10.11.2010

„Kann die urbane Multitude streiken? Und wenn ja, wie?“

Rezension: Christoph Twickel: Gentrifidingsbums oder das Recht auf Stadt; Edition Nautilus, Hamburg 2010, 127 Seiten, 9,90 EUR

Bernd Hüttner

Prozesse von Gentrifizierung, also der Aufwertung und Umstrukturierung bestimmter Stadtquartiere sind in der alternativen und radikalen Linken in den letzten Jahren zum Thema geworden. Ein wichtiger Impulsgeber dafür war die Bewegung „Recht auf Stadt“ in Hamburg oder das Manifest „Not in our name, Marke Hamburg!“. Twickel hat nun einen launigen, eher kurzen Essay vorgelegt, der den geografischen Schwerpunkt „Hamburg“ hat. Er beschreibt den Umbau der Städte, die Verdrängung von MieterInnen und veränderte Strategien der Stadt- und Raumentwicklung und der lokalen Wirtschaftspolitik. Die wachsende, kreative Stadt bringt immense soziale Spaltungen und einen wachsenden Niedriglohnsektor mit sich, ebenso räumliche Segregation. Hier kommen nun politisch alternativ und kulturell Aktive ins Spiel. Sie bekommen leer stehende Gebäude zur Zwischennutzung, können so – selbstverständlich befristet - Immobilien für ihre Zwecke erhalten, die für sie auf dem normalen Markt nicht erreichbar wären. Sie werten damit diese Gebäude und Stadtteile kulturell auf, machen sie interessant. Sie organisieren ein tendenziell subkulturelles Programm, produzieren ein „positives“ Image und füllen damit den Krater, den der Rückzug des Wohlfahrtsstaates hinterlassen hat, teilweise wieder auf. Später fällt dann ein Teil dieser Szene dieser - von ihm selbst mitproduzierten - Aufwertung und Verdrängung zum Opfer, etwa wenn die Mieten steigen, weil kapitalkräftigere InteressentInnen in die Quartiere drängen. Damit im Zusammenhang, und Twickel wirft dieses Problem auf, steht die Frage: Wie kann man dagegen vorgehen? Wie kämpft man gegen etwas, was man selbst produziert? Die disparaten Milieus, die unter dem unscharfen Label „kulturelle Linke“ gefasst werden können, stellen sich diese Frage sehr wohl: So resultierte die Besetzung des bekannten Gängeviertels, die Twickel auch nacherzählt, genau der Absicht, sich dieser neoliberalen Indienstnahme dissidenter Praktiken zu entziehen. Ziel müsse es allerdings sein, so Twickel, den Finanz- und Immobilienmärkten die Macht über die Stadtentwicklung zu bestreiten.

Die Antwort auf die Frage: „Kann die urbane Multitude streiken? Und wenn ja, wie?“ bleibt Twickel schuldig. Sie kann wohl nur in zukünftigen Versuchen von Besetzungen und anderen sozialen Kämpfen gefunden werden.

Zum Weiterlesen:

http://www.rechtaufstadt.net[1]
http://www.buback.de/nion[2]


Links:

  1. http://www.rechtaufstadt.net/
  2. http://www.buback.de/nion/