aus den trümmern der digitalen gesellschaft ...

... erwächst eine Partei neuen Typs

Thomas Lohmeier

„Ich bin für die Wahrung unserer Grundrechte. Artikel 26 Grundgesetz bestimmt, dass unsere Bundeswehr eine Verteidigungsarmee ist“, darf ein Handwerkermeister seine Gründe für die Mitwirkung in der Piratenpartei in einem Werbespot erläutern. Für alle anderen Parteien – Die Linke einmal ausgenommen – gilt hingegen die Parole: Gestern verteidigten wir Deutschland und heute die ganze Welt. Und es kommt noch schlimmer: Partielle Kommerzfeindlichkeit und Neigungen zum Marxismus bescheinigt FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher den Piraten. Als bürgerlicher Intellektueller weiß er schließlich, worauf es wirklich ankommt: auf das Verhältnis zum Eigentum. Und zu diesem hätten die Piraten ein ungeklärtes Verhältnis. Patente auf Lebewesen finden sie unethisch, freien Zugang zu Forschungsergebnissen und die Gebührenfreiheit der Bildung wird verlangt und zu alledem eine radikale Änderung des Urheberrechts („Vergesellschaftung der Inhalte“) gefordert.

Zwar ist die Community der freien Software-EntwicklerInnen nicht die kommunistische Vorhut, für die sich ein Teil von ihnen hält. Aber dennoch zeigt sie oft ganz praktisch: Die freie Assoziation der ProduzentInnen kann der Produktion unter den Bedingungen der privaten Verfügungsgewalt überlegen sein; die Organisation von Partei und Community nach dem Prinzip der Liquid Democracy lässt zudem erahnen, wie eine Gesellschaft demokratisch organisiert sein könnte. Die Piraten sind also tatsächlich näher am Kommunismus als einE TraditionsgewerkschafterIn, die insbesondere bei der massenhaften Missachtung des "geistigen Eigentums" im Internet ihrem Namen gerecht werden: als Schutztruppe der digitalen Piraterie.

Dass die Produktion des Wissens zunehmend in Widerspruch mit dem Urheberrecht gerät, ist aber der eigentliche Grund für ihr Erstarken. Die Piraten greifen den aus der Wissensproduktion erwachsenden Widerspruch auf, der durch die Begrenzung der produktiven Potentiale des Wissens besteht. Denn das spezielle Produkt Wissen schöpft seine Potentiale erst durch Vervielfältigung aus. Das Urheberrecht begrenzt aber seine Verbreitung. Das Privateigentum – einst Motor der ökonomischen Entwicklung – mutiert auf diese Weise zur Bremse derselben.

Und während Die Linke noch im klassischen Eigentumsbegriff John Lockes gefangen ist, sind die Piraten bereits einen Schritt weiter und – ohne es zu ahnen – nahe an Marx. In seiner Kritik des Gothaer Programms wandte er sich gegen die Vorstellung, nach der Gerechtigkeit hergestellt sei, wenn nur der Arbeiter den vollen Ertrag seiner Arbeit erhalten würde. Marx hielt der Sozialdemokratie des späten 19. Jahrhunderts vielmehr entgegen, dass gleiches Recht ungleich sei. Seine Vorstellung von Gerechtigkeit mündete daher in der bekannten Losung: „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen.“

Die Open-Source- und GPL-Bewegung oder offene Enzyklopädien lassen Marx' Kritik praktisch werden: Das Produkt der eigenen Arbeit wird nicht mehr als privates Eigentum verstanden. Im Gegenteil: Das Eigentumsrecht am Produkt wird so gestaltet, dass es kollektives Eigentum bleibt. JedeR arbeitet nach seinen Fähigkeiten, jedeR konsumiert nach seinen Bedürfnissen. Die Piratenpartei als Vertreterin dieses Milieus ist so etwas wie die Avantgarde dieser Bewegungen. Trotz eines Hangs zu neoliberaler Wirtschaftspolitik, Abgrenzungsproblemen nach rechts und gelebten Patriarchats könnte sie daher ein Zeichen aus der Zukunft sein: eine Kommunistische Partei neuen Typs.