Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

eurer Redaktion

der Latte Macchiato ist ein beliebtes Getränk. Beliebt in groß- und kleinstädtischen Cafés. Weniger bekannt ist, dass Latte Macchiato ursprünglich eine italienische Milchzubereitung für Kinder war, um sie an den Geschmack des Kaffees zu gewöhnen, ohne ihnen zu viel Koffein zu verabreichen. Das lernt man bei Wikipedia. Und noch mehr: Latte Macchiato werde häufig als Symbol für trendbewusste Großstädter der Mittelschicht in Szenebezirken von Berlin und Hamburg verwendet und auch abwertend als Modegetränk der Yuppies betrachtet.

Was hat nun Latte Macchiato mit dieser Ausgabe unseres Magazins zu tun? Zunächst gar nichts. Denn es geht hier um „Crossover“, also um den Versuch, eine Diskussion über politische Kooperation von sozialistischen, grünen und sozialdemokratischen Positionen in Gang zu setzen, deren Ergebnis hegemoniefähige progressive Reformprojekte werden sollen. So nahe liegend dies angesichts des Niedergangs der neoliberalen Ära ist, so blockiert ist diese Perspektive dennoch. Es fehlt schlicht an allem: an halbwegs kohärenten theoretischen, erst recht an praktischen Ansätzen, an Erfahrungen über Chancen und Grenzen solcher Kooperationen, an Vertrauen der Akteure zueinander, an Kenntnis der eigenen Stärke als auch Schwäche. Nicht zuletzt fehlt der Charme des Neuen, des nach vorn Gerichteten. Ganz besonders nerven deshalb diejenigen, die erst gar nicht drüber reden wollen, wie eine rot-rot-grüne Kooperation aussehen könnte. Gleichzeitig treibt das scheele Schielen auf das blockierte Naheliegende Sumpfblüten: rosa-rot-grüne Funktionäre treffen sich beim Kinderkoffeingewöhnungsgetränk und „loten aus“ – ja, was eigentlich? Der Hinterzimmer-Crossover gleicht also dem Grabschfieber in einem Kleinstadt-Anbaggerschuppen.

Wir wollen die Blockaden beenden. Jenseits vom Latte Macchiato wollen wir raus aus der Kaschemme und rein ins Licht. Und zwar mit offenem Visier: Ja, wir wollen Rot-Rot-Grün, ja, wir wollen eine Linksregierung. Aber wir wollen wissen, was da geht – und was nicht. Und wie es geht – und wie nicht. Deshalb haben wir PolitikerInnen gefragt, was für sie Mindestbedingungen einer Linksregierung sind. Und wir haben nachgesehen, wo es so etwas unerhörtes (fast) schon mal gegeben hat. Wir haben die TrägerInnen gefragt; aus Gewerkschaften, Wissenschaft, Kultur und sozialen Bewegungen. Streiten haben wir sie lassen, über das, was eigentlich Crossover-Kernprojekte sein könnten. Polar und spw, unsere grünen und sozialdemokratischen Zeitschriften-Pendants, kommentieren unsere Crossover-Thesen. Denn klare Worte erhalten die Freundschaft. Besonders stolz sind wir aber darauf, aus dem Dreier- ein Vierer-Crossover gemacht zu haben. Denn mal ehrlich: Kann es einen Crossover ohne DIE PARTEI geben? Martin Sonneborn, Vor- und Cross-Denker meldet ideologische Führungsansprüche an.

Kurz, wir haben alles getan, um die rosa-rot-grünen Hinterzimmergrabscherei aus dem fahlen Kaschemmenlicht herauszuholen. Ob 2013 hieraus aufregender Gruppensex in der Regierungs-Kommune-I werden kann, wissen wir natürlich nicht. Aber Latte Macchiato jedenfalls hat für das reale Leben viel zu wenig Koffein.

Eure Redaktion