09.11.2010

Digitale Skelette oder lebendige Diskussion

Redaktion

Im aktuellen Schwerpunktheft[1] des prager frühling war sie bereits Thema — liquid democracy, der Versuch mit moderner Kommunikations- und Vernetzungstechnik, politische Partizipation zu verwirklichen. Seit dem Wochenende ist nun die Website der LINKEN zur „elektronischen Programmdebatte“[2] online. Alle Personen, die sich an der Programmdebatte der LINKEN beteiligen wollen, können sich nun einloggen: Lesen kann jede und jeder, schreiben und abstimmen nur Mitglieder der Partei.

Ob dies wirklich der große Aufbruch ins digitale Zeitalter und die Realisierung einer offenen Diskussion ist, muss abgewartet werden. Hoffnungsvoll stimmt jedenfalls, dass während des Programmkonvents im First Life[3] in Hannover einige für die LINKE bisher ungewohnte Töne zu hören waren.

Eigentlich war die Veranstaltung wenig zeitgemäß angelegt. Lange programmatische Reden von Parteigrößen[4] und –größten; Aufrufe zu Einheit und Geschlossenheit. Also Dinge, die nicht den Eindruck erweckten, dass man noch kontrovers über den Programmentwurf diskutieren wollte. In den Arbeitsgruppen, ging es dann allerdings dann trotzdem hoch her. Und selbst in der ein oder anderen Grundsatzrede konnte man Überraschendes hören. Damit ist nicht Klaus Ernsts Versprecher, der abweichend vom Skript[5] statt von einem „sozialen, demokratischen Wandel“, von einem „sozialdemokratischen Wandel“[6] für den DIE LINKE Motor sein müsse, sprach. (Minute 1:14) Vielmehr überraschte Lothar Bisky mit einer Thematisierung des verkürzten Arbeitsbegriffs[7] im bisherigen Entwurf. Er betonte außerdem, dass sich der Schweiß gelohnt habe, den man in der Diskussion auf die Entwicklung eines Arbeitsbegriffs investiert hätte, der auch die Reproduktion umfasst. (siehe dazu auch die Artikel von Caren Lay[8] und Cornelia Möhring[9] im letzten Heft.) Ein bisschen Schweiß muss offenbar dabei sein, wenn es um Arbeit geht. Aber inhaltlich stellt diese Bemerkung einen großen Schritt nach vorn da.

Darüber hinaus bewies Bisky, dass Medienkompetenz keine Frage des Lebensalters ist. Er sprach sich deutlich für Open Access und Open Data in der Grundlagenforschung aus und thematisierte gleichzeitig die Kehrseiten Zweiklasseninternet, Netzsperren und Datenschutz.

Ob sich diese neue Offenheit für Aspekte elektronischen Lebens auch zu neuen Formen der Politik führen, wird sich zeigen. Denn die Erfahrung, dass auch die liquid democracy bestimmte Herrschaftsmomente nicht aufhebt, hat in unserem letzten Heft auch schon die Piratin Leena Simon preisgegeben. Bisher sind erst 14 Änderungsvorschläge auf der Liquid-Democracy-Plattform online. Einige muten eher skurril an. Von inhaltlichen Diskussion ist bisher nicht viel zu merken.

Lothar Bisky sprach zwar vom Skelett „digitaler Systeme“ auf dem politische Kommunikation und Auseinandersetzungen stattfinde. Man kann nur hoffen, dass die Elektronische Programmdebatte nicht als Datenzombie endet.

Links:

  1. https://www.prager-fruehling-magazin.de/de/topic/42.oktober_2010.html
  2. http://die-linke.de/programm/elektronische_programmdebatte/
  3. http://www.support-real-life.de/2007/02/07/get-a-first-life/
  4. http://die-linke.de/programm/programmkonvent/
  5. http://die-linke.de/programm/programmkonvent/reden/rede_klaus_ernst/
  6. http://www.youtube.com/watch?v=pv3XmLuKbbk
  7. http://die-linke.de/programm/programmkonvent/reden/das_gute_leben_gehoert_in_unsere_programmtische_debatte/
  8. https://www.prager-fruehling-magazin.de/de/article/586.gender-blindness.html
  9. https://www.prager-fruehling-magazin.de/de/article/585.mission-patriarchatsueberwindung.html