01.03.2011

Mehr als nur ein Rücktritt

Der Schaarschmidt-Kommentar zu Guttenberg

Uwe Schaarschmidt

Er sah gut aus wie immer und redete auch das gleiche Blech wie sonst. Genau deshalb war die Rücktrittserklärung von Karl Theodor zu Guttenberg eine bemerkenswerte Sache. Zeigte sie doch, wie wenig der fränkische Emporkömmling von dem verstanden hatte, was mit ihm geschehen war und bewies sie außerdem, wie vollständig Guttenberg in kürzester Zeit mit seinem Alter Ego als polierte Sammeltasse in der politischen Vitrine verschmolzen war. Als ob es die Beamten im Verteidigungsministerium, die Generäle der Bundeswehr oder gar die deutsche Rüstungsindustrie auch nur einen Deut interessieren würde, wer unter ihnen Verteidigungsminister ist, schmierte er sich bis zum letzten Moment befehlsgemäß an die Herzen der Soldatenmütter, tanzte er noch auf den Gräbern der kürzlich in Afghanistan gefallenen Soldaten theatralisch die diebische Elster und schwafelte vom schwersten Moment seines Lebens. Wer das Würgen angesichts Guttenbergs Kerner-Show in Mazar i Sharif noch unterd rücken konnte, dürfte nun spätestens beim Genuss seiner Rücktrittserklärung heftige Kämpfe mit dem im Halse aufsteigenden Frühstück ausgefochten haben.

Es ist zu erwarten, dass die Jubelbatterien seiner Anhänger und Förderer nun von Böllerschüssen auf Bedauerfeuer umgestellt werden. Bild, Focus & Co. werden Guttenbergs Andeutungen von der „hohen medialen und oppositionellen Taktfrequenz“ und der „enormen Wucht der medialen Betrachten meiner Person“ dankbar aufgreifen und versuchen, ihn zum prominentesten Opfer des Afghanistan-Krieges umzudeuten.

Und in der Tat war die Lust an der medialen Demontage des Verteidigungsministers in den vergangenen zwei Wochen kaum zu übersehen. Kann man dies aber den Redakteuren und Reportern verdenken? Spätestens seit der Inszenierung von Guttenbergs Ehefrau als blaublütiges, blondes Gift gegen Kinderschänder auf RTL II, dürfte doch bei jedem politischen Journalisten – so er seinen Beruf ernst nimmt - die Wut zum Dauergemütszustand avanciert sein. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war jedem aufmerksamen politischen Beobachter klar, was da gespielt wird und was im Scoop von Mazar i Sharif seinen unerträglichen, schmierigen Höhepunkt fand: der junge Feldherr flimmert sich in die Herzen der hintersten Stammtischbesatzungen und die Retterin der kindlichen Unschuld an seiner Seite treibt deren Gemahlinnen gleich mit in die Wahlkabinen. Es gab keinen Zweifel mehr – hier wurde der nächste Bundeskanzler planmäßig aufgebaut und so mancher hatte sich schon, ebenso entnervt wie vorsic htig, damit abgefunden, dass das Haus Springer gemeinsam mit der CDU auf lange Zeit entscheiden würde, wer in Deutschland das Sagen hat. Auf sich selbst konnte die durch ihre eigene Substanzlosigkeit ramponierte, konservative politische Klasse kaum mehr zählen. Immerhin – zu dieser Einsicht hatte es noch gereicht.

Es ist – glücklicherweise – anders gekommen, die Berlusconisierung der deutschen Politik ist vorerst gescheitert. Dass sie nicht an der politischen Weitsicht der Wählerinnen und Wähler, sondern am Narzissmus des eilig geschnitzten Götzenbildes scheiterte, mag ein Wermutstropfen sein. Für die Union ist Guttenbergs Rücktritt jedoch keineswegs eine Erleichterung: sie hatte sich nicht umsonst zwei Wochen lang schockstarr an ihn geklammert. Guttenbergs Ausscheiden aus der Politik ist nicht weniger, als der Zusammenbruch eines gigantischen Lügengebäudes, in dessen Konstruktion Guttenbergs Doktorarbeit sich lediglich als nicht eingezeichnete, tragende Wand erwiesen hatte.