19.08.2011

Ein Sommerloch in der Mauer

SG

Die junge welt[1] klaut bei der Titanic[2]. Auf dem jw-Cover zum Tag des Mauerbaus stehen fünf Kampfgruppenangehörige vor dem Brandenburger Tor. Die Redaktion freut sich in der Bildunterschrift über 28 Jahre Frieden und Stabilität in Europa und 28 Jahre ohne Hartz IV. In der Wochenendbeilage interviewt IM Arnold Schölzel einen NVA-Oberst, der seine kleine Lebenslüge mit dem „Schwur von Auschwitz“[3] beginnt. Dagegen wirkt selbst Joschka Fischer blass und der hat schließlich nicht trotz, sondern wegen „Auschwitz“ Belgrad bombardiert. Man fragt sich, wann die junge welt die Wahlen zur Volkskammer wegen der Barrierefreiheit lobt. Die Auswahl war schließlich einfach und man musste noch nicht einmal ankreuzen können — das Falten des Wahlzettels genügte als Zustimmung.

Nun gibt es in und um die LINKSPARTEI eine Menge Leute, die diesen Geschichtsrevisionismus nicht lustig finden. Der AK Geschichte sozialer Bewegungen fordert die LINKE auf, sich von diesem reaktionären Rand[4] zu distanzieren, die Strömung „Emanzipatorische Linke“ fordert einen konsequenten Bruch[5] [1] mit den Neostalinisten. Gregor Gysi[6] will keine Anzeigen der Bundestagsfraktion mehr im Blatt sehen und Andrej Hermlin[7] zerreißt in der Printausgabe eines anderen Qualitätsmedium – der BZ – eine Ausgabe der jw. Offenbar wissen manche Linke noch: Wenn Stalinisten witzig sein wollen, ist man gut dran, wenn man zum Lachen noch selbst in den Keller gehen kann. Die Frage, warum gerade jetzt eine solch eine Aufregung entsteht, ist allerdings nur mit dem Sommerloch zu erklären. Schließlich hat die junge welt bereits vor zehn Jahren den Nationalisten und Bellizisten Slobodan Milosevic zum letzten Verteidiger des jugoslawischen Sozialismus umgelogen und Saddam Hussein zum lupenreinen Demokraten verklärt. Dass man das so lange als angemessenes redaktionelles Umfeld für eine Partei, die mit dem Stalinismus gebrochen hat, betrachtete, erstaunt zumindest. Stattdessen muss man sich nun wohl ein wenig um die Leute sorgen, die reflexhaft die junge welt in der Opferrolle sehen. Die Antikapitalistische Linke kann man jedenfalls beruhigen. Ihre Frage: „Wann haben diejenigen, die nun zum Boykott der jungen Welt aufrufen, jemals gefordert, jede Kooperation mit Medien einzustellen, die imperialistische Kriege in Afghanistan und andernorts propagieren, die den barbarischen Kapitalismus schönreden und Hartz IV verteidigen?“ ist schnell beantwortet: „Niemand hat die Absicht eine Anzeige im Manager-Magazin zu schalten.“

Aber im Ernst: bei Titelseiten von FAZ und Welt kommt sowieso niemand in Verdacht, dass dort die Position der LINKEN dargestellt wird, während bei der jungen Welt sowohl Teile der Partei wie die Öffentlichkeit außerhalb der Partei - fälschlicherweise - immer noch davon ausgehen, dass es sich um ein parteinahes Medium handelt.

Verweise:
Unter www.freiheit-und-sozialismus.de[8] kann ein strömungsübergreifender Aufruf, der die LINKE auffordert, jeglich Kooperation mit der "jungen Welt" einzustellen, kommentiert und unterstützt werden.

Links:

  1. http://www.ruhrbarone.de/wp-content/uploads/2011/08/junge%E2%80%93welt.jpg
  2. https://www.titanic-magazin.de/shop/images/default_shop/9911%20MauerwaechstPK.jpg
  3. http://www.jungewelt.de/2011/08-13/001.php?sstr=
  4. http://www.scharf-links.de/52.0.html?&tx_ttnews%5btt_news%5d=17971&tx_ttnews%5bbackPid%5d=56&cHash=dc6e1b37a6
  5. http://www.freiheit-und-sozialismus.de/?p=19
  6. http://www.tagesspiegel.de/politik/gysi-will-nicht-mehr-in-der-jungen-welt-werben/4511556.html
  7. http://www.bz-berlin.de/archiv/darum-breche-ich-mit-dieser-linken-article1250805.html
  8. http://www.freiheit-und-sozialismus.de/