22.02.2010

Neuer Feminismus, neue Generation?

Rezension: Anne Lenz, Laura Paetau: Feminismen und »Neue Politische Generation«, Westfälisches Dampfboot, 2009, 151 Seiten, 19,90 Euro

Kirsten Achtelik

Die Autorinnen Anne Lenz und Laura Paetau fragen in ihrer gemeinsam verfassten Diplomarbeit Feminismen und »Neue Politische Generation« danach, was Feminist_in sein heute bedeutet. Dazu haben sie neun Aktivist_innen der Berliner Szene aus sechs verschiedenen Gruppen nach ihrem Politikverständnis, ihren Zielen, Schwerpunkten und ihrer Geschichte befragt. Die Datenauswertung dieser feministischen Praxis und Analyse erstreckt sich über so breit gefächerte Themen wie Identitätspolitik, Kinderkriegen, die Verbindung von Antisexismus und Feminismus sowie Intersektionalitätsdebatten. Drei dieser (anonymisierten) Interviews haben die Autorinnen intensiver analysiert, da sie die größte Spannweite innerhalb des Datenpools aufwiesen. So bietet Feminismen und “Neue Politische Generation“ einen Einblick in die politische Arbeit und das Selbstverständnis heutiger Feminist_innen. Dabei geht es den Autorinnen vor allem darum, die jetzige politische Praxis zu beleuchten, um Strategien für die Zukunft zu entwickeln. Daher kann das Buch auch als Fundgrube und Grundlage für strategische und politische Debatten feministischer Aktivist_innen genutzt werden.

Um wen geht es?

Bei der Lektüre stellt sich jedoch die Frage, wie repräsentativ dieser Einblick in die Szene ist und welche Gruppe da eigentlich erforscht wurde. Die Autorinnen problematisieren dies selbst und antworten: „Wir haben bei uns angefangen.“ (S. 139). Dementsprechend kommen auch die meisten Interviewten aus einer weißen, westlichen und akademischen Sozialstruktur. Allerdings sind das durchaus typische Kennzeichen für die Berliner (radikale) linke Szene.

Unklar bleibt leider ebenfalls, was die Autorinnen mit dem Begriff der „neuen politischen Generation“ genau fassen wollen. Was ist daran so neu, dass es sich nicht mit bereits vorhandenen Begriffen ausdrücken lässt? Was haben die untersuchten Aktivist_innen überhaupt gemeinsam? Ihre eigenen Ausführungen dazu bleiben vage: gemeinsame Merkmale seien die Form der Organisierung und die Themen der Aktivist_innen. Außerdem würden alle das Erbe der Frauenbewegung (kritisch) aufnehmen. Die Auswertung der Interviews zeigt allerdings, dass die befragten Aktivist_innen außer einem Unbehagen gegen eine unreflektierte Identitätspolitik jedoch nicht viel gemeinsam haben. Auch beziehen sich zwar alle theoretisch positiv auf ein Zusammendenken von verschiedenen Unterdrückungszusammenhängen, in der politischen Umsetzung treten jedoch große Unterschiede zu Tage. Dies heißt aber auch nicht viel mehr, als dass in weiten Teilen der antisexistischen Berliner radikalen Linken Kritik an Zweigeschlechtlichkeit und eine eher subkutane als theoretisch fundierte Butler-Rezeption Standard sind.

Braucht es für ein derartiges Szene-Phänomen einen neuen Begriff?

Dass die beiden Politikwissenschaftlerinnen und Soziologinnen in ihrem Studium noch nie von den nicht nur für die Soziologie prägenden Generations-Konzepten von Karl Mannheim gehört haben sollen, erscheint unwahrscheinlich. Umso rätselhafter bleibt, warum sie sich zwar im theoretischen Teil ihrer Arbeit mit den verschiedensten Theorien der feministischen Bewegung auseinandersetzen, andere soziologische Ansätze jedoch gänzlich außer acht lassen.

Den Autorinnen ist darin zuzustimmen, dass es sich bei dem von ihnen beobachteten Phänomen nicht um eine Bewegung handelt. Wahrscheinlich muss sogar konstatiert werden, dass bei der derzeitigen Schwäche von feministischen Gruppen und Aktivitäten auch von einer feministischen Bewegung keine Rede sein kann. In dem Buch wird gezeigt, wie auch in einer eher ruhigen Phase feministische Ideen und Ansätze von Aktivist_innen weiterentwickelt werden.

Wie weiter?

Seit dem die Interviews 2007 gemacht wurden, hat sich auch in Berlin die Szene wieder etwas gewandelt. Mehrere explizit feministische Gruppen sind entstanden. Wie die von Lenz und Paetau beschriebenen Ansätze mit diesen neueren zusammenkommen und wieder mehr dringend nötige gesellschaftliche Relevanz entwickeln können, ist eine zu diskutierende Frage. Bleibt zu hoffen, dass durch die dargestellten Beispiele und Strategien, sowie den Debatten darüber künftig wieder etwas mehr Bewegung in die Sache kommt.