familie = vater, mutter, kind

Homophobie im Alltag

Vered Berman

Am 5. August 2009 wollten wir – eine Gruppe von vier Frauen und vier Kindern im Berliner Volkspark Wilmersdorf Minigolf spielen. Das Wetter war schön, die Kinder gut drauf, alle haben sich auf den kleinen Ausflug gefreut. Am Minigolfplatz angekommen erklärte ich mich bereit, die Karten zu besorgen. Da auf der Preistafel groß für eine Familienkarte – 2 Erwachsene und 2 Kinder – geworben wurde, bat ich um zwei Familienkarten. Die Verkäuferin verweigerte mir jedoch die Karten. Schließlich handele es sich bei unserer Gruppe offensichtlich um keine Familie, da keine Männer dabei seien. Ich dachte, ich höre nicht richtig – in Berlin im Jahr 2009 sind Männer notwendig, um als Familie anerkannt zu werden? Empört habe ich genau dies nachgefragt. Die Verkäuferin, die offensichtlich unter den Eindruck stand, sie hätte das Recht meine Familie zu definieren, erklärte genervt, dass eine Familie aus Vater, Mutter und Kindern bestehen würde, wir könnten für ein Gruppenticket zahlen oder gehen. Vor Wut kochend haben wir den Platz verlassen. Die Kinder wissen ganz genau, dass sie zu einer Familie gehören, aber eine kleine Verkäuferin hat die Macht das Existenzrecht ihrer Familie in Frage zu stellen.

Ich komme nicht aus Berlin. In Jerusalem, wo ich herkomme, hätte ich mich nie getraut mit meiner Freundin Hand in Hand die Straße entlang zu gehen, schon gar nicht zu küssen. Da wird der Christopher Street Day (CSD), der seit sieben Jahren auch in Jerusalem gefeiert wird, regelmäßig angegriffen. Angriffe, die mit Beleidigungen anfangen, über Beschmeißen der DemonstrantInnen mit Müll, bis hin zu dem Vorfall im Juni 2005, bei dem ein Religiöser drei Demonstranten mit einen Messer angriff. Mit neunzehn in Berlin angekommen dachte ich, ich wohne in einem Paradies, als ich zwei Frauen in der U-Bahn knutschen gesehen habe. Wie frei muss man sein, um sich so was zu trauen! Keiner hat komisch geguckt, kein fieser Kommentar wurde rausgehauen. Aber eine Realität ohne tagtägliche homophobe Vorfälle ist auch in Berlin nicht in Sicht. In Berlin werden Schwulen und Lesben nicht selten angegriffen. In Marzahn wurden im November letzten Jahres zwei Lesben brutal überfallen. Und im Juni des gleichen Jahres wurden in Kreuzberg acht TeilnehmerInnen des Dragfestivals im SO36 zusammengeschlagen. Im Januar wurde ein junger schwuler Mann in Schöneberg angegriffen. Homophobe Angriffe scheinen im letzten Jahr eher zugenommen zu haben. Auch in Kiezen wie Kreuzberg und Schöneberg sind Schwulen und Lesben nicht vor Homophobie und homophoben Angriffen geschützt. Ladenbetreiber können ihre Position ausnutzen um zu diskriminieren – wie beispielsweise beim Minigolfplatz oder der Eisdiele am Nollendorfplatz, wo ein schwules Pärchen im April aufgefordert wurde, den Laden zu verlassen, nachdem sie sich geküsst haben.

In Berlin im Jahr 2009 ist es wohl manchmal noch so, dass Männer notwendig sind, um als Familie anerkannt zu werden. „Paar“ bedeutet Mann und Frau und „Familie“ Vater, Mutter, Kind. Wer das nicht bekämpft, wer nicht bei einen solchen Vorfall aufschreit, der akzeptiert es.

Autorin:

Vered Berman wurde in Jerusalem geboren und lebt seit 2003 in Berlin. Sie steht auf Minigolf und auf Frauen.