Gretchenfrage

Wie hältst Du’s mit „Raubkopien“?

Einer der Kerngedanken des Internets ist es, Wissen frei zu tauschen. Heute können wir durch die technische Entwicklung auch Videos, Bilder und Musik für jedeN frei zugänglich machen. Das wird – ganz im Sinne der Entstehungsidee des Internets – immer häufiger genutzt. Von Hobby-KünstlerInnen genauso wie von Menschen, deren Kunst ihren Lebensunterhalt stellt. Auch Computerprogramme für fast jede Aufgabe sind heute kostenlos zu haben. Viele sind Open Source, so dass jedeR einen Teil zu dem Programm beitragen kann. Das ist gut für die Gesellschaft, denn mehr Menschen haben so die Möglichkeit, am digitalen Leben teilzunehmen. Der Gedanke, digitale Werke von der Gesellschaft abzuschotten und nur Wenigen zur Verfügung zu stellen, ist also schon längst überholt: Wir sind auf einem guten Weg in den Wissenskommunismus!

Herbert Behrens, Bundestagsabgeordneter der LINKEN

Als Studentin habe ich auch „Raubdrucke” gekauft. Heute lasse ich die Finger von Raubkopien. Das hat mittlerweile ganz andere Dimensionen angenommen. Meine Kolleginnen und Kollegen leben als Urheber/-innen von ihren Urheberrechten. Werden ihre Werke nicht mehr gekauft, sondern raubkopiert, können sie als Autorinnen oder Künstler wirtschaftlich nicht mehr (über-)leben. Kreativität ist was wert – auch finanziell. Im Übrigen ist Raubkopieren strafbar. Massenabmahnungen gegen unbedarfte Nutzer/-innen sogenannter Tauschbörsen sind aber sicherlich kein geeigneter Weg, um im Internet ein Bewusstsein für die Anerkennung des Urheberrechts zu schaffen. Wer hingegen geschützte Werke im Internet illegal zum Download anbietet, soll auch bestraft werden.

Ulrike Maercks-Franzen, Bundesgeschäftsführerin der dju in ver.di

Sammeln von digitaler Musik* und der kombiniertesten CD**! Eine Bestimmung der beiden ist gemein. Das Aneignen fremder Musik.* Also ist beides Diebstahl. Darauf resümiert sich die übersichtige Logik, die soeben Gesetze gab. (...)Sammeln von digitaler Musik* und von Musik-CDs** sind wesentlich verschiedene Sachen. Der Gegenstand ist verschieden, die Handlung in Bezug auf den Gegenstand ist nicht minder verschieden. (...) Und diesen wesentlichen Unterschiede zum Trotz nennt ihr beides Diebstahl und betraft es schon, indem ihr es für einen Diebstahl erklärt, eine Strafe, die ihr offenbar über den Musik-CD-Diebstahl** selbst nicht verhängt. (...) Wenn das Gesetz aber eine Handlung, die kaum ein Musikfrevel* ist, einen Musikdiebstahl** nennt, so lügt das Gesetz, und der Arme wird einer gesetzlichen Lüge geopfert.

Karl Marx, Ökonom und Philosoph, der sich intensiv mit Raffholz* und Holzdiebstahl** beschäftigte.

„Raubkopie“ klingt martialisch. Nach Gewalt und entreißen. Tatsächlich ist damit die urheberrechtswidrige Verwendung einer (meist digitalen) Kopie gemeint. In Deutschland ist die Privatkopie –zum Glück – erlaubt. Verwerter/innen und Distributor/innen konnten sich mit dem Anliegen einer Strafbarkeit nicht durchsetzen. Das heißt aber auch: Es gibt keine Raubkopie. Was im Zeitalter ohne Internet (erinnert sich noch wer daran?) möglich war, muss heute auch möglich sein: das Verborgen von Büchern und Musik. Und wenn dabei jemand eine Vervielfältigung für den privaten Gebrauch macht, sei es drum. Vordergründig geht es um die Entlohnung für ein Werk. Schaut man genauer hin, geht es bei der Debatte um die Privatkopie um die Interessen der Verwerter/innen und Distributor/innen, die einen Einbruch ihres Geschäftes befürchten. Künstler/innen sollen für ihre Arbeit entlohnt werden, die Privatkopie stellt dabei allerdings keine wirkliche Gefahr dar.

Halina Wawzyniak, Mitglied der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“

Der Begriff der „Raubkopie“ ist so irreführend und tendenziös, dass ich von seiner Verwendung nur abraten kann. Die Nutzung digitaler Informationsgüter ist nicht konkurrierend, man stiehlt also nicht, sondern dupliziert ein Gut, wenn man es verwendet. Das alltägliche File-Sharing ohne kommerzielle Absichten sollte meines Erachtens nicht strafrechtlich verfolgt werden. Es ist gesellschaftlich wünschenswert, dass Informations- und Kulturgüter kursieren, weil das eine breite gesellschaftliche Teilhabe am öffentlichen Leben ermöglicht. Statt kommunizierende BürgerInnen zu überwachen, sollten wir uns lieber auf die Entwicklung intelligenter Vergütungsmodelle konzentrieren, die Anreize für die Zirkulation von Wissen schaffen.

Jeanette Hofmann, Mitglied der Enquete-Kommission “Internet und digitale Gesellschaft”

„Eigentum ist Diebstahl“ sagen immer die, die keinen Besitz haben. Bei geistigem Eigentum ist das nicht anders. Allerdings: Proudhon irrt. Dass etwas gestohlen wurde, zeigt an, dass es vorher wem gehört hat. Wenn es hier nur um irgendwelche U2-Songs ginge, die da gratis kopiert werden, hätte ich kein Problem. Aber gerade unter Linken grassiert doch dieser Virus: Kunst darf nichts kosten, so als würde man die edle Sache dadurch beflecken. Dass der Künstler wie jeder andere seine Miete zahlen muss, was zu fressen braucht und vielleicht noch eine Familie durchzubringen hat, interessiert keinen. Der soll gefälligst arbeiten gehen. Eine Sache aber, die keinen Preis hat, ist den Leuten auch nichts wert. Ich mache z. B. prinzipiell keine Benefizlesungen mehr. In Berlin habe ich ein Obdachlosenprojekt, für das ich mich engagiere (aber nicht als Schriftsteller) und vielleicht noch „Mondkalb“, die Zeitschrift für das Organisierte Gebrechen – mehr ist nicht drin. Wer mich hören oder lesen will, soll zahlen. Wie hoch ist eigentlich das Zeilenhonorar beim „prager frühling“?

Karsten Krampitz, Stadtschreiber in Klagenfurt