23.04.2011

Neue Rechts-Partei gegründet

...und die heißt SPD

Jörg Schindler

Am Abend des 21.April 2011 wurde in Deutschland eine neue Rechts-Partei aus der Taufe gehoben. Gegründet wurde die Partei vom Führungskreis ehemaliger Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten um Andrea Nahles an der Spitze. Es war der Moment, als die Bundes-SPD, vertreten durch ihre Generalsekretärin Nahles, den Ausschlussantrag gegen Sarrazin zurückzog.

neo-sozialdemokratischer Pluralismus: dummer Araber, genetischer Jude, kinderreicher Gemüsehändler, Kopftuch-Gör

Damit war es amtlich: Selbst Menschen, die finden, dass alle Juden ein bestimmtes Gen teilen, sind in der SPD herzlich willkommen. Jene, die finden, dass Deutschland aufgrund der Zuwanderung aus der Türkei, dem Nahen Osten und Afrika "durchschnittlich dümmer" werde, werden ab sofort mit sozialdemokratischem Handschlag begrüßt. Und selbstverständlich haben alle HasserInnen kinderreicher türkischer Ost- und Gemüsehändler mit ihren produzierten Kopftuchmädchen ab Donnerstag abend in der SPD allerbeste Karrierechancen.

Denn damit habe er, so Sarrazin, "zu keiner Zeit die Absicht gehabt, mit meinen Thesen sozialdemokratische Grundsätze zu verletzen." Na, das war ja dann auch nur ein dummes Missverständnis im Hamburger SPD-Parteiprogramm. In dem steht etwas von der "gleichen Würde des Menschen, die Ausgangspunkt und Ziel unserer Politik" sei, weshalb sich die SPD "jeder Form der Diskriminierung widersetzt". Diskriminiert und entwürdigt wird durch Sarrazin niemand, so hat Sarrazin erklärt. - Bis auf den dummen Araber, den kinderreichen Gemüsehändler ohne volkswirtschaftliche Funktion und sein von ihm produziertes Kopftuch-Gör. Thema erledigt, alles geklärt, Ausschlussantrag zurückgezogen. Deutlicher gehts kaum, die Einladung der sozialdemokratischen Bundesspitze an alle bekennenden Ausländerfeinde, mitzutun an der von Schröder-Abrissbirne, Anhängerflucht und elektoraler Zweitklassigkeit arg gebeutelten Sozialdemokratie.

Nationalsozialdemokratie

Nun ist die Empörung über diese Ausschlussantrags-Farce nach dieser windigen Erklärung Sarrazins, diesem nichts zurücknehmenden Rechthaber-Wisch - Zitat: "Sollten Mitglieder der Partei sich in ihrem sozialdemokratischen Verständnis beeinträchtigt fühlen, bedaure ich dies, auch wenn ich meine, dass mein Buch hierzu keine Veranlassung gegeben hat." - das eine. Jede Partei hat letztendlich die Parteimitglieder die sie verdient, und jede Mitgenossin, jeder Sozi-Parteifreund den Rassisten mit gleichem Parteibuch. Das andere, politisch entscheidende, ist, dass die Sozialdemokratie damit ganz klar gemacht hat, welche Parteimitglieder - und: welche WählerInnen - sie zukünftig gerne hätte. Während der Unvereinbarkeitsbeschluss der Partei etwa mit der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) weiterhin gilt, kann sich jetzt jeder Dorftrottelnazi, aber auch jeder geistige KZ-Wärter mit Hochschulabschluss darauf berufen, der Sarrazin habe das doch auch schon so ungefähr gesagt; das passe also alles doch gut zum innerparteilich-sozialdemokratischen Verfassungsbogen.

Kein Fehler, sondern Strategie

Die Entscheidung der SPD-Bundesspitze ist kein Fehler, sondern kühl kalkuliert. Dafür spricht zuviel: Die Verweigerung von Nahles, Wowereit und Gabriel, nach der Entscheidung einen Kommentar abzugeben - in den Medien kommt das nicht gut, aber die Bürger werden es nur zu gut verstehen. Die anstehenden Wahlen, am 22. Mai in Bremen und am 18. September in Berlin, beides Länder mit hohem Migrationsanteil, sind ein erster Test, wie die neue nationalsozialdemokratische Methode zieht. Kommen die Stimmen des rassistisch geprägten Bürger-Bodensatzes endlich wieder Heim ins sozialdemokratische Reich? Nachdem die Sozialdemokratie ja wegen der linken Konkurrenz im underdog-Bereich nur noch schwer reüssieren kann und zudem mit der politischen Bratpfanne namens Linkspopulismus auf diese eindrischt, hat offenbar der Flirt mit dem Rechtspopulismus für die Wahltechnokraten im Willi-Brandt-Haus einigen Charme. So erklärten 2010 immerhin 56 Prozent der Deutschen, dass Sarrazin mit seinen Thesen Recht habe und nur 28 lehnten diese ab. Gute Chancen also für die neue sozialdemokratisch Rechts-Partei, aus dem Stand über die 5%-Hürde zu kommen. Alle SozialdemokratInnen, ob mit, ohne oder anderem als SPD-Parteibuch, sind nunmehr aufgerufen, dafür zu sorgen, dass sie drunter bleibt.