„Weiblich, jung, sucht...“

Rollen und Rollenbilder von ukrainischen Frauen

Susanna Karawanskij

Gibt man bei google den Begriff Ukraine ein, trifft man vor allem auf ukrainische heiratswillige Frauen. Was präsentiert wird, sind süße, leicht überschminkte, sexy Püppchen, die nur eines wollen: einen Mann aus dem Westen heiraten, und sei es der letzte Trottel. Mann freut sich, dass es noch unkomplizierte Frauen gibt, und westeuropäische Frauen sind hin und her gerissen zwischen hart erkämpfter Augenhöhe und dem Wunsch, auch mal wieder die Rolle der leichtfüßigen Feminina zu spielen.

Nach mehr als 15 Jahren ukrainischer Unabhängigkeit stellt sich die Frage, welche Identifikationsmuster für Frauen in der Ukraine existieren. Die aktuelle Gemengelage ist aus postsowjetischen „Sedimenten“, aus der jungen Erfindung der Ukraine als Staat, dem Comeback der Religion, aus der Zuwendung zur Marktwirtschaft sowie aus den Bedingungen globalisierter Wirtschafts- und Kommunikationsstrukturen entstanden. Sie bietet den Schauplatz einer Konkurrenz von Werten und Vorstellungen.

Die Kosaken, dargestellt als „Urvolk“, Freiheitskämpfer und Anhänger der Orthodoxie, bilden den identitären Kern des heutigen nationalen Konstrukts. Die kosakische Lebensweise, der man sogar demokratische Züge in Hinblick auf die Stellung der Frau zuschreibt, stellt in ihrer Idealisierung den ukrainischen Archetypus dar. Das dabei zentrale Mutterschaftsideal wird durch den Mythos des „ukrainischen Matriarchats“, der Bereginia, der „Herd-Mutter“, Beschützerin und Personifikation der idealen Ukrainerin, unterstützt.

Als Gegenpol zu diesem Wertehorizont mit religiösem Anstrich entwickelt sich die mit der Modernisierung des Landes dem Westen hin geöffnete Kultur. Konsumdschungel, MTV und Daily Soaps im Fernsehen bieten mannigfaltige Orientierungen. Die bunte Werbewelt kracht auf die konsumhungrige Ukraine. Westliche Vorbilder vermischen sich mit ukrainischen Abbildern und bieten neuen Identifikationsstoff verschiedenster Couleur. Allen voran Ruslana: Das tanzwütige „Hexenweib“ begeisterte beim Eurovision Wettbewerb 2004 die ganze Nation.

Die vielfältigen identitären Partikular-Muster überlappen sich. Diese Überlappung wird befördert durch den Mangel an allgemeinen (National-)Identitätsformationen. Die jeweiligen identitären Kriterien, die das soziale Handeln beeinflussen, finden gemäß der dominierenden Marktlogik statt. Sie lassen sich letztlich in Kategorien wirtschaftlichen Erfolgs umwandeln. In welcher Spielart auch immer die identitären Angebote für ukrainische Frauen auftreten, die Marktform wird nicht in Frage gestellt. Die Wahlfreiheit zwischen verschiedenen Identitäten stellt sich damit am Ende als nur scheinbare heraus. Dies bleibt nicht ohne Folgen für die Identitätsbildung(-en). Der Erfolg dieser Prozesse lässt sich nur noch in wirtschaftlichen Größen messen; das Resultat sind aber ent-identifizierte Identitäten.

Nun kann man hoffen, dass die bestehenden Rollenmuster für Frauen in der Ukraine im Sinne der Emanzipation aufgebrochen werden. Andererseits bietet der Konflikt zwischen den neuen Identitätsmustern und jenen tradierten Mustern, die sich im Aushöhlungsprozess befinden, die Chance, dass sich ein Feminismus neuen Typs entwickelt. Die besonderen Entwicklungen in postkommunistischen Gesellschaften bringen gewissermaßen eigene Identitätsformationen hervor, welche der Reflexion bedürfen. Womöglich können sie sogar feministische Diskurse in Westeuropa beflügeln.