Zwischen Open Access und GPL

Beispiele des Überschießenden in der Wissensproduktion

Open Access und Wikipedia

*Pascal, Digital Native

Die Wissenschaft soll den Menschen nützen — doch der Zugang zu Fachpublikationen ist meist teuer und aufwendig. Dagegen stellt sich die „Open Access“- Bewegung, welche den freien Online- Zugang zu jenen Publikationen schaffen will. Zur Zeit nehmen nicht nur viele Wissenschaftler/-innen an der Bewegung teil, auch 10-15 Prozent der Periodika arbeiten nach diesem Konzept. Ähnlich motiviert ist Wikipedia, die freie Enzyklopädie und Webseite für das Lesen, Organisieren und gemeinsame Verfassen von Enzyklopädie-Artikeln. Dort arbeiten Nutzer/-innen mit unterschiedlichen Spezialisierungen und Sichtweisen in einem kontinuierlichen Prozess gemeinsam an den Artikeln. Diese stehen unter freien Lizenzen, ähnlich zu freier Software. Der Erfolg spricht für das Konzept. Dieses demokratisch organisierte Hobby-Projekt ist die größte Enzyklopädie, eine der beliebtesten Webseiten und bedroht sogar die kommerzielle Konkurrenz. Microsoft musste seine Enzyklopädie „Encarta“ schon aufgeben.

Open Source

*Andrea Knaut, Informatikerin

Software kann in zahlreichen Abstufungen frei sein. Die Open Source Initiative (OSI) zählt derzeit auf ihrer Webseite 66 von ihr anerkannte Lizenzen, darunter berühmte wie die General Public License (GPL). Sie alle sollen sicherstellen, die Funktionalität eines Computerprogramms in Form des Quellcodes menschenlesbar zu halten. Keine dieser Lizenzen untersagt das kommerzielle Nutzen der Software. Und nur wenige, die GPL etwa, schließen aus, dass nicht in einer neuen Version der Software der Zwang zum offenen Quellcode wieder zurückgenommen wird. Die pragmatische Basis „Freier Software“ ist im Sinne aufklärungsgeprägter Wissenschaft: Der freie Zugang zum Funktionsrezept einer Software ermöglicht Kritik. Verbesserungen unterliegen dann dem Finde-die-Lücke-Spieltrieb der sehr heterogenen Open-Source-Community. Unternehmen wie Apple oder Microsoft wissen das und veröffentlichen Teile ihrer Quelltexte. Open Source ist in gewissem Sinne eine kapitalistische Erfolgsgeschichte der Do-it-yourself-Idee. Es gilt das Sesamstraßenprinzip: „Wer nicht fragt, bleibt dumm.“ Das kann durchaus Machtteilhabe und Verschiebungen in den Formen gesellschaftlichen Haushaltens mit sich bringen. Doch merke: Sich die Fähigkeit anzueignen, Programmiersprachen zu benutzen, kostet Arbeitszeit. Wer was erfunden und wer zuerst welchen Namen wofür vergeben hat, ist da kaum egal. Anerkennung, Lohn will mensch dafür — in welcher Form auch immer.

Neokolonialismus

*Pia Eberhardt, Politikwissenschaftlerin

Die Wirtschaftsgeschichte hat gezeigt, dass die Entwicklung von Konzernen wie Philips oder Unilever ebenso wie die der heutigen Industrieländer nur möglich war, weil sie Technologien und Produktionsprozesse nachahmen konnten, die anderswo entwickelt worden waren. Umgekehrt gilt: Monopolrechte, die diese Nachahmung behindern, graben Industrialisierungsprozessen das Wasser ab. Kein Wunder, dass sich der globale Süden einst heftig gegen das TRIPS-Abkommen der Welthandelsorganisation (WTO) gewehrt hat. Das Abkommen setzt globale Mindeststandards für den Schutz geistiger Eigentumsrechte. Als Folge haben Länder wie Indien erstmals Patente auf Medikamente und Saatgut eingeführt — zu Lasten von Ernährungssicherheit und Gesundheitsversorgung. Aber der Phalanx von transnationalem Kapital und Industrieländern reicht das nicht. In internationalen Foren, die weit weniger politisiert sind als die WTO, verfolgt sie derzeit eine krasse WTO-plus- Agenda: in der Weltzollorganisation z.B. in bilateralen Freihandelsverhandlungen oder im Rahmen von ACTA (Anti-Counterfeiting Trade Agreement), ausgehandelt von einem Dutzend hauptsächlich reicher Industrieländer. Hier drängt der Norden auf längere Laufzeiten für Patente, verschärfte Grenzkontrollen und weitreichende Programme zur Bekämpfung der „Piraterie“. Zumindest ACTA haben Länder wie China und Indien jüngst heftig als entwicklungsfeindlich kritisiert. Gleichzeitig schlagen sich ihre großen Industrieverbände zunehmend auf die Seite des transnationalen TRIPS-plus-Lagers. Auf internationaler Ebene ist von Wissenskommunismus daher leider noch wenig zu sehen.