir Dir - so wie es sich für jedes langweilige Glückwunschtelegramm gehört - weiterhin viel Glück, Erfolg und Freude mit Deinen Lieben, Blablabla. Das ist die offizielle Grußadresse.

Inoffiziell schauen wir als Magazin "prager frühling" natürlich etwas neidisch auf Deine Abo-Zahlen, Deine biologisch und politisch korrekte Verlagseinrichtung und -adressanschrift, Deine angestellten, blöderweise nicht nach Tarif bezahlten RedakteurInnen, Deine politische Geschichte. Ein bisschen wären wir auch so, nur - klar! - natürlich linker, sozialistischer, politisch korrekter, tariflich bezahlter. Und unsere Kantine würde eine Dönerabteilung haben, an der uns, wenn wir an sie herantreten, der - selbstverständlich männliche - Dönerist laut und deutlich in klarem kreuzbergischen Akzent mit "...scharf, auch?!" anbrüllt.

Das alles wären wir gern, und noch viel meeheer: Den absoluten Vogelabschuss landetest Du unseres Erachtens, als Du am 8. Mai 2002 auf Deiner Satire-Seite "die wahrheit" behauptetest, der Bild-Chef-Reaktionär vom Dienst Kai Diekmann habe sich einer Penisvergrößerung unterziehen wollen.Das war wirklich gut; das war lustig, das menschelte, ach nein: menschenrechtelte.

Und zwar so gut, dass der dieke Diekmann den klassischen Fehler beging, den man nur begeht, wenn man in den tiefsten Abgründen seines Ichs getroffen ist und den Verstand ausschaltet - was im Übrigen stark dafür spricht, dass ihr mit Eurer Aussage mindestens intuitiv richtig lagt. Jedenfalls verlegte der besagte BILD-Lohnschreibersklavenhalteraufseher schnurstracks den letzten Rest Verstand in seinen kleinen Penis, klagte gegen Dich und verlor den Prozess mit der so denkwürdigen wie zutreffenden gerichtlichen Wertung, dass Diekmann als BILD-Oberknallfroschdompteur "bewusst seinen wirtschaftlichen Vorteil aus der Persönlichkeitsrechtsverletzung anderer sucht" und daher "weniger schwer durch die Verletzung seines eigenen Persönlichkeitsrechtes belastet wird". Er müsse also "davon ausgehen, dass diejenigen Maßstäbe, die er anderen gegenüber anlegt, auch für ihn selbst von Belang sind". Das war super, das war geil. Echt. Das schrieb Geschichte. Wir haben gequiekt vor Freude, und überall in Deutschland knallten die Demeter-Schaumweinerzeugniskorken!

Aber eines tun wir im Gegensatz zu Dir ganz sicher nicht: Joschkas Kosovo-Schmarrn und ähnlichem Hokuspokus auf den Leim gehen. Mit uns wird's daher bestimmte Jubelschlagzeilen der deutschen Post-68er-Alternativgroßmachtmitszene nach Bielefeld nicht geben, z.B. die: "Schlächter Abgang" zum Tod von Milosevic.

Aber so haben wir eben alle unsere kleinen Leichen im toskanischen Weinkeller. Lass Dir davon zu Deinem 30. nicht den Kopf schwer machen: Feiere, singe, tanze, schreib Dir die Seele aus dem Leib. Denn die Diekmanns kommen und gehen - taz sollte bleiben, finden wir.

Deine Redaktion von "prager frühling - Magazin für Freiheit und Sozialismus"
-Redaktion *prager frühling-