mehr als ein honoratiorenklub?

Test the Left III: Lothar Bisky über die Europäische Linkspartei

prager frühling: Mit „It was just the beginning“ feierte die Europäische Linkspartei (EL) diesen Mai ihr fünfjähriges Bestehen. Das klingt nicht nur nach Aufbruch, sondern auch ein wenig nach Rechtfertigung. Wie erfolgreich waren die Bemühungen, aus der EL mehr als einen Honoratiorenklub zu machen?

Lothar Bisky: Die Gründung der EL war tatsächlich erst der Anfang: Inzwischen hat sie 19 Mitglieds- und 11 Beobachterparteien aus 20 Ländern. 2009 haben wir eine gemeinsame Wahlplattform für die Europawahlen verabschiedet und uns vielerorts gegenseitig im Wahlkampf unterstützt. Auch die Netzwerke der EL machen die Partei für die Mitglieder erfahrbar.

pf: Aktuelle Diskussionen der EL sind hierzulande selbst für europhile Linke nur bedingt wahrnehmbar. Welche Konsequenzen hat das Abschneiden linker Parteien bei den Europawahlen für die zukünftige Arbeit?

Bisky: Als EL müssen wir daran arbeiten, konkretere und verständlichere Vorschläge für ein anderes Europa zu machen. Unsere Kritik an der gegenwärtigen Politik in der Europäischen Union verpflichtet uns, auch zu sagen, wie wir es anders machen wollen. Zudem ist es wichtig, gesellschaftliche Unterstützung für unsere Ideen zu finden. Die Fraktion GUE/NGL im Europaparlament ist ein Raum für gemeinsame Arbeit an konkreten europäischen Gesetzen und Initiativen. Ich wünsche mir, dass solche Kooperation – bei gleichzeitigem Respekt vor unterschiedlichen Auffassungen in manchen Fragen – in Zukunft noch vielfältiger und intensiver wird.

pf: Während in der EP-Fraktion skandinavische Linke mit anderen Linken in einer Fraktion angehören, tun sie sich schwer damit, in die EL einzutreten. Warum eigentlich und was kann die EL tun, um die Skepsis der skandinavischen Linken abzubauen?

Bisky: Im Forum der Neuen Europäischen Linken (NELF) bestehen seit Langem Beziehungen zur nordischen Linken. Einige skandinavische Parteien haben Beobachterstatus bei der EL. Es gibt sicher unterschiedliche gesellschaftliche Traditionen und verschiedene Herangehensweisen an das Projekt Europa. Aber die intensive Zusammenarbeit in der GUE/NGL – immerhin seit 15 Jahren – ist Beleg dafür, dass bessere Europapolitik ein gemeinsames Anliegen von Linken in Nord, Süd, Ost und West ist. Ich bin optimistisch, dass wir die Gemeinsamkeiten weiterentwickeln werden.

pf: Kritikerinnen meinen, dass in der EL mehrere Parteien seien, die den zweifelhaften Charme des real existierenden Staatssozialismus ausstrahlen und der Dogmatikerfraktion zuzurechnen sind. Wie konsequent ist der Bruch der EL mit Stalinismus und dem Dogmatismus des real existiert habenden Staatssozialismus?

Bisky: Die Partei der Europäischen Linken hat in ihrem Programm und ihrem Statut unwiderruflich mit dem Stalinismus gebrochen. Das kann jeder nachlesen. Auch in den anderen Beschlüssen und Dokumenten wird keiner dogmatische Positionen finden. Das ginge in einer pluralen Partei auch gar nicht.

pf: Mit welchen Strategien versucht die Partei, individuelle Beteiligungsmöglichkeiten und die eigene Öffentlichkeitswirksamkeit nachhaltig zu stärken?

Bisky: Das wichtigste Instrument sind die Netzwerke. Die gemeinsame Arbeit etwa in ELFem, dem feministischen Netzwerk, macht die EL als eigene Organisation lebendig und erfahrbar. Sie leisten mittlerweile auch ihren Beitrag zur Politikentwicklung, wie etwa das GewerkschafterInnennetzwerk bei der Verständigung zu unserer europaweiten Mindestlohnforderung. Als weiteres Stichwort nenne ich die Sommeruniversität der EL.

pf: Welche sind nach Deiner Einschätzung die gesellschaftlichen Akteure, mit denen die EL ihre Forderungen in die Realität umsetzen möchte?

Bisky: Wir sehen uns in einer Reihe mit allen, die sich für Frieden, Gerechtigkeit und Demokratie in Europa und der Welt einsetzen. Dazu gehören die traditionellen Bewegungen der Werktätigen ebenso wie neue soziale, globalisierungskritische, ökologische und Frauenbewegung, aber auch alle, die im Moment nur besorgt sind über die Beschränkung der Freiheit im Namen der Sicherheit, sei es im Netz oder im realen Leben.

pf: Die Europäische Union als Chance, als Mittel zur Überwindung nationaler Egoismen im Kampf um Wohlstand und Sicherheit – das maßgebliche Motto der EL?

Bisky: Wir haben immer die Chancen der Europäischen Integration betont. Unsere Kritik gilt der neoliberalen Politik von Regierungen und Kommission.

pf: „It’s just the beginning“ – welcher entscheidende nächste Schritt der EL brennt Dir unter den Nägeln?

Bisky: Ich möchte, dass die EL sich von einer Partei der Parteien weiter entwickelt zu einer Partei, die als eigenständiger Akteur sichtbar und im Bewusstsein ihrer Mitglieder verankert ist. Über die Schritte dazu müssen wir uns verständigen und spätestens im nächsten Jahr zu Entscheidungen kommen.

Autoreninfo:

Lothar Bisky, Medienwissenschaftler, war langjähriger Vorsitzender der PDS. Er ist einer der Gründungsvorsitzenden der LINKEN und seit 2007 Vorsitzender der Partei der Europäischen Linken. Am 25. Juni 2009 wurde er zum Vorsitzenden der Konföderalen Fraktion der Vereinten Europäischen Linken/Nordisch Grünen Linken (GUE/NGL) im Europäischen Parlament gewählt.