einigkeit und recht und sülze

Schaarschmidts Glosse

Uwe Schaarschmidt

Dem fehlenden Toilettenpapier auf einem Kneipenklosett sein Unterhemd geopfert zu haben, hält man nur so lange für eine pfiffige Idee, bis einem aufgeht, dass es die Socken auch getan hätten. Ähnlich müssen sich die Granden von SPD und Grünen gefühlt haben, als ihnen klar wurde, dass die Persönlichkeit des Kannibalen von Rothenburg hinreichend respektabel gewesen wäre, um in der Bundesversammlung keine Mehrheit zu bekommen. Und heute? Gauck? Seit jener so denkwürdigen wie schmierigen Digital-Posse versuchen sich die altvorderen Grünen und Sozialdemokraten in fortgesetzter Schelte der LINKEN, welche in der Bundesversammlung bewiesen hätte, dass man mit DENEN nicht koalieren könne.

Es ist verblüffend: Mit den 26 Buchstaben des Alphabets kann man – fleißiges Kombinieren vorausgesetzt – im Prinzip das gesamte, auf der Welt vorhandene Wissen beschreiben. Was aber tun diese Menschen im Vollbesitz jenes artikulativ-phonetischen Schatzkästchens? Sie hauchen das gleiche Miasma aus ihren vom Soor des kalten Krieges belegten Schlündern. Und da glaubt man dann, irgendetwas verpasst zu haben. Wer, bitteschön, hat DIE eigentlich darum gebeten, mit der LINKEN zu koalieren? Das Ganze muss ein Missverständnis sein! Selbstverständlich käme kein vernünftiger Mensch auf die Idee, dass das heutige Spitzenpersonal von SPD und Grünen als Partner der LINKEN die Zukunft Deutschlands sein könnte. Was soll das Volk auch mit den physiognomisch wie intellektuell verwitterten Architekten von Hartz IV, der Deregulierung der Finanzmärkte und der Kriegstreiberei anfangen? Jetzt, da es ins zweite Jahrzehnt des dritten Jahrtausends geht?

Man könnte dann auch zum Mediamarkt laufen, um nach Fernsehgeräten mit Bildröhre oder einem Videorecorder mit gutem Standbild zu fragen. Vielleicht sollte es Tafeln geben, ähnlich jener, von denen sich die Opfer der Genannten die Nahrung klauben müssen. Politiker-Tafeln, an denen sich Bürgermeister/innen und Kreisräte aus der ostdeutschen Provinz gütlich tun dürfen, wenn sie für ihre Dorfsowjets keine Kandidat/innen finden. Dort, in den Niederungen der Lausitz oder auf den Höhen des Erzgebirges, wo es kaum noch junge Frauen gibt, dafür aber Nazis im besten Alter, welche die Reihenfolge bei der Besamung des weiblichen Restbestandes mit der Axt klären, könnte die Partyware von Schröders Reste-Rampe noch einmal ganz von vorn beginnen. Sie könnten die Nachmittage an den Landschulen beleben, Kurse anbieten: „Claudias kleine Zeichensetzerei“ etwa, oder „Faschisten wegschmunzeln mit Jürgen“. Für Kurt fällt mir nichts ein – außer jener Japaner, der sich, um das Schulgeld für seinen Sohn zahlen zu können, gegen Bares Fausthiebe auf die Kauleisten geben ließ. Vielleicht kommt auch Gauck mit, um verprügelte Asylbewerber/innen in Opferberatungsstellen darüber zu belehren, dass die Gewalt, die sie empfangen haben, zwar sicher unangenehm, aber auch ein Ausdruck von Freiheit und Eigeninitiative gewisser junger Schlawiner sei, die man nicht aufgeben dürfe.

Eigeninitiative in Sachen Tafel ergriff jedenfalls Christian Wulff, letztes von Angela Merkel entsorgtes Mitglied des „Andenpaktes“ und seit neulich Bundespräsident. Er lud 1.500 Menschen ans Brandenburger Tor, in den Schatten der längst vergangenen deutschen Teilung, an eine „Tafel der Demokratie“ zu Schmaus und Plauderei. Es gab Sülze. Politik für die Zukunft müssen andere machen.

Autor:

Uwe Schaarschmidt schreibt satirische Texte, u.a. für prager frühling. Bisher hat er sich nicht getraut im Elektronikfachhandel nach einem Röhrenbildschirm zu fragen. Umso bedenklicher findet er es, dass die politische Klasse der Republik damit offensichtlich kein Problem hat.