krampflösendes scrabble

Der Schaarschmidt-Kommentar zum entkrampften Verhältnis zur Nation

Uwe Schaarschmidt

Blendet man einmal alle negativen Dinge aus, lässt sich über Deutschland im Prinzip nur Positives berichten. Hält man es umgekehrt, finden sich genügend Anlässe für ein herzhaftes Bäuerchen. Da dies mit Sicherheit für jedes andere Land der Welt gilt, kann man auch gleich dortbleiben, wo man gerade ist. Kann man – macht man aber nicht, beispielsweise im Urlaub. Da fährt man vorzugsweise dorthin, wo man etwas zu meckern findet, beispielshalber nach Finnland, um sich von Mücken zerstechen zu lassen und Konserven-Rentierfleisch eklig zu finden. Oder nach Griechenland, wo das Essen so furchtbar wie in Bulgarien schmeckt, es so unerträglich heiß wie in der Sahara ist und wo – wegen eines im Januar auf Grund nachgewiesener Bestechlichkeit entlassenen, kinderreichen Fahrkartenkontrolleurs – den ganzen Sommer lang sämtliche Verkehrsunternehmen plus die großen Fahrkartenknipszangenfabriken bestreikt werden. Manche fahren auch in die Mongolei, kommen wieder und sagen: „Ei, da gab’s nüscht zu meckern – aber auch nüscht zu sehen!“

Ich selbst verreise eigentlich nur, um für einige Wochen im Jahr den beständigen Ermahnungen zu entgehen, dass „die Linke endlich ein unverkrampftes Verhältnis zur Nation“ entwickeln müsse. Irgendein gelehrter Depp, ein Politiker – meist als „Querdenker“ in seiner Partei übel beleumdet – oder eine senile Reporterlegende findet sich wöchentlich, um mit derartigen, oralen Flatulenzen Löcher in die intellektuelle Ozonschicht am Himmel über Berlin zu brennen. Wo steht eigentlich geschrieben, dass ich ein unverkrampftes Verhältnis zur Nation haben muss? Ist dies Bedingung für den Erwerb einer Bahncard 25 oder von pyrotechnischen Erzeugnissen? Habe ich nicht genug damit zu tun, des Morgens im Bette ein unverkrampftes Verhältnis zu meinen Waden zu entwickeln?

Und was ist das überhaupt, ein „unverkrampftes Verhältnis zur Nation“? Wer legt fest, wessen Verhältnis zur Nation verkrampft ist und wessen nicht? Krampfhaft auf die deutschen Dichter, Denker, und Erfinder zu verweisen, krampfhaft den Begriff vom deutschen Vaterland zu bemühen, krampfhaft zu behaupten, dass der Deutschen Freiheit am Hindukusch verteidigt werde, krampfhaft die verblichene Zone dafür zu belächeln, dass sie eine Nationalhymne hatte, die nicht gesungen wurde, aber selbst eine zu haben, von der man nur ein Drittel singen darf – ist das alles unverkrampft?

Wie man’s macht, macht man’s verkehrt. Um ein besonders guter Deutscher zu sein, trinke ich zum Beispiel – als krampflösendes Mittel – Bier für drei normal gute Deutsche, esse Bratwurst für vier und wiege nur halb so viel wie ein dicker Russe. Erst mal nachmachen! Aber wer dankt es einem schon? Meine Freundin jedenfalls nicht. Komme ich sternhageldeutsch von der gesellschaftlichen Arbeit nach Hause, sieht sie mich vorwurfsvoll an, selbstverständlich erst am nächsten Tag, damit ich es auch ja nicht vergesse.

Na ja – die Nation, das ist schon ein Ding! Irgendwann wird man das Wort gar nicht mehr brauchen, weil alles eins ist. Dann kann man seine Buchstaben nehmen und daraus ein neues Wort basteln. „Onanit“ böte sich trefflich an, um endlich das ordinäre Wort „Wichser“ zu ersetzen und so zu einem unverkrampften Verhältnis zur Selbstbefriedigung zu kommen. Dabei hätte die Linke dann auch endlich mal die Nase vorn.