09.02.2012

Sport frei?

Lars Kleba

Die letzte Tour de France ist eigentlich Geschichte und kehrte doch heute mit den Presseberichten zur Zweijahressperre für Alberto Contador zurück. Den es vergeht doch kaum eine Berichterstattung ohne Diskussionen über die sogenannte Dopingtour und ähnliches. Die Tour taumelte immer wieder von einem Skandal in den nächsten. Der komplette Radsport stand am Pranger. Doch der Blick auf die Radler greift zu kurz. Gern wird übersehen, dass auch in anderen Sportarten kräftig manipuliert wird. Der gesamte Leistungssport steckt doch in der Krise.

Es ist an der Zeit, die Förderung des Sports durch den Staat grundsätzlich in Frage zu stellen. Ist es nicht gerade der deutsche Staat, der Sportler dazu anhält, immer wieder an die Grenzen der menschlichen Leistungsfähigkeit zu gehen? Nach dem Haushaltsplan des Bundesinnenministeriums, das auch für den Sport zuständig ist, sollen in einem Jahr über 80 Millionen Euro in den Spitzensport fließen. Um die bestehende Spitzenposition im Wintersport zu sichern und im Sommersport wieder eine Position in der Weltspitze zu erreichen wird die Förderung des deutschen Spitzensports jährlich um Millionen erhöht. Das erklärte Ziel ist, damit möglichst viele WM- und Olympiamedaillen für Deutschland zu ermöglichen. Von einem Umdenken, wie es der ehemalige Sportminister Wolfgang Schäuble gerade vom Radsport fordert, ist im übrigen Leistungssport so gut wie nichts zu spüren. Das aber wäre dringend nötig. Denn für eine Demokratie gehört es sich eigentlich nicht, ständig bloß auf einen möglichst guten Platz im Olympia-Medaillenspiegel zu schielen. Solange der Staat die Athleten antreibt, macht er sich mitschuldig am Phänomen der pharmazeutischen Manipulation, die immer mehr um sich greift. Die Bundesrepublik verhält sich in der Tat kaum anders als die DDR, die ihre hochgezüchteten Athleten einst als "Botschafter in Trainingsanzügen" auf die oberen Podestplätze der internationalen Wettbewerbe dopte. Als die Mauer noch stand und westdeutsche Athleten schon lange nicht mehr mitkamen mit ihren Konkurrenten aus dem Osten, da wurden die Sportfunktionäre der BRD nicht müde, auf einen Wettbewerbsvorteil der Konkurrenten aus der DDR hinzuweisen. "Das sind doch alles Staatsamateure", hieß es damals - eine von Staat ausgehaltene Profitruppe also, deren Mitglieder nichts anderes zu tun hatten, als ihre Körper zu optimieren. Und heute? Ein Großteil der deutschen Olympiakaderathleten ist bei der Bundespolizei oder der Bundeswehr angestellt. In speziellen Sportkompanien werden sie von beinahe allen normalen Verpflichtungen eines Soldaten oder Polizeibeamten freigestellt. Sie haben nur eine Aufgabe: durch Medaillen und Siege den Ruhm ihres Vaterlandes zu mehren.

Der Leistungsgedanke in der Sportförderung führt dazu, dass es für viele Vereinstrainer, aber auch für Eltern Sport treibender Kinder wichtiger ist, Siege einzufahren, als die Fitness der Jugend zu fördern. Erst der konsequente Rückzug des Staates aus der Spitzensportförderung könnte an dieser Stelle zum Umdenken führen. Der Profisport, von Sponsoren unterhalten, muss deshalb nicht untergehen. Solange sich Geldgeber finden, die glauben, dass sich ihr Engagement für die Unterhaltungsindustrie Sport lohnt, und solange es gelingt, Fans für den Profizirkus zu gewinnen, so lange wird es die großen Fußball-Ligen, aufgeblasene Box-Events und den Rennzirkus der Radsportler geben.
Der Staat aber sollte sich von dieser Szene fernhalten. Seine Aufgabe liegt in der Förderung des Breitensports. Statt in den Spitzensport, sollten Gelder in den Gesundheitssport fließen oder in Sportangebote in den Problemvierteln großer Städte, in gesundheitliche Aufklärung durch Sport und in den Ausbau des Sportangebots an Schulen. Wer sich den Mitgliedsbeitrag für einen Sportverein nicht leisten kann, dem könnte geholfen werden. Gefordert wäre ein neues Sportverständnis.


Lars Kleba, fährt Fahrrad und Ski, läuft und spielt Squash. Das alles ohne Sportförderung.