13.01.2011

Chaos-Tage bei der LINKEN

Ein Analyseversuch

Kolja Möller

Glaubt man den Medien, geht es bei der LINKEN aktuell rund. Kein Tag ohne neue Meldung zu Kommunismus, zum angeblichen Führungsstreit und Fragilität der Partei. Die gute Nachricht ist: Die Linke ist eine postideologische Sammlungsbewegung für soziale Gerechtigkeit, die sich in einzelnen Grundfragen der Tagespolitik einig ist. Schon allein deshalb, weil die Berufspolitiker_innen wiedergewählt werden wollen, wird sich die Partei nicht zerlegen, sondern in jeden einzelnen Wahlkampf geschlossen und mit realpolitischen Forderungen ziehen. Zur Not wird der Streit halt übertüncht oder zurückgestellt, so wie in anderen Parteien eben auch. Leute, wie die Fundis bei den GRÜNEN, die Ebermanns oder Ditfurths, die im Zweifel auch ihren Job an den Nagel hängen, gibt es bei den Linken nicht. Die schlechte Nachricht ist: Durch die Vermischung von tagespolitischer Intervention und einer Programmdebatte zum Sozialismus des 21.Jahrhunderts entsteht tatsächlich ein Chaos, bei dem nicht absehbar ist, wie ein Ausweg aussehen könnte.

1. Die aktuelle Unübersichtlichkeit haben die Vorderen der Linkspartei selbst heraufbeschworen. Stets wurde die Programmdebatte eben nicht als Austragung von inneren Konflikten und einem Suchprozess nach einem sozialistischen Projekt beschrieben, sondern immer schwerpunktmäßig als tagespolitische Intervention bei dem die Einigkeit über grundsätzliche Forderungen im Mittelpunkt stehen sollte. Dieses Stichwort haben die Medien dankbar aufgegriffen: Jeder Programmkonflikt erscheint jetzt als Kritik der Führung Lötzsch/Ernst. Das Problem ist zumindest teilweise hausgemacht: Durch die Koppelung von Tagespolitik und Programmdebatte und dadurch, dass sich die beiden Vorsitzenden so eng mit dem Programmentwurf liiert haben, statt sich als Moderatoren eines Diskussionsprozesses zu positionieren. Eigentlich kann man sich jetzt jede inhaltliche Programmkritik sparen. Die Linksparteiführung muss beantworten, wie sie das Knäuel wieder entwirren will, so dass eine inhaltliche Diskussion um das Programm überhaupt wieder möglich wird.

2. Grundsätzlich wird auch in der aktuellen Lage deutlich, dass es die LINKE bisher nicht vermocht hat, ihre inneren Konflikte anzuerkennen und auf Dauer zu institutionalisieren. Seit 2005 hielt das Charisma des Führungspersonals und die 5% Prozent Hürde das Parteiprojekt zusammen. Dieser Kitt ist auf Dauer zu dünn. Und er kann eben nicht beliebig erneuert werden. Wie der Kitt dicker werden kann, ist eine offene Frage. Schon letztes Jahr haben wir hier in diesem Blog dafür plädiert, dass nicht Konfliktverhinderung, sondern Konfliktmanagement ein Ansatzpunkt sein könnte. Doch dafür bräuchte es eben auch konkrete Vorschläge, institutionelle Phantasie und das Eingeständnis, das die eigene Position eben auch nur eine unter vielen innerhalb der neuen Linkspartei ist.

3. Inhaltlich ist die Linke auf Geisterfahrt: Tagespolitisch erneuert sie regelmäßig einen linkssozialdemokratischen Forderungskatalog, im Programm definiert sie sich als eine Partei des demokratischen Sozialismus, um dann aber wieder konkret beim Linkssozialdemokratismus zu landen. Nachdem die einzigen inhaltlichen Statements der Parteivorsitzenden meist darauf zielten, dass die Programmdebatte „nah bei den Menschen“ stattzufinden habe (was eigentlich die Absage an jede Programmdebatte ist, sondern rhetorisches Wahlkampfgeplänkel), hat die Parteivorsitzende nun aus Versehen – so scheint es – einen Beitrag zum Kommunismus geschrieben. Anknüpfungspunkt ist hier nicht die durchaus spannende Diskussion um eine Wiederbelebung eines libertär gewendeten Kommunismusbegriffs, wie sie gegenwärtig in der Kunst oder in der politischen Philosophie geführt werden (siehe zum Beispiel unser Interview mit Michael Hardt „Kommunismus neu denken“[1]), sondern eigentlich das, was im Programm steht: Wir sind für soziale Gerechtigkeit, Regierung, Opposition – wir arbeiten überall und lassen uns vom demokratischen Sozialismus als Wertesystem und Rosa Luxemburg dabei leiten. Das wird – weil es zur Podiumsdiskussion der Rosa-Luxemburg-Konferenz passt – „Wege zum Kommunismus“ genannt und von der Jungen Welt begeistert in die Überschrift geholt. Und jetzt gilt in einer leichten Variation des Bob Dylan Klassikers: „Stuck inside the mobile with the real existing socialist blues again!“ Es wird nicht über Systemalternativen, sondern über Vergangenheitsbewältigung diskutiert.

Keine leichte Aufgabe, das zu entwirren.

Links:

  1. https://www.prager-fruehling-magazin.de/de/article/609.kommunismus-neu-denken.html