03.02.2012

Der Sozialismus und die CDU

Zum 65. Geburtstag des Ahlener Programms

Die jüngst bestätigte Beobachtung linker Parlamentarier bietet Verfassungsschützern sowie Hinter- und Vorderbänklern aus CDU und CSU die Gelegenheit, sich u. A. im Ersten bei Günther Jauch und in den Dritten Programmen gehörig aufzuplustern. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt, meint, die Linke müsse endlich flächendeckend geheimdienstlich beobachtet werden und die frühere CDU-Abgeordnete Vera Lengsfeld sekundiert, man erkenne den verfassungsfeindlichen Charakter der Partei bereits daran, dass sie einen Systemwechsel fordere, die Gesellschaft grundlegend verändern- und einen anderen Staat schaffen wolle. In einem kurzen Einspieler bei Günther Jauch werden Zitate von LINKEN-Chef Klaus Ernst gezeigt, in denen kapitalismuskritisch äußert. Suggeriert wird: Wer von Sozialismus oder einer anderen Wirtschaftsordnung spricht, ist antidemokratisch und gehört geheimdienstlich überwacht.
Es ist ein beliebter rhetorischer Kniff, den politischen Gegner dafür zu loben, dass er früher schlauer war. Wenn aber heute die CDU an Positionen, die sie noch vor einigen Jahrzehnten vertreten hat, erinnert werden muss, so schon deshalb tun, um die falsche Annahme, dass der Kapitalismus grundgesetzlich geschützt sei zu korrigieren. Mittlerweile muss man dies aber auch tun, um ehrenwerte Konservative vor ihren heutigen Parteifreunden zu schützen. Dier Erinnerung an das Ahlener Programm der CDU könnte ein guter Anlass zur Reflexion sein.
Heute vor 65 Jahren, am 3. Februar 1947 verabschiedete der Zonenausschuss der CDU für die britische Zone das sogenannte Ahlener Programm. Es beginnt mit den Worten: „Das kapitalistische Wirtschaftssystem ist den staatlichen und sozialen Lebensinteressen des deutschen Volkes nicht gerecht geworden. Nach dem furchtbaren politischen, wirtschaftlichen und sozialen Zusammenbruch als Folge einer verbrecherischen Machtpolitik kann nur eine Neuordnung von Grund aus erfolgen.“ Es wurde „die Vergesellschaftung der Bergwerke“ gefordert und die Notwendigkeit Machtkonzentrationen in großen Unternehmen, „die die Freiheit des Staates gefährden kann“ zu begegnen, formuliert. Das Ahlener Programm war kein Ausreißer, sondern das Ergebnis einer Diskussion über die Folgerungen aus dem Nationalsozialismus für ein künftiges demokratisches Staatswesen. Diese Diskussion begann teilweise noch in den Konzentrationslagern der Nazis. Eugen Kogon, wegen seines bahnbrechenden Werks „Der SS-Staat“ eher Historikern als Autor bekannt, hatte bereits in seiner Haftzeit in Buchenwald und beeinflusst durch Diskussionen mit sozialdemokratischen Mithäftlingen Ideen eines „christlichen Sozialismus“ entwickelt. Bereits 1945 verfasste er mit weiteren Persönlichkeiten die Frankfurter Leitsätze der CDU. Auch in diesen heißt es klar: „Wir bekennen und zu einem wirtschaftlichen Sozialismus auf demokratischer Grundlage, und in folgender Form: Wir erstreben die Überführung gewisser großer Urproduktionen, Großindustrien und Großbanken in Gemeineigentum […] Sinn und Zweck aller sozialistischen Maßnahmen ist nicht die Verstärkung der Macht des Staates oder gar seiner Kriegsmacht, wie es in den nationalsozialistischen und anderen Wirtschaften der Fall war, sondern ihr unmittelbares Ziel ist die Schaffung eines […] ,möglichst hohen Wohlstandes der breiten Massen unseres Volkes.“
Letztlich setze sich diese „linke“ Strömung in der CDU nicht durch. Es waren neben Linken gerade auch die progressiveren Anhänger der katholischen Soziallehre, die für die in Artikel 14 des Grundgesetzes formulierte Offenheit der Wirtschaftsordnung eintraten. Männer wie Alexander Dobrindt könnten etwas mehr Demut zeigen, wenn Sie gegen Sozialisten wettern. Schließlich befindet sich sein Berliner Bundestagsbüro in einem Haus, das ebenfalls nach einem benannt wurde, der sich zum „Sozialismus aus christlicher Verantwortung“ bekannte: Paul Löbe. Das Haus wird noch stehen, wenn Dobrindt einiges Tages kein Abgeordneter mehr ist.