02.04.2010

Herzlichen Glückwunsch, Helmut!

Zum 80. Geburtstag von Helmut Kohl

Thomas Lohmeier

Nun bist Du 80 Jahre, lieber Helmut. Deine erste Wahl zum Bundeskanzler (niemand kann dieses Wort so lustig aussprechen wie Du!) war die erste politische Fernsehsendung, die ich mir bewusst ansah. Am 1.10.1982 war ich krank und musste nicht zur Schule. Damals gab es nur drei Fernsehprogramme und vormittags um 10 Uhr wurde eigentlich noch Testbild ausgestrahlt - es sei denn, im Bundestag geschah etwas wirklich Wichtiges. Das mit dem Fernsehprogramm hast Du dann schnell geändert und so erfreute ich mich während meiner Pubertät an Tutti-Frutti und anderen Highlights der privaten Fernsehsender.

Anfangs fand ich Dich toll, weil mein Vater sicher war, dass nun der wirtschaftliche Aufschwung käme und die Arbeitslosigkeit verschwinde. So kam es natürlich nicht. Während meiner Pubertät emanzipierte ich mich auch noch von meinem katholisch-konservativen Elternhaus; mein Blick auf Dich wurde immer kritischer.

Aber trotzdem bliebst Du ein Bollwerk, wie ich heute weiß. Obwohl Du mit Graf Lambsdoff regiertest, steuertest Du Dein Land nicht so neoliberal um, wie Reagan oder Thatcher es taten. Dabei warst du gar kein katholischer Sozialromantiker oder Herz-Jesu-Sozialist. Dein Antikommunismus war ein Antitotalitarismus, denn Du wusstest du um den Zusammenhang von sozialer Sicherung, fairen Löhnen und einer stabilen demokratischen Ordnung. Und so blieb während Deiner Regentschaft der Spitzensteuersatz der Einkommenssteuer bei über 50%, die Mehrwertsteuer erhöhtest Du nur moderat und "Die-Renten-sind-Sicher"-Blüm blieb bis zum Schluss Dein Sozialminister.

Auch wenn ich Dir heute zum Geburtstag gratuliere, darf ein kritisches Wort nicht fehlen: Du hast 1985 in Bitburg Waffen-SS-Schergen in eine versöhnliche Geste einbezogen, das war einfach ekelhaft. Du hast die Gewerkschaften mit der Änderung des §116 Arbeitsförderungsgesetztes 1986 nachhaltig geschwächt, was heute zu miserablen Löhnen führt. Du hast das Asylrecht faktisch abgeschafft. Und Du hast die Kosten der deutschen Einheit über die Sozialversicherungssysteme vor allen den abhängig Beschäftigten aufgedrückt.

Dennoch war in einem Punkt immer auf Dich Verlass: Du kanntest die besondere Rolle Deutschlands, warst oft besonnen gegenüber den europäischen Nachbarstaaten - auch wenn du mit der Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze unnötig lange gezögert hast. Diese historische Weitsicht ist leider zusammen mit Dir aus dem Kanzleramt verschwunden. Vor allem Dein großkotziger Nachfolger kannte keine Zurückhaltung. Gewählt habe ich ihn selbstverständlich nicht, schließlich - und da bin ich ganz bei Dir - würden wir beide niemals Sozialdemokraten wählen!

Lieber Helmut, trotz der genannten Kritikpunkte vermisse ich Dich doch ein wenig. Über viele Jahre gab es nur Dich als Bundeskanzler. Als du weg warst, wurde der Sozialstaat von Deinem sozialdemokratischen Nachfolger eingerissen, Deutschland führte Krieg in der Welt und in der europäischen Union wurden mit Arroganz deutsche Interessen vertreten. Dir wurde oft - auch von linken Kritikern - nachgesagt, du seist einfalls- und ziellos. Das stimmt nun wirklich nicht. Du wusstest, wie wichtig die europäische Integration war, sie war Dein zentrales Anliegen (die Deutsche Einheit war ja nur ein Geschenk der "Gechichte" an Dich). Im Kontext der Einführung des Euros nanntest Du die europäische Vereinigung einmal eine Frage von "Krieg und Frieden". Ich will dir hier ausdrücklich zustimmen. Trotzdem finde ich, Du hättest Dich stärker für eine europäische Sozialpolitik einsetzen sollen, um die Akzeptanz der EU in Europa zu sichern. Als Historiker wusstest Du doch um den Zusammenhang zwischen einer stabilen sozialen Ordnung und Akzeptanz der politischen Ordnung. In der nationalen Politik hattest du darauf ja noch Rücksicht genommen.

Gewählt habe ich Dich übrigens nie, das hast Du bestimmt auch nicht erwartet. Aber heute würde ich es mir glatt noch einmal überlegen, wenn Du nochmals gegen die Schröders, Steinmeiers, Stoibers oder Merkels antreten würdest, die mir seit Deiner Abwahl zur Auswahl angeboten wurden. In diesem Sinne: Von Herzen alles Gute, Helmut!