09.06.2012

Ein Mann, ein Buch

Ein kurzer Gruß an Alex Demirović zum sechzigsten Geburtstag

Redaktion

Der Titel der 1999 von Alex Demirović veröffentlichten Habilitationsschrift ist gleichzeitig die treffendste Beschreibung ihres Autors. Ließe man den Untertitel „Die Entwicklung der Kritischen Theorie zur Frankfurter Schule“ weg, stände auf dem suhrkampschlichten Einband: „Alex Demirović: Der nonkonformistische Intellektuelle.“ … und genau das ist er. Ein Intellektueller, der sich nicht über die Art der Tätigkeit im Rahmen der gesellschaftlichen Arbeitsteilung definiert, sondern Text und Theorie als politische, als intervenierende Praxis begreift. Anders als manch lebenslanger „Adorno-Schüler“ fanden seine theoretischen Interventionen immer in- und außerhalb der Universitäten statt. Würde man eine Liste all der Artikel außerhalb wissenschaftlicher Journale, all der Podien und Veranstaltungen außerhalb akademischer Konferenzen erstellen, sie wäre wohl weitaus länger als die beeindruckende Aufzählung seiner Arbeiten, die in etablierten und akzeptierten Strukturen akademischer Wissensproduktion entstanden. Egal ob Bildungsstreik, ob Bloccupy oder Kapitalismuskongress, Demirović war da. Egal ob Fantômas[1], Freitag, Prokla, spw oder eben unser kleines Magazin, prager frühling - Alex Demirović schrieb, wenn er etwas zum Thema zu sagen hatte und man ihn fragte.

In seiner Lehrtätigkeit lässt er sich von einem Anspruch leiten, der in den verschulten Post-Bologna-Universitäten vollkommen aus der Mode gekommen ist: Der radikaldemokratische Anspruch seine Studierenden zur Kritik und zum Widerspruch zu erziehen, sie selbst zu nonkonformistischen Intellektuellen auszubilden. Dass so einer in Deutschland keine reguläre Professur bekommt — klar. In Frankfurt hat das Präsidium seine Berufung hintertrieben. So blieb er Gastprofessor – mal in Frankfurt, mal in Berlin, mal in Wien. Die kritische Theorie blieb seine theoretische Heimat, doch anders als die Nachlassverwalter suchte er nach Anschlüssen und borgte sich manches Werkzeug bei den Franzosen Foucault und Bordieux, bei Gramsci oder bei Poulantzas. Will man sein umfassendes Wirken und die vielfältigen Beiträge zur Krisen-, Rassismustheorie und Staatstheorie angemessen würdigen läuft man Gefahr, dass dies nach Nachruf klänge. Die Beiträge von Alex Demirović reichen für zwei Leben. Wie dies einer in nur 60er Jahren so viel kluges denken und schreiben konnte … wir wissen es nicht. Wir freuen uns stattdessen auf die kommenden und gratulieren herzlich.

Links:

  1. http://www.linksnet.de/de/organisation/fantomas