26.11.2011

Herr Geier

"Das Finden einer Wohnung oder von Örtlichkeiten und Lokalen zur Unterbringung von Gewerbe und Handel wird in den Großstädten immer teurer. Um sich jedoch seinen Lebensunterhalt zu verdienen, muß man – koste es, was es wolle – in den Städten wohnen, in denen sich der Handel und das Gewerbe konzentrieren.

Die wirtschaftlichen Bedingungen der kapitalistischen Produktion zwingen die Bevölkerung, sich vom Wohnort zu entfernen, die ländlichen Gebiete zu verlassen und sich in den Großstädten zusammenzudrängen, wo sie in die Hände des Monsieur Geier fällt, der eines der wildesten Raubtiere der so hochgelobten Zivilisation ist."

"Der aus der Revolution hervorgegangene Code Civil verleiht Monsieur Geier das absolute Eigentum an Grund und Boden sowie dem Raum darüber und darunter, welches ihm das Feudalrecht nicht zugestanden hat."

"Monsieur Geier, der keine einzige Kelle Mörtel verschwendet, keinen einzigen Stein gesetzt hat, um sein Haus zu bauen, muß nichts anderes tun als mit verschränkten Armen zu warten und die Stadtbewohner gewähren zu lassen, um den Wert seines Grundes und den Preis seiner Mieten in die Höhe klettern zu sehen. Es sind die Stadtbewohner selbst, die ihm, durch ihre Anzahl und durch ihre industriellen und kommerziellen Aktivitäten, die Mittel in die Hand geben, sie auszubeuten."

"Das Gesetz hat Monsieur Geier skandalöse Privilegien eingeräumt: das Gesetz verordnet, daß er vor allen anderen bezahlt werden muß. Ein Händler, bewaffnet mit einer Verfügung gegen seinen mit der Zahlung im Rückstand befindlichen Kunden, erscheint in dessen Domizil, um das Mobiliar beschlagnahmen und verkaufen zu lassen; – 'Nichts da!', ruft ihm das Raubtier zu, 'Euer Schuldner schuldet mir seine Miete, und meine Forderung kommt vor der Euren. Verkauft alles bis auf das letzte Hemd, das er am Leibe trägt und das Ihr nicht anrühren dürft, aber ich bin der erste, der das Geld einstreicht; der Rest verbleibt Euch, wenn es überhaupt einen Rest gibt'."

"Der Mieter ist die vogelfreie Beute, die Monsieur Geier auf Gnade und Ungnade ausgeliefert ist. Er dreht sie hin und wieder her, um besser ihr Blut trinken zu können."

"Monsieur Geier ist ein Volksfeind. Wer es wagt, das laut zu sagen, was alle denken und leise murmeln, findet bei jedermann Zustimmung. Meine Artikel sind ein Aufschrei des öffentlichen Gewissens. Sie haben mir zahlreiche ermutigende Briefe von Genossen und von Unbekannten eingebracht, die mir Tatsachen aus ihrer eigenen Erfahrung mitteilen und verlangen, daß meine Artikel als Broschüren veröffentlicht werden. Daß Monsieur Geier mich mit Beleidigungen überhäuft hat, zeigt mir nur, daß ich voll ins Schwarze getroffen habe."

"Reformen gegen Monsieur Geier" […]

"Diese Reformen, die im kapitalistischen System selbst realisierbar sind, würden im Falle ihrer Durchführung den Arbeitern und Angestellten jenes 'bessere Leben' ermöglichen, welches die reformistischen und revolutionären Gewerkschafter der C.G.T propagieren. […] Die Parti Socialiste jedoch … […]."

Wie die Reformen aussehen könnten und was die Parti Socialiste laut Lafargue will, kann in seinem Werk "Herr Geier"[1] nachgelesen werden.

Links:

  1. http://marxists.org/deutsch/archiv/lafargue/1909/xx/geier.htm