09.05.2009

Amok

Absurdität der Woche: Paint-Ball-Verbot

Jörg Schindler

Die absurdeste Meldung der Woche ist wohl diese: Die Bundesregierung möchte - wegen des Amok-Attentats auf eine Schule in Winnenden - das Waffenrecht verschärfen und Paint-Ball-Spiele verbieten. Absurd ist dies aus mehreren Gründen.

Absurdität 1: Was hat Paint-Ball mit Winnenden zu tun?

Man kann es kurz sagen: Nichts. Paint-Ball-Spiele sind ein Zeitvertreib, bei denen sich Leute in ein Wald- oder Wiesenstück begeben und sich mit kleinen Spielzeuggewehren beschießen, aus denen Farbkugeln austreten. Wer die Farbkleckse abkriegt, scheidet aus.

Der Einwand, hier würde das Töten von Menschen "gespielt", ist grotesk. Diese Paint-Ball-Gewehre sind völlig ungefährlich. Und: Wer würde denn Kindern das Räuber-und-Gendarm-Spielen verbieten, die Winnetou-Old-Shatterhand-Filme auf den Index jugendgefährdender Filme stellen oder Schachvereine auflösen wollen? Auch dort wird der Kampf von Gut gegen Böse nachgespielt, im Schachspiel wird am Ende gar ein ganzes Volk einschließlich Kavallerie, Landbevölkerung und zu guter Letzt auch das Königspaar gespielterweise ausgelöscht.

Absurdität 2: Warum wird das Waffenrecht nicht wirklich verschärft?

Das ist tatsächlich der Skandal. Einerseits geht es irgendwelchen großen Paint-Ball-Spielkindern an die Farbspritzpistolen. Andererseits wird das Waffenrecht dort, wo es in der Tat notwendig wäre, nicht verschärft. Noch immer ist es Inhabern so genannter "Waffenbesitzkarten" erlaubt, auch tatsächlich gefährliche Waffen zu Hause zu lagern - eine Erlaubnis der Kreisverwaltung genügt. Während Paint-Ball-Pistolen ungefähr so gefährlich sind wie Wasserspritzpistolen, können so genannte "Waffennarren" im Freundeskreis damit angeben, zumindest potenziell ihre Mitmenschen mit gezieltem scharfen Schuss des Großkalibers aus Omis alter Schrankvitrine um die Ecke bringen zu können. Völlig ohne Not: Denn möglich wäre es auch, die Waffen in den Räumen der örtlichen Schützenvereine gut gesichert zu lagern.

Absurdität 3: Warum ist die Schule eigentlich Feindgelände?

Hier wäre dann auch anzusetzen. Warum gehen Jugendliche in eine Schule, um dort Lernende ins Jenseits zu befördern? Die Schule ist offensichtlich wahrgenommenes Feindgelände, wird nicht mit Spaß und Freude am Lernen, sondern als Ort des Drucks, der Konkurrenz, des Sich-Anpassen-Müssens und nicht zuletzt des eigenen Versagens wahrgenommen. In psychischen Ausnahmesituationen projeziert diese Wahrnehmung dann die Schule als Ort des eigenen "Vietnam". Auch, wenn wir letzterem nicht mehr rational folgen können, muss dann doch das Thema einer kooperativen statt einer konkurrenzbasierten Schule auf die Tagesordnung. Die Abschaffung des dreigliedrigen Schulsystems und des Durchfallens wären dann konkrete Schritte gegen Amok.

Absurdität 4: Warum darf die Bundeswehr täglich Amok laufen?

Während also die Spaß-Paint-Baller an ihren Feld-Wald-und-Wiesen-Versteckspielen gehindert werden sollen, übt die staatliche Institution Bundeswehr täglich mit scharfen Waffen und mit tödlichem Ernst den Amoklauf in den deutschen Kolonien Afghanistan-Nord und Kosovo. Niemand stellt die Frage, ob derartige Ballerspiele aufgrund ihres Vorbildcharakters für jugendliche Amokläufer an deutschen Schulen nicht mal dringend verboten werden sollten. Wenn man also Nachahmungstaten der Amokläufe der Bundeswehr in abgelegenen afghanischen Bergdörfern und im kosovarischen Prizren verhindern will, wäre jetzt ein guter Zeitpunkt, diese Abenteuer zu beenden, die Bundeswehr endlich dem Waffengesetz zu unterstellen und in das Technische Hilfswerk zu integrieren.