24.09.2010

DIE WELT hält ihre LeserInnen für dumm.

Die große prager-frühling-Enthüllung

Jörg Schindler

Langsam mausern wir uns zu einem wichtigen Organ. Selbst die konservative Presse liest uns aufmerksam, wie wir der neuesten Ausgabe der WELT entnehmen können. Unter der Überschrift „Ypsilantis ‚Denkfabrik’ hängt am Tropf der Linken“[1], die investigativen Journalismus vermuten lässt, erkennt die Schreiberin messerscharf, dass unser Crossover-Ansatz ein anderer ist, als der kleiner Abgeordneten-Runden, die sich gerne auf ein Glas Kaffee-Eingewöhnungsgetränk treffen.

Nehmen wir diesen Artikel doch noch mal zum Anlass, den Unterschied zwischen dem Institut Solidarische Moderne[2] (ISM) und anderen bunten Treffen zu erläutern, weil es uns scheint, als hätte die Autorin, die Journalistin wir sie nicht nennen mögen, unseren Ansatz etwas durch den Kakao gezogen. Crossover, wie wir ihn verstehen, und wie er einen Beitrag zur Gewinnung einer postneolibalen solidarisch-modernen Politik und Kultur leisten kann, muss nicht nur VertreterInnen verschiedener Parteien involvieren – er muss vor allem eine Brücke zwischen Politik, Wissenschaft und Kultur schlagen. Es ist ein gänzlich anderer, langfristiger Prozess, die verschiedenen Perspektiven der verschiedenen politischen Lager und RepräsentantInnen der Milieus, Schichten und Klassen, die sie vertreten einerseits – und zwischen den unterschiedlichen Fragestellungen und Ausdrucksweisen der Bereiche Politik, Kultur, Wissenschaft und Zivilgesellschaft andererseits, zu einem neuen solidarisch-modernen Gesellschaftsbild zu verbinden und dabei einen Charme zu entwickeln, der dieses zur gesellschaftlichen Hegemonie werden lässt. Da geht es nicht um technokratisches Abstecken möglicher Kompromisslinien zwischen VertreterInnen verschiedener Parteien. Es geht um die Entwicklung und Durchsetzung eines solidarisch-modernen Politikwechsel. Das gefällt der konservativen Presse selbstverständlich nicht. Aber das ist – Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut – auch ihr gutes Recht.

Zurück zum Artikel in der WELT und unserer reißerischen Überschrift: 1.000 Euro spendete der Verein der Bundestagsfraktion der LINKEN für die am heutigen Wochenende stattfindende Summer Factory des ISM, weiß das Blatt zu berichten. Ganz davon abgesehen, dass auch noch die Grüne Delegation im Europäischen Parlament, der AStA der Uni Frankfurt/Main und Abgeordnete der SPD diesen Kongress mit mehr als 300 Teilnehmern unterstützten, muss doch gefragt werden, was für eine Vorstellung von den Kosten einer solchen Veranstaltung die Autorin und die Redaktion der WELT haben, wenn sie einen Artikel passieren lassen, in dem bei einer 1.000-Euro-Spende davon gesprochen wird, dass das „Ypsilanti-Institut“ von der LINKEN gekauft wäre. Für so dumm hält noch nicht einmal die BILD, dass große Schwesterplatt, ihre LeserInnen. Dass die WELT diesen Unsinn verbreitet, lässt sich daher auch nur psychologisch erklären: Es passt einfach nicht das konservativ-neolibarale Weltbild, dass es Menschen gibt, die standhaft bleiben – die sich nicht kaufen lassen – die weder im Auftrag der Atomwirtschaft die Energiewende verraten noch im Auftrag eines Verlages zur Schmierenjournalistin werden.

Links:

  1. http://www.welt.de/politik/deutschland/article9830333/Ypsilantis-Denkfabrik-haengt-am-Tropf-der-Linken.html
  2. http://www.solidarische-moderne.de/