25.07.2010

Rotrotgrünes Geschwafel beenden!

Eine Veränderungslinke ist konkret.

Jörg Schindler

Andere Zeitungen orakeln schon länger drumherum, jetzt hat es auch die "Zeit" zum Thema gemacht: "Die junge Generation" von SPD, LINKE und Grünen bandele miteinander an: "Der Mix des Sommers[1]" heißt der Beitrag, und auch auf den "flotten Dreier" der aktuellen Ausgabe unseres Magazins wird als Beleg verwiesen. Doch mit der Realität haben diese Orakel nicht viel zu tun. Denn: 2013 wird es so kein rot-rot-grün geben.

Kreml-Astrologen auf der Suche

Die "Zeit" versucht sich hierbei in der bewährten Kreml-Astrologie-Methode: Irgendwer hat irgendwas mit anderen Worten als im Parteijargon gesagt, schon gilt er als "neue" oder "junge Generation", steht gegen die "Betonköpfe" der Parteiapparatschiks. Fertig ist die Story von Kabale und Liebe in der Linken.

Schwafelpapiere um den heißen Brei

Das ganze Zeitungsgeschreibsel um die rot-rot-grünen - ach nee: "R2G" heißt das ja jetzt, weiß die "Zeit" - Generationenverschwisterungen hat natürlich mit ernsthafter politischer Analyse nichts zu tun. Den Grund dafür liefert das Blatt gleich frei Haus mit, und man fragt sich, ob ihr nicht der Widerspruch direkt aufgefallen ist:
Denn diese "junge Generation" schwafelt. So schreibt die "Zeit" selbst über das Papier der Oslo-R2G-lerInnen:[2] "Dem ungeübten Auge bietet sich wenig Kantiges, Eckiges, was bei den jeweiligen Parteispitzen Anstoß erregen könnte; mehr so das Übliche".

Genau das ist das Problem: Einerseits ist klar, dass zwischen SPD, Grünen und Linken mehr klafft als ein großes Missverständnis. Die Differenzen sind klar und nicht klein: Hartz IV, Afghanistan, Europa, NATO, Rente. Andererseits ist klar, dass diese Punkte nicht über Sprachregelungen, Formelkompromisse und ähnliche verbale Nettigkeiten einzuebnen sind.

konkrete Reformen oder abstrakte Lyrik

Wer es doch tut, belügt mindestens sich selbst. Und tut auch "R2G" letztendlich keinen Gefallen. Sondern hier muss "Butter bei die Fische". Deshalb seien an alle, die ein rotrotgrünes 2013 gar nicht erwarten können, folgende Fragen zur Beantwortung gestellt:

  1. Auf welchen Betrag will "R2G" den HARTZ-IV-Regelsatz erhöhen? Oder ist das "Alimentierungsgesellschaft", die man nicht will?
  2. Soll das Ehegattensplittung endlich abgeschafft werden oder sind das die "Werte von Familie", die man "neu definieren" will?
  3. Wann kommt die rotrotgrüne Rente mit 62 für alle?
  4. Zieht "R2G" ab 2013 die deutschen Truppen aus dem Ausland ab oder nicht? Oder sind sie eher Teil der "Verantwortung für Fragen des Nord-Süd-Ausgleichs, der Rolle der Vereinten Nationen und des Völkerrechts"?


R2G-Regierungen kommen und gehen. Verwaltung bleibt.

Das ist der Unterschied zwischen der "Veränderungslinken" und der "Verwaltungslinken": Eine Linke kann und darf die Antworten auf diese Fragen nicht der Interpretation der jeweiligen Parteivorsitzenden, der öffentlichen Medienmeinung oder der Ministerialbürokratie überlassen. Ohne klare und konkrete mobilisierungsfähige Ansagen an diese Agenturen der politischen Beharrung verfahren sie mit R2G regelmäßig so: Regierungen kommen und gehen, Verwaltung und BILD bleibt. Wenn Ullrich Deppendorf am Wahlabend 2013 nicht den klaren Wählerauftrag der Linkenforderung konstatieren kann, bleibt sie "Verwaltungslinke", wird sie Teil des moderierenden Lagers (siehe dazu hier[3]).

Freundschaftsgeschwafel beenden, konkret werden.

Diese Fragen konkret - und nicht mit lyrischen Assoziationen zwischen Idealismus und Illusionen - zu beantworten, unterscheidet die "Veränderungslinke" also von der "Verwaltungslinken". Und deshalb sollte das rotrotgrüne papierne Freundschaftsgeschwafel dringend beendet werden.

Links:

  1. http://www.zeit.de/2010/29/Rot-Rot-Gruen
  2. http://www.stefan-liebich.de/article/1909.fuer-einen-idealismus-ohne-illusionen-das-leben-ist-bunter.html
  3. https://www.prager-fruehling-magazin.de/de/article/447.lagerkoller.html