Heteroball

Der Wandel der Performance von Heterosexualität im Fußballverein

Laszlo Strzoda

Der Wandel der Sexualität lässt sich nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch beobachten. Als passionierter Spieler und Trainer kenne ich dafür kaum bessere Orte als die Umkleide und den Duschraum eines gewöhnlichen Fußballvereins. Hier zeigt sich die heterosexuelle Orientierung in einer ihrer homoerotischsten Varianten, um zumindest für die Männer zu sprechen. Gewandelt hat sich einiges seit ich Anfang der Neunziger begann mir die Fußballschuhe zu schnüren. Auch damals war nicht alles Gold, was glänzte. Aber in Fragen der sexuellen Performance wohl doch etwas unaufdringlicher, als es heute den Anschein hat. Der erste große Augenblick im Leben eines jungen Fußballers ist nicht etwa das erste Tor oder der brillante Traumpass, sondern die Weihe des ersten Duschgangs nach dem Training mit den Mitspielern. In meiner Jugend erinnere ich mich an die ersten verkrampften Versuche in Badehose, die dann jedoch recht schnell von den Anderen als lächerlich abgetan wurden. So spielte sich nun eine Praxis ein, die sich bis heute hielt: Geduscht wird nackt. Dies geschah so im Alter von 13-14 Jahren. In meiner Laufbahn als Trainer einer Jugendmannschaft ging ich selbstverständlich davon aus, dass dies die ebenso bereits bestehende Praxis meiner Mannschaft sei. Doch ich wurde eines Besseren belehrt. Nicht nur meine Spieler schlurften nach dem Training stinkend und verschwitzt nach Hause, sondern auch alle weiteren Jahrgänge bis zu den Herrenmannschaften (ab 18). Und selbst da ist der Gang zur Dusche bei Einigen umstritten. Das Nacktsein vor den Anderen ist fortwährend privatisiert worden. Was sich an der Banalität der Duschpraxis zeigt, ist von weit größerer Tragweite. Denn bei genauerer Betrachtung spielt sexuelle Orientierung heute eine bedeutendere Rolle als in meiner Jugend. Sie wurde damals schlichtweg nicht derart permanent thematisiert. Wo doch heutzutage alles erlaubt scheint und die Tabus an jedem internetfähigen PC scheitern, entwickelt sich mehr und mehr ein Rollback der Sexualmoral, die insbesondere jungen Menschen eine stärkere Betonung der eigenen Heterosexualität abverlangt. Das Sprechen über die eigene Heterosexualität ist in Fußballvereinen zur Standardkonversation geworden, um sich zu versichern, so scheint es. Die dargebotene Selbstsicherheit der sexuellen Performance bei den Spielern ist immens gegenüber einer Wirklichkeit, die wohl jeglicher Erfahrung entbehrt. Dies gilt sowohl für Jung als auch für Alt. Der Körperkontakt in all seinen fußballerischen Facetten muss betont männlich sein – den Torjubel eingeschlossen. Das führt bei der Jugend bisweilen zu absurd wirkenden Szenen auf dem Platz. Der jubelnde Torschütze versucht sich vor den heranstürmenden Mitspielern in Schutz zu bringen und kommentiert offerierte Umarmungen ob des Torerfolgs mit: „Bist du schwul oder was?“ Bei den Herren ist es nicht unbedingt besser: Die klassische Handtuchschlacht unter Fußball-Heten ist auch nur noch eine sagenumwobene Legende aus einer Zeit, in der sich alle Anwesenden ihrer sexuellen Orientierung vermeintlich sicher waren. Die neue allgemeine Verunsicherung wird mit einer exkludierenden öffentlichen Zurschaustellung der Heteronorm gedeckelt und gibt sich alles andere als offen. Die Hoffnung bleibt, dass der Heteroball in der Verlängerung das Nachsehen hat und der Fußball gewinnt.