die piraten

Netzpolitik als Partei?

Alexander Hensel

Im medialen Diskurs gilt die Piratenpartei aufgrund ihrer mageren Wahlergebnisse oftmals als gescheitert. Diese Einschätzung setzt jedoch die Logik etablierter Parteien voraus. Die besonderen Aufgaben von Kleinparteien wie den Piraten werden dabei ignoriert. Kleinparteien beleben die Konkurrenz im Parteiensystem und zwingen ihre etablierten Gegenspieler, auf neue oder vernachlässigte politische Fragen zu reagieren. Sicher war für die Etablierung des neuen Politikfeldes Netzpolitik ab dem Frühjahr 2009 die deutsche Netzbewegung insgesamt verantwortlich. Besonders aber die Piraten übersetzten den Protest in effektiven parteipolitischen Druck. Durch ihre Existenz als fachkompetente Wahlalternative zwangen sie die etablierten Parteien zur Reaktion.

Zudem können Kleinparteien nicht nur die Agenda, sondern auch interne Machtstrukturen der etablierten Parteien beeinflussen, indem sie dort die Stellung von Außenseitern mit ähnlichen Positionen stärken. So hat der von den Piraten ausgehende Druck beispielsweise die internen Konflikte um die Netzpolitik von SPD und Grünen eskalieren lassen und damit diejenigen Politiker gestärkt, deren progressive netzpolitische Positionen zuvor ignoriert wurden. Auch sorgen die Piraten für die Reintegration einer nicht unerheblichen Zahl von Bürger/innen in das Parteiensystem. Wer die Crewtreffen der Piraten besucht oder an ihren Diskussionen im Netz teilnimmt, stößt vor allem auf Menschen, die von den etablierten Parteien aufgrund ihrer Strukturen frustriert sind. Im Rahmen der Piratenpartei sind sie jedoch bereit, wieder oder erstmals parteipolitisch aktiv zu werden.

So sei vor allem auf die organisatorischen Innovationen verwiesen, die die Piraten in das Parteiensystem einspeisen. Ihre Versuche, Basisdemokratie und digitale Kommunikation effektiv zu verbinden, machen die Piraten zu einem Experimentierlabor für die Entwicklung alternativer Parteistrukturen. Ihre flachen Hierarchien und überdurchschnittliche technische Fachkompetenz prädestinieren sie im Gegensatz zu den anderen Parteien hierzu. Die anstehende Einführung der Software „Liquid Feedback“ beispielsweise ist ein interessanter Versuch zur Optimierung digitaler Parteikommunikation.

Insoweit kann die Einschätzung des generellen Misserfolgs der Piraten zurückgewiesen werden. Eine völlig andere Frage ist, ob die Piraten in der Lage sind, sich zu einer etablierten Partei zu entwickeln. Ausgehend von der politischen Umwelt kann dies derzeit bezweifelt werden. Die Regierung hat durch eine liberal inszenierte Innenpolitik, einen bemühten Dialog mit der Netzgemeinde und die Einrichtung der Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft“ den Piraten inhaltlich und strategisch den Wind aus den Segeln genommen.

Auch die innerparteilichen Konflikte um die Ausweitung des Grundsatzprogramms könnten die weitere Entwicklung der Piraten erschweren. Ob die Programmdebatte letztlich positiv für die Piraten verläuft, wird sich auf ihrem nächsten Bundesparteitag im November 2010 zeigen. Viele Piraten konzentrieren sich indessen auf die anstehenden Landtagswahlen. Ein Wahlerfolg beispielsweise in der Piratenhochburg Berlin könnte den Beginn einer langsamen Etablierung und Konsolidierung der Partei markieren. Bis dahin scheint es berechtigt, die Piraten aufgrund ihrer positiven Funktionen und progressiven Impulse nicht vorschnell abzuschreiben, vor allem aber ihre inhaltliche Entwicklung kritisch zu begleiten.

Autoreninfo

Alexander Hensel ist studentische Hilfskraft am Göttinger Institut für Demokratieforschung. Er untersucht in seiner Magisterarbeit die Entwicklungsgeschichte der Piratenpartei, ist jedoch kein Mitglied dieser Partei.