27.09.2010

19 Euro Unvernunft

Der Trick mit dem Existenzminimum

Jörg Schindler

Man habe jetzt spitz gerechnet und sei auf genau 346 Euro als monatliches Existenzminimum gekommen, verlautet aus der Bundesregierung. Ja, natürlich habe man nunmehr allerdings die 19 Euro, die in der alten Berechnung für Tabak und Alkohol enthalten waren, herausgenommen. Denn der Konsum derartiger Dinge gehöre nicht zum Existenzminimum.

Wieso eigentlich nicht?

Was sich zunächst plausibel anhört, ist ein übler Trick. Das Existenzminimum ist nämlich keine rein mathematische, sondern eine Größe, die politisch und kulturell geprägt ist. Selbstverständlich wäre es billiger, alle Hartz-IV-EmpfängerInnen direkt nach Somalia zu fliegen und dann deren dortigen Lebensstandard zu überweisen. Selbstverständlich wäre es günstiger, alle Hartz-IV-EmpfängerInnen zur Nutzung eines Sammeltarifs für Strom und Handy sowie zum Einkauf in besondere Supermärkte mit Sonderkonditionen, ausgehandelt durch den Staat, zu verpflichten. Man könnte auch prüfen, ob nicht der letzte Einkauf von Elfriede Hartz bei Edeka vielleicht bei ALDI um 2 Euro günstiger gewesen wäre. Immerhin gabs da ja letztens das Sonderangebot.... Oder Lebensmittelgutscheine ausstellen.

eine Extra-Portion Unvernunft

In dieser Logik bewegt sich die Herausrechnung von Alkohol und Tabak. Ja, natürlich benötigt niemand Alkohol und Tabak zum Leben. Aber wir alle benötigen einen Anteil Unvernunft im Leben - sozio-kulturell und finanziell: Ob Oettinger, Marlboro, eine Tom-Waits-CD, die überteuerte Marken-Klamotte oder 5 Euro für 20 Minuten Assi-Toaster um die Ecke. Es ist notwendiger Teil von ca. 5 Minuten Extra-Freude täglich im Leben. Deshalb gehören 19 Euro Schnaps und Qualm dazu, zu einem menschenwürdigen Leben.

Das, besonders eine Extra-Freude, ist aber alles nicht notwendig, findet schwarz-gelb - jedenfalls nicht für die Hartzis. Es wäre jetzt an ihnen, dafür zu sorgen, dass schwarz-gelb auch bald die Freude vergeht.