16.07.2012

Unwiederbringlich zerstört

Friedrich Radszuweit, „Männer zu verkaufen, Ein Wirklichkeitsroman aus der Welt der männlichen Erpresser und Prostituierten“, Männerschwarm, 180 S., 16 Euro

Bodo Niendel

Der Roman „Männer zu verkaufen“ liefert dem Leser Einblicke in die Welt männlicher Homosexueller kurz vor dem Ende der Weimarer Republik. Die Erzählung beginnt mit der Erpressung des Barons von Rotberg, der, um seine Homosexualität nicht bekannt werden zu lassen, einem Erpresser Stück für Stück fast sein gesamtes Vermögen übergibt. Der Hauslehrer Erich Lammers, der zufällig Zeuge der Erpressung wird, möchte dem Baron helfen und begibt sich zum Erpresser, um diesen an seinem Tun zu hindern. Doch mit Erschrecken findet er heraus, dass es sich bei dem Erpresser um seinen seit langem von der Familie verstoßenen Bruder handelt. Von diesem lässt er sich nach quälenden Gesprächen durch das schwule Tag- und Nachtleben Berlins führen und erhält Einsichten in eine ihm unbekannte Welt. Friedrich Radsuweit schrieb diesen Roman 1930 als Anklageschrift gegen eine diskriminierende Gesellschaft, in der ihre Sexualität verheimlichende Homosexuelle leicht Opfer von Erpressungen wurden und Polizei und Justiz, je nach Belieben, streng oder nachsichtig, die mann-männliche Liebe mit Hilfe des Paragraphen 175 verfolgten. Radszuweit, selbst Aktivist gegen die strafrechtliche Verfolgung im „Bund für Menschenrechte“, liefert uns ein Sittengemälde Berlins in der Zwischenkriegszeit. Moralisch empört und um Verständnis ringend — das Ende verbleibt denn doch in einem bürgerlichen Utopia des Ausgleichs und ist arg konstruiert — präsentiert er uns eine kulturell vielfältige mann-männliche Kultur, welche die Nazis später unwiederbringlich zerstörten. Eine lesenswerte und wichtige Wiederveröffentlichung.