sag mir, wie hältst du's mit...Deutschland

Personen aus Politik, Wissenschaft und Kultur antworten

Prof. Dr. Uta Ranke-Heinemann, Theologin und Pazifistin

Ich bin enttäuscht, dass nach zwei Weltkriegen der Krieg wieder ein Mittel der Politik geworden ist mit den gleichen schrecklichen Folgen wie immer. Die Kriegsbegeisterung von Herrn Peter Struck und Herrn Minister Franz Josef Jung widert mich an in ihrer ignoranten Einfältigkeit.

Front Deutscher Äpfel

Schnuckeliges Land, bombige Geschichte mit echten Weltsensationen, über die immer noch Filme gedreht werden, eben nicht so langweilig wie die Schweiz. Manierliche Klassenspaltung, nicht so larifari wie Dänemark, aber auch nicht so letal wie Haiti. Angenehm verkrustete politische Verhältnisse, man kann sich drauf verlassen, nach einem Urlaub alles wieder so vorzufinden. In der universalen Konkurrenz schön weit vorne, daher viele Freunde, kaum Feinde – und die paar sucht man sich selber aus und die wohnen alle weit genug weg. Außer vielleicht die holländische Nationalmannschaft. Wir sind echt froh, dass Weltgeist, Karma und Mama uns in diesen Club eingeschleust haben. Nicht auszudenken, man, wäre in ’ner Favela gelandet. Nur ein Ich in uns fällt manchmal in tiefe Traurigkeit, weil es der Menschheit immer noch nicht gelingt, ihren Planeten gemeinsam solidarisch zu bewohnen. Aber daran ist sie bestimmt wieder selber schuld.

Christin Löchner, BAK Shalom

Spätestens seit der Fußball-WM 2006 ist ein Betonen des positiven Verhältnisses zur Nation zur Normalitätseuphorie geworden. Auch in diesem Jahr lassen sich die beliebten Fähnchen wieder auf verschiedenen Feierlichkeiten umher wedeln. Aufgegriffen und widergespiegelt wird solch ein gesellschaftliches Identitätserlebnis auch im kulturellen Bereich, beispielsweise von Musiker_innen, die textlich propagieren, die Vergangenheit endlich hinter sich zu lassen und wieder mehr Stolz zu zeigen. Zusammenhalt in Zeiten der Krise statt weitreichende Kritik an der kapitalistischen Wirtschaftsordnung lautet hierbei die Devise, verpackt als Lösungsansatz. Doch eine Analyse und das letztendliche Hin zu solidarischen Lebensbedingungen kann es u.a. nur im kritischen Kontext mit der Historie geben – insbesondere mit der eigenen. Und so ist es nach wie vor unabdingbar, sich einem Trend entgegenzustellen, der einem im Grunde alten Nationalbewusstsein neuen Raum geben möchte.

Arnold Schölzel, Chefredakteur junge welt

Der Satz „Ich liebe Deutschland so, dass ich gern zwei davon habe“ trifft es – mit der Ergänzung: „Mindestens eines sollte sozialistisch sein.“ Die Welt und die Nachbarn, vor allem die Deutschen selbst leben damit besser. Territorial und sozial wurde Deutschland stets vom immer noch herumspukenden Adel (siehe Guttenbergs „Freiherr statt Sozialismus“) und vom Bürgertum gespalten. Die zogen und ziehen mit Restauration und Krieg gegen jede Revolution ins Feld. Verklebt wird die Spaltung auch 2009 mit nationaler Einheitssoße und reichlich Rassismus. Das Programm eines emanzipierten Deutschland steht in Aufklärung, Klassik und Marxismus. Deswegen soll es keiner kennen. In Deutschland ist Antikommunismus Staatsreligion.

Pink Rabbit, antinationaler Störenfried der NFJ Berlin

Dr. Faust antwortet ja auf Gretens Frage: „Will niemand sein Gefühl und seine Kirche rauben.“ Ich dagegen will genau das. Für mich ist Antinationalismus nicht das Salz, sondern die Möhre in der Suppe. Wer die nationalen Geister ruft, wird weder Rassismus noch Kapitalismus je wieder los. Während die einen dem „deutschen Arbeiter“ einen Standortvorteil verschaffen wollen und Hetzparolen gegen „Fremdarbeiter“ in Umlauf bringen, kommen andere bei hinreichender Aussicht aufs Mitregieren nicht mehr dran vorbei aus Staatsräson in Kategorien nationaler Konkurrenz zu denken und zu handeln. Ich bin da unversöhnlich. Marx‘ Losung: „Die Arbeiter haben kein Vaterland“ klingt zwar heute oft nur noch nach Wunschtraum. Trotzdem halte ich die Nation für keinen positiven Bezugspunkt emanzipatorischer Politik. Da oft gar nicht so offensichtlich ist, wo überall nationaler Kitt angerührt wird, zeige ich im „Gedenkjahr“ 2009 allen, die es wissen wollen, wo überall Nation „gemacht“ wird. Anschauen kann man sich das auf meinen Videoclips unter www.pink-rabbit.org.

Wolfgang Gehrcke, Bundestagsabgeordneter

Denk ich an Deutschland… Auf einem Berliner Markt preist ein türkischer Händler Pfifferlinge an: Sie sind aus Deutschland, nicht aus Polen! Wenigstens kommen sie nicht vom Hindukusch, wo unsere Freiheit liegt. Die hiesige herrschende Klasse hat seit Generationen alle Linken als „vaterlandslose Gesellen“ aus der Nation ausgegrenzt. Manche der Ausgegrenzten wollen selbst nicht mehr dazu gehören, andere verteidigen ihr Deutschland hier und anderswo. Die deutschen Pfifferlinge haben übrigens gut geschmeckt, trotz alledem.