lieber red als new

Plädoyer der Redaktion für einen Red Green Deal

Der Kapitalismus neigt dazu, seine eigenen Lebensgrundlagen zu zerstören. Er ist sowohl maßlos gegenüber der Arbeit, Schöpfer seines Lebenselixiers, des Profits, als auch gegenüber der Umwelt, die die Gebrauchswerte bereit stellt, ohne die kein Tauschwert sein kann. Seine Prinzipien, die auf Wachstum und Kolonialisierung aller Weltregionen und Lebensbereiche ausgerichtet sind, werden für die Menschen lebensbedrohlich. In den 1940er Jahren wurde mit dem New Deal seine Maßlosigkeit gegenüber der Arbeit gebändigt. Getrieben von der Angst, den eigenen Krisen zu erliegen und in der Systemkonkurrenz mit dem real existierenden Sozialismus das Nachsehen zu haben, stellte der ideelle Gesamtkapitalist in der Zeit zwischen 1950 und 1970 Regeln auf, die dem Kapitalismus ein menschliches Antlitz gaben. Der drohende Klimawandel ist nun wieder so ein mächtiges Problem. Und wieder soll ein New Deal helfen, der diesmal nicht nur den Kapitalismus, sondern gleich die ganze Menschheit retten soll.
Der Green New Deal – im internationalen Diskurs ehrlicher als „green capitalism“ bezeichnet – soll den Kapitalismus grün und nachhaltig werden lassen. In allerlei wissenschaftlichen Studien und politischen Programmen werden Vorschläge erarbeitet, wie mit Hilfe marktwirtschaftlicher Methoden der Kapitalismus vor einem ökologischen Kollaps und die Menschheit vor ihrem Untergang bewahrt werden kann. Gemeinsam ist allen Konzepten, dass sie die Logik kapitalistischer Ökonomie nicht in Frage stellen. So soll der Green New Deal den Handel mit Emissionszertifikaten, eine effektivere regionale Energieversorgung, eine Stärkung des Schienenverkehrs und des ÖPNV gegenüber dem Individualverkehr, die Förderung regenerativer Energien sowie eine Preis- und Steuerpolitik, die ökologische Produkte fördert bzw. umweltschädliche Produkte verteuert, umfassen.
Obwohl der Green New Deal als globales Projekt verstanden wird, ist keineswegs sicher, dass seinen Konzepten eine internationale Perspektive eingeschrieben ist. In der Studie „Auf dem Weg zu einem Green New Deal“ der grünen Böllstiftung kommt die Problematik der sich industriell entwickelnden Schwellenländer oder gar der Wunsch nach Überwindung materieller Armut in den Ländern der sogenannten Dritten Welt nicht vor. Es wird darauf vertraut, dass die bisher zerstörerische Kraft der kapitalistischen Zentren USA und EU zu einer kreativen Kraft mutiert und deren leuchtendes Beispiel China, Indien und andere Länder dazu anhalten möge, in ähnlicher Weise ihre Ökonomie ökologisch umzugestalten bzw. gleich die Fehler der alten kapitalistischen Ökonomien zu vermeiden.
Es gibt daher viele Gründe, warum eine politische Linke sich nicht einfach dem Konzept des Green New Deal anschließen sollte. Dabei ist die Kritik, dass er in marktwirtschaftlicher – also kapitalistischer – Logik gefangen bleibt, zu billig. Denn tatsächlich ist seinen Apologeten zuzugestehen, dass sie interessante Konzepte zum Umbau der kapitalistischen Ökonomie vorhalten, die ihre naturzerstörende Kraft bändigen können. Der Green New Deal krankt aber daran, dass er die ökologische Frage ohne die soziale lösen will. Dies wird allerdings dazu führen, dass diejenigen, deren ökologischer Fußabdruck (wenn auch unfreiwillig) am kleinsten ist, die Rechnung derjenigen zu begleichen haben, die ihren Reichtum auf ihrer naturzerstörenden Produktions-und Konsumptionsweise gründeten.
Linke Politik muss daher kritisch auf das Konzept des Green New Deal reagieren. Sie hat sich sowohl einer apokalyptischen Politik entgegen zu stellen, dernach die Welt gerettet werden müsse – egal wie; als auch der alten naturzerstörenden Industriepolitik, wie sie lange Zeit selbst von Betonsozialisten aller Länder und aller Couleur vertreten worden ist. Linke Politik muss sich vielmehr zu einer Politik der Entschleunigung und der Wachstumsbegrenzung bekennen. Dem Wahnsinn der kapitalistischen Profitlogik muss die Rationalität der technischen und sozialen Vernunft entgegengesetzt werden. Ökologische Politik – will sie nicht offen autoritär sein – muss letztlich auch eine soziale Politik sein, weil sie ohne die Akzeptanz der Vielen zum Scheitern verurteilt ist. Vor diesem Hintergrund muss die Linke einen Red Green Deal als Angebot an die Gesellschaft zur Begrenzung der ökologischen Krise entwickeln. Dieser muss folgende Momente umfassen:
1.) Die Kosten des ökologischen Umbaus müssen diejenigen zahlen, die die Mittel dazu haben und die bisher durch ihren verschwenderischen Lebensstil die Klimakatastrophe verantwortet haben. Das bedeutet, dass die Länder des industrialisierten Nordens (hier vor allem die USA und die EU) erhebliche Mittel aufbringen müssen, um Länder des globalen Südens bei der Entwicklung einer ökologisch verträglichen Ökonomie zu unterstützen.
2.) Innerhalb der Länder des industrialisierten Nordens ist die Steuer-, Verkehrs- und Energiepolitik so zu gestalten, dass der ökologische Umbau nicht zur Exklusion von Teilen der Bevölkerung von Mobilität oder gar der Energieversorgung führt. Die Steuerpolitik als ein zentrales Steuerungsmodul kapitalistischer Ökonomie darf nicht so gestaltet werden, dass durch die Erhöhung indirekter Verbrauchssteuern auf vermeintlich umweltschädliche Produkte die soziale Ausgrenzung im Namen der Umwelt verschäft wird. Die Linke muss stattdessen auf direkte Einkommens- und Vermögenssteuern setzen, um eine sozial gerechte Einkommensverteilung zu ermöglichen. Diese Verteilung wiederum ist die Grundlage für eine Besteuerung umweltschädlicher Produkte und Produktionsprozesse, um die Externalisierung ökologischer Folgekosten auf die Gesellschaft zu verhindern.
3.) Es muss für einen Know-How-Transfer ökologischer Technologien gesorgt werden. Eine Politik, die internationale ökologische Standards als Mittel der nationalen Standortpolitik begreift, indem sie stets ausgerechnet jene Technologien und Produktionsformen standardisieren will, in denen die eigene Wirtschaft zu den führenden der Welt gehört, ist abzulehnen. Neue technologische Entwicklungen müssen direkt weltweit verfügbar sein und eingesetzt werden können. Patentrechte sind entsprechend so zu gestalten, dass ökologisch sinnvolle Veränderungen in der Produktion zeitnah vorgenommen werden können.
4.) Das Mitspracherecht der Betroffenen vor Ort bei der Planung und Durchführung von großen Infrastrukturprojekten muss ermöglicht bzw. erweitert werden. Auf diese Weise wird nicht nur die demokratische Teilhabe gestärkt, sondern kann auch die Durchsetzung von irrsinnigen Großprojekten be- bzw. verhindert werden. Atomanlagen, Autobahnen oder Stauseen beispielsweise wären wesentlich schwerer durchzusetzen, wenn es ein umfassendes Mitspracherecht der konkret Betroffenen geben würde.
5.) Schrumpfung und Konversion sind die Schlagworte der neuen Ökonomie. Es gibt auch ein gutes Leben jenseits der Flächen zersiedelnden und versiegelnden Einfamilienhäuser und ohne Spritschleudern. Dabei können ökologische Wohnprojekte, Carsharing, ein kostenfreier und gut ausgebauter ÖPNV oder ein gemeinsamer Technikpool das Leben sogar angenehmer werden lassen. Die Konversion ökologisch schädlicher Produktionen in ökologisch sinnvolle würde auch nicht zur allseits gefürchteten Massenerwerbsarbeitslosigkeit durch eine schrumpfende Wirtschaftskraft führen. Aber selbst wenn insgesamt weniger gearbeitet werden sollte, weil eine geringere Produktion weniger Arbeitskraft erfordert, ist dies nicht dramatisch. Die Menschen würden ein Gut zurückgewinnen, das vielen als nahezu unbezahlbar gilt: Zeit.