Solidarische Verbindungslinien

Anforderungen an einen erneuerten Feminismus

Lena Kreck und Kolja Möller

Der „neue Feminismus“ ist ein Feuilleton-Phänomen. Ob die Alpha-Mädchen, Charlotte Roche oder Lady Bitch Ray – alle tingeln sie durch die Talk-Shows und Wochenmagazine und reklamieren einen „neuen Feminismus“ für sich. In Zeiten ohne feministische „Bewegung“ ist es zu begrüßen, dass Öffentlichkeiten genutzt werden. Zumal ein Feminismus, der nicht auf der Klaviatur der Mediengesellschaft und der Populärkultur spielt, heute genauso schwer vorstellbar ist, wie die globalisierungskritische Bewegung ohne Sprachrohre wie Naomi Klein oder José Bové. Dies darf jedoch nicht darüber wegtäuschen, dass die „neuen“ Angebote bisher nicht wirklich entwickelt sind: Die Alpha-Mädchen erheben mit ihren individuellen Aufstiegsbiografien den nicht eingelösten Anspruch, so etwas wie einen „Feminismus“ zu verkörpern (als ob der zum Vorarbeiter aufgestiegene Mechaniker schon einen neuen Sozialismus repräsentieren würde). Schockstrategien wie der Pop-Feminismus von Charlotte Roche und Lady Bitch Ray sägen zwar in spielerischer Manier am Patriarchat. Mehr aber nicht. Vielleicht kann der Feuilleton-Feminismus nichtsdestotrotz helfen, feministische Diskussionen zu entkrampfen. Für einen „neuen Feminismus“ reicht das aber nicht: Eine lebendige Diskussion, um die Richtung einer erneuerten feministischen Politik steht an.

Dass die Unterdrückung der Frau keine besondere Fiesigkeit einzelner Männer ist, sondern ein (gesellschaftliches) Herrschaftsverhältnis, das umgeworfen gehört, ist eine Einsicht, auf welche die unterschiedlichen Wellen der Frauenbewegung erfolgreich hingewiesen haben. Daran anknüpfend steht und fällt der progressive Gehalt eines neuen Feminismus damit, ob er die Bevormundungen und Blockaden, denen sich Frauen in dieser Gesellschaft ausgesetzt sehen, überhaupt als gesellschaftliches Problem begreift: Eine solche gesellschaftskritische Position wird jedoch nur dann wirksam und attraktiv, wenn sie zu den progressiven Momenten in den Lebensführungs-Modellen von Frauen ein produktives Verhältnis aufbaut. Dass Frauen aufsteigen, ein besseres Leben und an der Macht partizipieren wollen, ist total richtig; problematisch wird es dann, wenn nach „unten“ getreten wird und sich Aufsteigerchauvinismus breit macht.

In jedem Fall erfordert eine feministische Politik auch konkrete Ansätze unterhalb einer von Frauenunterdrückung gänzlich befreiten Gesellschaft. Denn immerhin ist es für Frauen heute nicht befriedigend, sich mit Warterei zufrieden zu geben. Es braucht also eine feministische Reformpolitik, die darauf abzielt, auch heute schon Unterdrückungsverhältnisse zu minimieren. also beispielsweise die Abschaffung des Ehegattensplittings und des § 218 StGB oder eine radikale Frauenförderungspolitik für junge Frauen, die endlich den Gestus des „Gönnerhaften“ verlässt.

Für eine erneuerte feministische Politik werden Identifikationsfiguren in der Öffentlichkeit eine Schlüsselrolle spielen. Sie können anderen Frauen Mut machen, die Fesseln der Bescheidenheit abzulegen. Gleichzeitig prägen sie als Wegbereiterinnen das gesellschaftliche Klima. Aber wie singen „Die Sterne“? „Allein machen sie dich ein!“ Und das gilt natürlich auch hier. Deshalb muss eine erneuerte feministische Politik darauf ausgerichtet sein, gemeinsame, schichtübergreifende Interessen von Frauen zu formulieren. Feministischer Fortschritt ist also darauf angewiesen, dass solidarische Verbindungslinien zwischen den medialen Sprachrohren, den modernen Lebensentwürfen und einer Kritik der Geschlechterverhältnisse entstehen.