30.01.2012

Was sich der Demokrat Dobrindt wünscht …

… ist ein neues Sozialistengesetz.

Thomas Lohmeier
Dobrint lebt seine Unterdrückungsfantasien aus.

Volker Beck, Parlamentarischer Geschäftsführer der GRÜNEN Bundestagsfraktion spricht aus, was offensichtlich ist: Die Erwägungen von CSU-General Dobrindt, DIE LINKE je nach Erkenntnisstand des Geheimdienstes verbieten zu lassen, wären Ausdruck seiner Unterdrückungsphantasien. Würde Dombrindt seine Phantasien ausschließlich in konsensualen SM-Spielchen ausleben, müssten diese allerdings nicht weiter interessieren. Doch leider beherrschen sie auch seine politische Agenda.

Betrachten wir seine am Sonntag im Ersatzparlament “Günter Jauch” vorgetragenen Erwägungen, DIE LINKE bei Bedarf verbieten zu lassen, also politisch. Dann wird deutlich, dass es sich bei Dobrindt nicht um den Psychopathen handelt, für den Beck ihn hält - er outet schlicht seine antidemokratische Gesinnung. Ein Verbot der LINKEN zielt nämlich letztlich weniger auf die Partei DIE LINKE als vielmehr darauf, gewerkschaftliche, linksliberale und klassisch-sozialdemokratische Positionen, gerade auch innerhalb der SPD und des DGB, außerhalb der demokratischen Ordnung zu stellen und Bündnisse mit der LINKEN zu deligitimieren.

Dobrindt will nicht DIE LINKE treffen, sondern eine politische Strömung, die politisch gewerkschaftsorientiert und ökonomisch keynesianistisch ist und die im Grunde nichts anderes fordert als die Sozialdemokratie der 1970er und 1980er Jahre (vielleicht sogar bis zum Regierungsantritt Schröders). Dies ist auch der eigentliche Grund, weshalb sich entgegen der landläufigen Meinung nicht die K-Gruppen-verdächtigen Bundestagsabgeordneten, sondern in der überwiegenden Mehrheit ostdeutsche LinkssozialdemokratInnen der LINKEN unter Überwachungsstatus des Geheimdienstes wiederfinden. Es geht ihm, wie einst Bismarck, um die Einführung eines “Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie” - welche sich heute parteipolitisch allerdings nicht mehr in der SPD, sondern in der LINKEN organisiert.

Der Kampf um die Demokratie, die durch die Erpressungen der Finanzmärkte schon geschwächt genug ist, geht nun offenbar in die entscheidende Phase. Und dass es darum geht, bestätigt letztlich sogar die Kritik des FDP-Generals Döring an Dobrindt, der sich mit den Worten, dass durch ein Verbot noch lange nicht die Gesinnung aus der Gesellschaft verbannt würde, zitieren lässt - Dörings Formulierung erinnert nicht zufällig an bekannte Argumente gegen ein NPD-Verbot.

Wenn es Dobrindt und die CSU schaffen, politische Opposition (und nicht das Verbot von politischer Opposition) als undemokratisch zu markieren, sind alle Elemente eines legitimen, politikfähigen antidemokratischen Diskurses vorbereitet. Käme es zum Verbot der LINKEN, könnte man von Deutschland schwerlich noch von einer Demokratie sprechen. Deshalb ist es höchst irritierend, dass bisher weder SPD noch Grüne Dobrindts Rücktritt forderten. Finden sie es normal, dass eine Regierungspartei einen Generalsekretär haben darf, der offen zur geheimdienstlichen Bespitzelung und zum Verbot einer demokratischen Partei aufruft? Kann man jemanden, der eine demokratische Partei verbieten lassen will, einen Demokraten nennen? Es mag sein, das Dobrindt nur als bayerischer Bauer vorgeschickt wurde, um die Möglichkeiten der Transformation der Demokratie in einen autoritären Krisenbewältigungsstaat, wie ihn die Griechen schon erfahren dürfen, auszutesten. Nun ist ein Bauer nicht die entscheidende Figur im Schachspiel - aber dennoch kann er sehr gefährlich werden, wenn man ihn nicht abräumt oder gar bis zur Grundreihe kommen lässt.

Jetzt mag es noch absurd anmuten, aber früher oder später wird es, wenn solche Positionen im demokratischen Diskurs als sagbar gelten, dazu kommen, dass jedwedes gewerkschaftliche oder sozialstaatliche Engagement außerhalb des "Konsens der Demokraten" gestellt, wenn nicht gar kriminalisiert wird. Dobrindts Überlegungen zeigen daher eine neue Qualität der politischen Auseinandersetzung an, die nur sehr bedingt etwas mit der LINKEN als Partei zu tun hat. Sollte sich dieser Diskurs verfestigen, also nicht nur die Überwachung der LINKEN als legitim gelten, sondern sogar ihr Verbot erwogen werden, befinden wir uns in einem Kampf um die demokratische Verfasstheit des Landes, die vielleicht nur noch mit jener zu Zeiten der Spiegel-Affäre zu vergleichen ist. An Dobrindts Verbleib im Amt wird sich zeigen, ob diese Runde der Schlacht um die Demokratie an die Demokraten oder an die Antidemokraten geht.