22.02.2010

Frauen, die sich bewegen: In „gleich, gleicher, ungleich“ zeichnet Christa Wichterich eine spezifische Landkarte von Frauen(rechts)bewegungen

Christa Wichterich: Gleich, gleicher, ungleich: Paradoxien und Perspektiven von Frauenrechten in der Globalisierung, Verlag: Helmer, 2009, 240 Seiten, 19.00 Euro

Isabel Collien und Anne Lenz

Es ist paradox. Das mit den Frauenrechten: Deutsche Frauen sind zunehmend erwerbstätig, allerdings auf Teilzeitstellen. Weibliche migrantische Pflegekräfte übernehmen häusliche Pflegearbeiten, jedoch gegen ein geringeres Entgelt als im deutschen Pflegesektor üblich. Mikrokredite für die Ärmsten, mehrheitlich Frauen - eine sinnvolle Angelegenheit? Nur bedingt. Denn diese Kredite verdrängen Formen kollektiven Sparens und Frauen sind nur deshalb Hauptadressatinnen, weil sie das Geld mit größerer Wahrscheinlichkeit zurückzahlen. Häufig verschwinde die Politisierung der Geschlechter-, Klassen- oder Armutsfrage im ‚Windkanal des Marktzugangs’, so die Soziologin Christa Wichterich in ihrem Ende 2009 erschienenen Buch „gleich, gleicher, ungleich“. Auf 225 Seiten zeichnet Wichterich den Prozess der Globalisierung von Frauenrechten nach und zeigt zudem auf, wie frauenrechtliche Forderungen teilweise in neoliberale Projekte integriert wurden. Um die Ambivalenz dieser Entwicklungen zu fassen, verschränkt sie feministische Gesellschafts- und Ökonomiekritik und beharrt darauf, die Systemfrage zu stellen. Eine Fülle statistischer Daten sowie Beispiele konkreten Widerstands von Frauen untermauern ihre Analyse davon, wie neoliberale Umstrukturierungen mit Geschlechterverhältnissen verknüpft sind. Sich dieses Buch als Nachschlagewerk ins Regal zu stellen, um das feministische, rhetorische Waffenarsenal zu erweitern und, falls nötig, gezielt Fakten abfeuern zu können, ist eine gute Entscheidung.

Frauenbewegung(en) und global players

Wichterich richtet ihren Blick auf die Situation von Frauen in Arbeits- und Reproduktionsarbeitsverhältnissen sowie auf organisierten Widerstand. Auf transnationaler Ebene stehen Knotenpunkte wie Gegengipfel, Weltsozialforen und Vernetzungsplattformen im Mittelpunkt. Gegen Einsparmaßnahmen im öffentlichen Gesundheitssystem demonstrierende Krankenschwestern in Frankreich sowie Exportarbeiterinnen in Thailand und China, die gegen Fabrikschließungen protestieren, sind Dimensionen lokalen Widerstands. Die strategischen Handlungsansätze „bewegen sich auf einer Skala zwischen Gegenwehr von unten und Einflussnahme auf nationale oder globale Governance.“ Solidarität, Demonstration und Frauenbewegungen auf der Straße, die sich in einer „vorübergehenden Ruhepause“ befinden, sind zentrale Eckpunkte von Wichterichs Bestandsaufnahme.

Aus der Wichtigkeit, die Frau als Subjekt und die global players als Referenzpunkt für Widerstand in ihrer Analyse erhalten, resultiert eine spezifische Landkarte von Frauen(rechts)bewegungen: Professionalisierte NGO-Frauen im 'globalen Norden', sich kollektiv organisierende Wanderarbeiterinnen und Kleinbäuerinnen im 'globalen Süden'.

Eine Frage der Perspektive

Ein globaler Rundumschlag, wie Wichterich ihn anstrebt, ist – aus postmoderner Perspektive – mutig und muss zugleich Auslassung produzieren. So erweist sich die US-amerikanische und europäische Bewegungslandschaft außerhalb professionalisierter und individualisierter Strukturen als gähnend leer. Dem eigenen Anspruch, dass eine feministische Perspektive bedeutet „Leerstellen von Herrschaftskritik auszufüllen“, wird der dritte Teil des Buches, die Perspektiven, nicht immer gerecht: Obwohl Wichterich auch Bewegungen erwähnt, die das Paradigma der Zweigeschlechtlichkeit in Frage stellen, löst sie ihren Blick nicht von einem identitären Zugang und dem Hauptreferenzpunkt Frau. Weiterhin benennt sie „dezentrale, polyzentrische Kämpfe“, fokussiert jedoch auch dabei auf Widerstandsformen, deren Bezugspunkt Politiken von Regierungen, UN oder WTO bilden.

So geraten unter anderem feministische, ökonomische Widerstandspraktiken, die eben nicht primär auf den Aufbau einer Gegen-Macht zu den global players abzielen, aus dem Blick. Eine (andere) Analyse, die queer-feministische Kapitalismuskritiken als Ausgangspunkt nimmt, könnte dezidierter aufzeigen, wie kapitalistische Vergesellschaftung identitätsbildend wirkt. Und dann Räume, die nach anderen Prinzipien (zum Beispiel beitragen statt tauschen) funktionieren, und damit neue (ökonomische) Identitäten ausbilden, auf widerständisches Potenzial hin beleuchten. Wichterich bleibt dabei: „Aus feministischer Perspektive beinhaltet die Politik des Widerstandes immer starke Elemente der Politik der Anerkennung“. Das ist eine Form politischer Praxis. Subversive Praktiken, die feministisch wirken, indem sie bestehende Normen in Frage stellen, sind eine andere.