klima-killer falscher konsum?

Contra: Bewusster Konsum ist kein Heilsbringer.

Ilka Schröder

Würden alle Leute Strom aus erneuerbaren Energien beziehen, im Bioladen einkaufen und höchstens einmal die Woche Fleisch essen, kurz: würde niemand mehr Produkte kaufen, die zur Erhöhung des CO2-Ausstoßes oder anderweitig zur Klimaverschlechterung beitragen, dann, ja dann, würde die Sonne wieder scheinen – aber eben nicht zu stark.
Stimmt. Zumindest ein bisschen. Wenn alle Konsumenten nur noch Klimaunschädliches kauften, gäbe es keinen Markt mehr für Klimaschädliche Produkte. Die entsprechenden Firmen gingen pleite oder würden die Produktion umstellen müssen. Klingt gut und einfach. Was hindert Menschen daran, die richtigen Dinge zu kaufen? Die Wahl der weniger schädlichen Ware kostet fast immer mehr. Mit der Aufforderung an „die Verbraucher“ zum CO2-freundlichen Konsum appelliert man aber in der Masse an Menschen, deren Einkommen gerade so zum Leben reicht. Das ist also der zynische Appell an die in der Mehrheit mies Entlohnten, den gesellschaftlichen Dreck finanziell auszubaden. Das Klima durch ein anderes Konsumverhalten zu retten, wäre aber höchstens dann sinnvoll, wenn der Konsum im Zentrum der Ökonomie stünde. Dem ist nicht so: Die Bedürfnisbefriedigung durch Waren ist lediglich ein notwendiges Abfallprodukt einer auf Kapitalproduktion ausgerichteten Wirtschaft. Für diesen Zweck werden Natur und Mensch als Ressource be- und vernutzt. Aus ihnen wird herausgeholt, was geht. Die Einführung von Preisen für Naturressourcen – wie etwa beim Emissionshandel – stellt wie der Lohn bloß ärgerliche Zusatz-Kosten für alle betroffenen Kapitalisten dar.
Ein anderes Konsumverhalten mag zwar punktuell für weniger CO2 sorgen, aber es ändert nichts am Prinzip, dass das Kapital sich für seine eigenen Grundlagen nicht interessiert. Dagegen wird flankierend zum Konsum-Argument die Idee vorgebracht, der Staat müsse unterstützend eingreifen, ähnlich wie in der Sozialpolitik. Selbstverständlich hat der Staat die Macht, neue Gesetze im Umgang mit CO2 aufzustellen. Aber der Staat ist auch derjenige, der die kapitalistischen Spielregeln setzt und garantiert. Er richtet seine eigenen Handlungen auf das Wirtschaftswachstum aus. Damit ist er Staat selbst abhängig vom Erfolg des nationalen Kapitals. Die Umweltpolitik wird nun gerade von diesem Staat, der politischen Gewalt der kapitalistischen Gesellschaft, betrieben. Er soll die Grundlagen dieser Ökonomie erhalten und gleichzeitig dem Kapital möglichst wenig schaden. Genau deswegen gibt es auch Klimakonferenzen: weil kein Staat mit den drohenden Konsequenzen des Klimawandels leben will, aber auch keiner in der Staatenkonkurrenz hintenan stehen will. Auf Gipfeltreffen wollen alle von allen anderen maximale Verpflichtung sehen und dabei selbst dem eigenen Kapital möglichst gar nichts an Auflagen aufdrücken müssen.
Das Klima über Konsum oder Staat retten zu wollen, kommt meist antiaufklärerisch daher. Natürlich ist es nicht falsch, beim Konsum auf Klimaverträglichkeit zu achten. Aber nur selten wird der systematische Grund für den rücksichtslosen Umgang mit Umwelt und Mensch kritisiert (und behoben schon gar nicht). Der hohe CO2-Ausstoß ist eben kein Marktversagen und das Ergebnis der Klimakonferenz keine Politiker-Borniertheit. Es ist einfach grausiges Funktionieren von Kapital und Politik.