was der nahostkonflikt aus deutschland nicht braucht

Replik auf Peter Ullrich

Kathrin Vogler

Beim folgenden Beitrag handelt es sich um eine Erwiderung auf einen Text von Peter Ullrich[1]. Eine andere Erwiderung von Katharina König[2] findet sich hier[3].

Kein internationaler Konflikt emotionalisiert so wie der Nahostkonflikt. Das ist gut, weil es unsere Aufmerksamkeit wach hält. Es ist schlecht, weil Emotionen häufig den Blick auf mögliche Lösungen verstellen. Zudem sind diese Emotionen Ergebnis unserer eigenen Geschichtswahrnehmung, folgen oft eher unseren eigenen Bedürfnissen als denen der Konfliktparteien. Wenn wir als Deutsche einen Beitrag zur Konfliktlösung leisten wollen, müssen wir unsere Motive kritisch hinterfragen. Wir können uns, um die Schuld unserer (Ur-)Großeltern abzutragen, vollständig auf die Seite Israels stellen. Wir können glauben, dass die Schuld abgetragen ist und uns vollständig auf die Seite der PalästinenserInnen stellen, die in diesem Konflikt militärisch, wirtschaftlich und politisch in der schlechteren Position sind. Beide Haltungen sind begründbar, aber nicht hilfreich. Deswegen kritisiert Peter Ullrich diese zu Recht als „Überidentifikation“.

Der Nahostkonflikt wird nicht von außen gelöst werden. Doch sind Eckpunkte einer Friedenslösung absehbar und können politisch befördert werden. Nicht durch die einseitige Unterstützung einer Seite und die Perpetuierung der jeweils eigenen Opferperspektive, sondern durch die Stärkung der Kräfte auf beiden Seiten, die einen Kompromiss anstreben und ihn gegen alle Widerstände im eigenen Lager mehrheitsfähig machen können. Um es klar zu sagen: Eine Israelkritik, die antisemitische Haltungen und antijüdische Ressentiments nutzt, ist indiskutabel. Nicht nur aufgrund der deutschen Geschichte, sondern auch, weil sie jede Chance zunichtemacht, positiv auf die Konfliktdynamik einzuwirken. Aber, geht es in der Debatte überhaupt um den Nahostkonflikt? In derselben Ausgabe der Jungle World findet sich ein Artikel von Sebastian Voigt, in dem er das Wirken des BAK Shalom in der LINKEN bewertet. Sein Fazit: „Für die Linkspartei wird die Frage nach dem Verhältnis zu Israel wichtig bleiben, gerade weil sie als Katalysator für andere Meinungsverschiedenheiten fungiert. Der Riss innerhalb der Partei geht tief. (…) Um glaubwürdig zu bleiben, wäre es aber das Mindeste, dass der Reformflügel der Partei nicht mehr länger schweigt, sondern die dogmatischen Antiimps kritisiert und letztlich auch aus der Partei drängt.“ (Jungle World, 28.7.2011) Damit gibt er jenen Recht, die nach dem umstrittenen Unvereinbarkeitsbeschluss der Bundestagsfraktion genau dies kritisierten und missbraucht den Antisemitismus- Vorwurf als Waffe im Strömungskampf. AntisemitInnen haben in der Linken und in der Partei DIE LINKE nichts zu suchen. Das bedeutet auch, dass dieser Vorwurf nicht leichtfertig erhoben werden darf. Schon die Ausweitung des Antisemitismusbegriffs à la BAK Shalom relativiert den Vorwurf. Nun auch jenen, die sich nicht öffentlich positioniert haben, heimliche Sympathie anzudichten, erinnert an Denkmuster des Kalten Kriegs: Wer nicht für uns ist, ist gegen uns. In einer linken Ost-West-Partei müssen solche platten Kategorisierungen überwunden werden, will sie eine Zukunft haben.

DIE LINKE hat bisher kluge, differenzierte Positionierungen und lösungsorientierte parlamentarische Initiativen zum Nahostkonflikt vorgelegt. Dafür gab es breite Mehrheiten in der Fraktion. Medial wahrgenommen werden am ehesten die Minderheiten, die am lautesten und am oberflächlichsten argumentieren. Vielleicht ist es auch deshalb möglich, der Mehrheit „schweigende Zustimmung“ zu unterstellen — redlich ist es nicht.

Links:

  1. https://www.prager-fruehling-magazin.de/de/article/750.wer-schweigt-ist-vielleicht-nur-unsicher.html
  2. https://www.prager-fruehling-magazin.de/de/article/748.wer-schweigt-weicht-aus.html
  3. https://www.prager-fruehling-magazin.de/de/article/748.wer-schweigt-weicht-aus.html