12.07.2012

Die Wachfrau

Marlen Brückner
Langer Tag

Ich fragte die Frau, ob sie Gewerkschaftsmitglied sei, sie nickte. „Aber es sind noch zu wenige organisiert, oder?“ „6-Tage-Wochen sind in der Branche üblich. Da geht es uns noch gut, weil wir nach tariflichem Mindestlohn bezahlt werden. Was heißt Mindestlohn! 7,50 Euro die Stunde.“ „Es reicht nicht aus einfach zu sagen es ist die Branche. Wenn sich alle vereinen würden und an einem Tag einfach nicht arbeiten würden, wäre die Erkenntnis, wie wichtig Ihre Arbeit ist, plötzlich ganz groß.“ Sie sei schon froh, dass sie nicht zum Reinigungspersonal gehöre, die würden Knochenarbeit leisten und ständig unter Zeitdruck arbeiten müssen. Am Ende des Tages gingen sie mit noch weniger Geld nach hause. Auf die Frage wie lange sie heute noch arbeite, erzählte sie von ihrer Mittelschicht. 11.30 Uhr bis 19.00 Uhr, sechs Tage die Woche, seit 13 Jahren. Ihren Mann sehe sie kaum. Nach langer Nachtschicht schlafe der meistens, wenn sie dann doch einmal frei hat. Was sie sich vorgenommen hat? Öfter abends mit dem Hund hinausgehen. Dann fühle sie sich frei. An die Arbeit am nächsten Tag denke sie dann gar nicht mehr. Nur noch ein paar Tage, dann habe sie Urlaub. Wegfahren wolle sie mit ihrem Mann. Vielleicht nach Ägypten, weil es so schön warm ist. Letztes Jahr waren sie in der Türkei. „Und nächstes Jahr?“ „Wer weiß schon, was nächstes Jahr kommt?“