01.10.2009

Hans Modrow in China

Wieso prager frühling weiter nötig ist

Kolja Möller

Mehr als ärgerlich ist, dass die Partei Die LINKE ihre Startseite[1] seit heute früh mit einem Interview des Ehrenvorsitzenden zu seiner China-Reise[2] im Neuen Deutschland „aufpeppt“ . Wer daran gezweifelt hat, dass es trotz Mauerfall und neuer Linker, trotz der von Oskar Lafontaine ausgerufenen Demokratiebewegung und dem demokratischen Sozialismus in der PDS noch Linke gibt, die in die Vergangenheit wollen; hier wird man eines besseren belehrt. Unter dem lyrischen Motto „China hat Horizonte“ philosophiert Modrow über die „gewaltige Investitionskraft“ des neuen autoritären Sterns am Himmel des Weltkapitalismus und paraphrasiert die chinesische Mischung aus Kapitalismus und Diktatur als „Sozialismus chinesischer Prägung“. Kein Wort zur Menschenrechtssituation, kein Wort zu den sozialen Konflikten und ArbeiterInnenkämpfen in China, die sich aktuell (auch und gerade gegen die KP Chinas) abspielen. Der Gipfel: Modrow will das Einparteiensystem um die „breitere Einbeziehung“ anderer gesellschaftliche Kräfte ergänzt wissen. Bleibt nur die Frage: Wie wäre es eigentlich mit einem demokratischen Mehrparteiensystem? In realsozialistischem Duktus schwurbelt Mordrow schön um die Problemlagen herum; die chinesische Geschichte betrachtet er unter dem Gesichtspunkt der „Windungen“ und „Wendungen“, zwar habe die Kulturrevolution „schlimme Bilder“ hinterlassen, zukunftsweisend sei aber die Politik der KP seit dem Ende der siebziger Jahre. Nun mag man fragen, ob die „Windungen“ und „Wendungen“ der einen, nicht die Menschenleben der anderen sind. Und auch, ob sich Modrow angesichts der engen ökonomischen Beziehungen der USA zu China und der gewachsenen Rolle der VRCH im Weltkapitalismus, nicht eine chinesische Bilderbuch-KP herbei halluziniert.

Fraglich ist doch aber: Was reitet die LINKE eigentlich so eine Brühe auf ihre Startseite zu stellen? Sollte das eine Art Hintergrundsoundtrack für die Koalitionsverhandlungen in Thüringen sein? Vielleicht hätte die LINKE ja gegenüber den Grünen und der SPD einen Funktionär der chinesischen KP ins Gespräch für den Ministerpräsidentenposten bringen sollen, um die "Widersprüche im thüringischen Volk" zu bearbeiten? Und wenn die Grünen sich beschwert hätten, na dann hätte ein Genosse aus China doch wenigstens Innenminister werden können, um eine liberale Innen- und Rechtspolitik nach chinesischem Vorbild einzuleiten?
Spaß beiseite. Es sind solche Positionen, die ein demokratisch-sozialistisches Magazin wie prager frühling auch im Umfeld der neuen Linken notwendig machen, das sich für „radikale Demokratisierung und individuelle Emanzipation“ [3]einsetzt und der SED-Prosa trotzt.

Links:

  1. https://www.prager-fruehling-magazin.dewww.die-linke.de
  2. http://www.neues-deutschland.de/artikel/156650.china-hat-andere-horizonte.html
  3. https://www.prager-fruehling-magazin.de/de/topic/20.die_generallinie.html