20.05.2011

Neues vom Mittelbau

Rezension: Christoph Ruf: Was ist links? Reportagen aus einem politischen Milieu; C.H.Beck Verlag, München 2011, 256 S., 12,95 EUR

Bernd Hüttner

Christoph Ruf berichtet in seinem Buch von der Basis und dem Mittelbau der drei von ihm als links angesehenen Parteien SPD, Grüne und LINKE. Seine These lautet, dass es vor Ort und in den Regionen schon eine Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedern dieser drei Parteien gäbe, die es so auf Bundesebene und auch zwischen den Parteien als Ganze noch nicht geben würde.

Der vierzigjährige Ruf schreibt als freier Journalist vor allem für linksliberale Medien. Die Recherchen für das Buch hat er noch vor Fukushima abgeschlossen. Ruf hat deutliche Sympathien für die Linke, die für ihn aber weiter zu fassen wäre als die drei Parteien und die in ihnen aktiven Menschen. Für ihn sind die Zivilgesellschaft und die Gewerkschaften die Säulen, auf denen das linke Lager steht. Diese Säulen sind nur am Rande Gegenstand seines Buches. Die inhaltlichen Unterschiede zwischen den drei Parteien werden zu wenig herausgearbeitet.

Seine durchaus witzig geschriebenen Beobachtungen zeichnen ein anschauliches Bild der politischen Akteure in Karlsruhe oder Leipzig, in Gera oder Nürnberg - und andernorts. Die prominenteren Ereignisse wie die Koalitionsbildung in Thüringen oder im Saarland, die Kommunismusdebatte oder die Wahl des Bundespräsidenten fließen mit ein. Die Leserin erfährt viel über die vielerorts personell desaströse Lage der SPD, über die großen kulturellen Unterschieden innerhalb der LINKEN und über das Selbstbewusstsein der Grünen als Partei der Mitte. Spannend ist dabei der Blick, denn der Leser erfährt vieles aus dem Alltag der Politik, was sonst so nicht in den Tageszeitungen steht, etwa über die Grünen als neue Volkspartei. Ja, es wird einem Nils Schmid, der baden-württembergische SPD-Vorsitzende, über den Ruf unter anderem zu berichten weiß, er sei mit einer Migrantin verheiratet, plötzlich schon fast sympathisch. Prominente wie die InitiatorInnen des Institut Solidarische Moderne oder der attac-Gründer Sven Giegold kommen zwar auch vor, stehen aber nicht im Mittelpunkt der Reportagen. Inhaltlich will Ruf einen ausgleichenden modernen Kapitalismus, der auf sozialen Zusammenhalt und ökologische Aspekte achtet. Damit dürfte er genau dort unterwegs ein, worauf es derzeit nach dem postulierten Ende des Neoliberalismus eh hinausläuft. Sein flüssig zu lesendes Buch zeigt: Das Personal dafür steht bereit. Mit den Konzepten kann es aber noch etwas dauern. Offen bleibt, ob man die dafür braucht. Denn eine Antwort, ob für Politik vor allem Inhalte gebraucht werden, bleibt Ruf schuldig. Ja, er treibt – ungewollt? - den Trend zur Personalisierung von Politik weiter voran.