new deal für europa

Linke Intervention in Krisenzeiten

Andreas Hallbauer
Alter New Deal für Amerika

Der Spiegel meldete vor Kurzem, dass eine Reihe ehemaliger europäischer Regierungschefs einen Kurswechsel in der europäischen Wirtschaftspolitik gefordert haben und sich statt neoliberaler Sparpolitik für einen „New Deal für Europa“ einsetzen würden. Über EU-Anleihen sollen Gelder eingesammelt werden, mit deren Hilfe Investitionen getätigt und auch Teile der Schulden von EU-Ländern wie Griechenland aufgekauft werden könnten.1 Mit dieser Initiative wird ein Teil der Vorschläge aufgegriffen, die der österreichische Wirtschaftswissenschaftler Stephan Schulmeister im letzten Jahr in seiner Schrift „Angesichts der großen Krise - ein New Deal für Europa“ auch schon auf dem Kapitalismus-Kongress des DGB unterbreitet hatte.2 Das Bemerkenswerte an diesem Vorstoß der ehemaligen Regierungschefs ist nun zweierlei: Einerseits würde mit Hilfe eines solchen New Deal für Europa eine Abkehr vom bisherigen neoliberalen Kurs erfolgen. Andererseits handelt es sich bei der Mehrzahl der ehemaligen Regierungschefs, die hinter diesem Vorschlag stehen, um Sozialdemokraten, wie etwa den Franzosen Michel Rocard oder den Italiener Guiliano Amato. Das spricht für ein deutliches Potential an damit an die Oberfläche tretenden Widersprüchen in den Reihen der europäischen Sozialdemokratie. Die linke Linke auf nationaler wie auf europäischer Ebene sollte hier massiv einsteigen, an der Initiative der ehemaligen Regierungschefs ansetzen, das Konzept eines New Deal für Europa nach links qualifizieren und die Sozialdemokratie von links bedrängen, hier gemeinsam aktiv zu werden.

Zur Durchführung einer entsprechenden politischen Kampagne von links für einen solchen New Deal sollte die Partei DIE LINKE folgende Schritte unternehmen: Sie sollte so bald als möglich ein abgerundetes, linkes Konzept eines entsprechenden New Deal vorlegen. Dazu sollten u.a. auch mit dem Wiener Ökonomen Stephan Schulmeister öffentlichkeitswirksam Veranstaltungen durchgeführt werden. Das Konzept dieses neuen New Deal sollte mit Vertretern der außerparlamentarischen Bewegungen beraten werden. Dazu könnte ein erster bundesweiter Ratschlag dienen. Den entsprechenden europäischen Politikern aus den Reihen der Sozialdemokratie wird die Möglichkeit eingeräumt, auf Veranstaltungen, organisiert von der Linken, ihr Konzept für einen europäischen New Deal vorzustellen. Die LINKE sollte an die Sozialdemokratie herantreten und sie öffentlichkeitswirksam auffordern, gemeinsam für einen New Deal für Europa aktiv zu werden bis hin zu gemeinsamer Regierungsbildung auf dieser Grundlage. Insbesondere die beiden letzten Punkte sollten gemeinsam mit den anderen Kräften der europäischen Linkspartei abgesprochen werden.

Bausteine eines New Deal

Innerhalb der Partei DIE LINKE ist in letzter Zeit schon verschiedentlich über das Konzept eines „rot-grünen New Deal“ nachgedacht worden.3 Zusammen mit den Vorschlägen zum Anti-Krisen-Programm der Bundestagsfraktion und entsprechenden Teilen des Grundsatzprogrammentwurfs liegen eigentlich genügend Vorarbeiten vor, um ein qualifiziertes linkes Konzept für einen sozial-ökologischen New Deal auszuarbeiten und damit alsbald in die Offensive gehen zu können. Ein solcher linker New Deal sollte die verschiedenen gegen das kapitalistische System und seine Auswirkungen gerichteten Bewegungen zusammenführen, also etwa gewerkschaftliche, Sozial- und Umweltbewegung. Desweiteren sollte er programmatisch und aktionsorientiert sein und last but not least sollte er einerseits im Hier und Heute ansetzen und zugleich Türen für weitergehende gesellschaftliche Veränderungen aufstoßen.4 Zu den programmatischen und politischen Elementen eines solchen Politikkonzeptes gehören etwa Bausteine wie: Der Ausbau des Sozialstaats auf das ursprüngliche skandinavische Niveau mit den Zielen Vollbeschäftigung, Ausbau des öffentlichen sozialen Dienstleistungssektors, Arbeitszeitverkürzung, soziale Grundsicherung und Mindestlohn sowie ökologischer Umbau der Wirtschaft insbesondere des Energie- und des Verkehrssystems, darunter auch die Einführung eines Ökoautos an Stelle der Benzinschleuder. Hierzu gehört natürlich auch die Beschleunigung des Atomausstiegs. Darüber hinaus steht die Re-Regulierung der Finanzmärkte und die Umverteilung des Reichtums von oben nach unten durch eine soziale Steuerpolitik auf der Tagesordnung. Dazu gehört auch und insbesondere eine dauerhafte Erhöhung der Staatsquote und eine Angleichung der europäischen Steuersätze. Ein New Deal muss die Demokratie gerade in wirtschaftsdemokratischer Perspektive ausdehnen. Vor allem wären die früher u.a. vom DGB geforderten Wirtschafts- und Sozialräte einzuführen, die um Umwelträte zu erweitern wären und denen ein Recht auf Gesetzesinitiative eingeräumt werden müsste. Ferner gehört eine Friedens- und Außenpolitik, die dem sozialen und friedlichen Ausgleich der Interessen verpflichtet ist und die an die besten Traditionen Willy Brandts anknüpfen sollte, zum Kernbestand einer New Deal-Politik. Organisationspolitisch findet der linke New Deal in der Verbindung von parlamentarischem und außerparlamentarischem Kampf seinen Ausdruck. Nötig wäre ein dauerhafter Austausch zwischen Partei und außerparlamentarischen Bewegungen. Angesichts der objektiven Krisenprozesse und der sichtbaren Widersprüche in den Reihen der europäischen Sozialdemokratie sollte sich die linke Linke diese Chance, linke Realpolitik zu betreiben, nicht entgehen lassen. Wer weiß, wann eine solche Chance wieder einmal vorliegt?

Andreas Hallbauer ist Sozialwissenschaftler, lebt und arbeitet in Berlin, ist Mitglied der Partei DIE LINKE und dort bei der Antikapitalistischen Linken (AKL).


Fußnoten

1 Spiegel-online, 3.7.2011

2 Stephan Schulmeister, Angesichts der großen Krise – ein New Deal für Europa, Wien 2010

3 So hatte etwa der Sprecher der Sozialistischen Linken, Ralf Krämer „Zehn Kernpunkte für einen sozial-ökologischen New Deal“ vorgelegt, die stellvertretende Parteivorsitzende Katja Kipping über einen „Red-Green New Deal“ nachgedacht, der Parteivorsitzende Klaus Ernst in einer Grundsatzrede einen „neuen sozial-ökologischen Gesellschaftsvertrag, einen Red New Deal“ vorgeschlagen. Auch der Chefvolkswirt der Linksfraktion im Bundestag, Michael Schlecht, hatte sich verschiedentlich positiv auf einen rot-grünen New Deal bezogen.

4 Zu den diesen Vorschlägen zugrunde liegenden strategischen Überlegungen siehe auch Andreas Hallbauer, Reformalternative heute - ein neuer New Deal?, in Sozialismus 1/2011, S. 24 – 26.