06.08.2012

Den roten Faden weiterspinnen

Zur sozial-libertären ökologischen Transformation!

Ulrich Schachtschneider
UTE hat einen Plan B ...

Ohne soziale Gerechtigkeit kein ökologischer Umbau und keine nachhaltige Lebensweise. Diese linke Binsenweisheit führte bisher nicht automatisch zu einer überzeugenden linken sozial-ökologischen Transformationsidee. Zum Beispiel dann nicht, wenn jeglicher ökologischer und regulatorischer Fortschritt im jetzigen System als bestenfalls gut gemeint, aber letztlich systemstabilisierend abgekanzelt wird. Aber auch dann nicht, wenn der Umbau zweistufig gedacht wird: Erst machen wir unsere Gesellschaft auch jenseits irgendeines „System-Hoppings“ (wohin auch?) gleicher und gerechter und dann in einer zweiten Phase können wir auch ökologischer werden. PLAN B[1] dagegen hat einen integrativen Anspruch: Mit mehr Ökologie soll die Gesellschaft gerechter und mit mehr sozialer Gerechtigkeit soll sie ökologischer werden können. Der rote Faden für einen solchen Reformprozess wickelt sich aus vier Strängen:

1. „Gleichheit statt Klassenspaltung“

... der Zugang befindet sich hinter dieser roten Tür.

soll allen Menschen auch die ökonomische Chance zu ökologischem Verhalten eröffnen. Nur bei mehr Einkommensgleichheit kann die Idee der ökologischen Steuerreform, das Falsche zu verteuern und das Richtige zu belohnen, umgesetzt werden. Ansonsten wirkten solche ökonomischen Instrumente zur Steuerung eines umweltgerechteren Konsumverhaltens in Richtung einer Verschärfung sozialer Ungleichheit. Während beim Green New Deal die durch Verteuerung von Umweltverbrauch sich derart erneuernde „soziale Frage“ über neue Arbeitsplätze gelöst werden soll, fordert PLAN B eine Umverteilung der Einkommen. Dies ist eine entscheidende Differenz: Denn es ist erstens keineswegs garantiert, dass die neuen Öko-Jobs auch fair bezahlt werden – eher das Gegenteil ist gegenwärtig in Branchen wie der Windenergie etc. zu beklagen. Und zweitens ist ja die „soziale Frage“ auch in den alten Branchen keineswegs so gelöst, dass hier nicht mehr nachgebessert werden muss: Seit den 1980er Jahren sinkt bekanntlich der Anteil der Einkommen aus Erwerbsarbeit und Transfereinkommen.

Die wesentlichen Ansätze im PLAN B zu einer größeren Gleichverteilung der Einkommen sind höhere Löhne und eine Umkehr der Steuerpolitik. Dazu müssen jedoch weitere Elemente kommen. Elegant wäre meines Erachtens die Kopplung von ökologisch korrekter Verteuerung und Umverteilung nach unten durch das UTE-Prinzip: Ein „Umwelt-Transaktions-Einkommen“ durch die Rück-Ausschüttung der Einnahmen aus ökologischer Besteuerung an jeden Bürger. Aber eine Kombination aus Umverteilung und ökologischer Steuerung kann sicher auch durch andere Reformideen erreicht werden. Ergiebig wäre hierfür die Durchforstung der aktuellen ökologisch motivierten Förder- und Steuerpolitiken auf die Frage hin: Wer bezahlt? Wer hat den Nutzen? Sie alle könnten so umgebaut werden, dass Wohlhabende überproportional bezahlen und Ärmere überproportional profitieren. Im Moment verhält es sich – wen wundert es – bei sämtlichen ökonomischen Instrumenten der Klimapolitik (z. B. EEG, energetische Altbausanierung, Ökosteuer etc) genau andersherum.

2. „Teilhabe statt ständige Unsicherheit“

durch monetäre (sicheres Einkommen) und materielle (Zugang zu Gemeingütern) Sicherheit ermöglicht die für eine Akzeptanz der Umwälzung der Wirtschaft mit ihrem tiefgreifenden Wandel an Arbeitsplätzen, - strukturen und -qualifikationen nötige sozialpsychologische Situation, die „Angstfreiheit im Wandel“. Das ist entscheidend: Wie viele eigentlich als ökologisch schädlich oder als sozial zweifelhaft längst erkannte Produktionen werden heute nolens volens akzeptiert, wenn nicht sogar gefördert, weil daran in der arbeitsplatzfokussierten Regulation der kapitalistischen Ökonomie elementar die persönliche Existenz gekoppelt ist? Während im Green New Deal die Sorgen der Menschen mit der Aussicht auf neue Arbeitsplätze beruhigt werden sollen, besteht das Konzept hier in der Garantie sozialer Sicherheit. Ob die vorgeschlagenen Mittel (Zwei Jahre Transfergesellschaft, Recht auf Arbeit, max. 40 Std/Woche, Arbeitszeitverkürzung, Zugang zu bestimmten öffentlichen Gütern) ein ausreichendes Sicherheitsgefühl im Wandel ermöglichen oder doch noch zu eng an einen Arbeitsplatzbesitz gekoppelt sind, darüber kann sicher noch gestritten werden. Die Grundintention - mehr soziale Sicherheit als Basis für Veränderung - ist genau richtig.

3. „Politische Lenkung statt schrankenloser Markt“

fordert eine Planung der ökonomischen und sozialen Rahmenbedingungen für das Handeln von Unternehmen und Konsumenten auf dem Markt. Es grenzt die ökologischen und sozial schädlichen Folgen eines unregulierten Marktes ein, ohne Markt als ökonomische Struktur per se zu verdammen. Seine positiven Gehalte der Innovativität, der flexiblen Koordinierung, der selbstbestimmten ökonomischen Lebensplanung scheinen hier erfreulicherweise endlich auch in einem Politikentwurf der Linken gewürdigt worden zu sein. Die schlichte, aber falsche Antithese zum kapitalistischen Markt: „Wir planen alle unsere Produktion und Konsumtion – am besten in einem permanenten basisdemokratischen Diskurs“ ist einer Synthese von Planung und Marktfreiheit gewichen, die Markt genauso wie verschiedene Eigentumsformen emotionsloser hinsichtlich ihrer jeweiligen Vor- und Nachteile bewertet.

Die zentrale sozial-ökologische Umbauaufgabe, „Produktion und Konsumtion grundsätzlich anders (zu) strukturieren“, kann nicht durch Verbesserungen der Einzeleffizienzen erreicht werden – so die richtige Kritik bisheriger ökonomischer Steuerungsanreize: Ohne eine Änderung der soziokulturellen Struktur wirken zahlreiche Bumerangeffekte – die Wohnflächen wachsen trotz besserer Dämmung, mehr Kilometer werden gefahren trotz sparsamerer Motoren etc.

Die bessere Gesamt-Ökoeffizienz soll nach PLAN B zum einen durch mehr öffentliche Dienstleistungen (Verkehr, Soziales und Kulturelles), die den Wohlstand auf alternative, ressourcenleichte Weise steigern, erreicht werden. Es soll zudem verstärkt – systemrelevant! – in den sozial-ökologischen Umbau investiert werden, öffentliche Aufträge sowie Wirtschaftsförderung sollen sich daran orientieren.

Dies sind richtige und wichtige Maßnahmen im direkten Einflussbereich staatlicher Ausgaben. Es fehlt hingegen ein Konzept für die ökologische und soziale Rahmensetzung der Marktaktivitäten, die ja weiterhin einen Großteil der ökonomischen Aktivität ausmachen. Gerade der für die Gesamt-Ökobilanz verheerende Masseneffekt – mehr Konsum und mehr Produkte fressen Einzeleffizienzgewinne auf – bedarf einer wirksamen Grenzsetzung, die durch ordnungspolitische Ge- oder Verbote einzelner Substanzen, Verfahren etc nicht zu erreichen ist.

Unklar bleibt, wie der Umgang mit ökonomischen umweltpolitischen Instrumenten wie Ökosteuer, Mengenlizenzen etc. nun aussehen soll. Dabei läge hier eine entscheidende Aufgabe für die Linke: Wenn es gelänge, diesen ökologisch steuerungssicheren (z.B. verbindlich sinkende Ressourcenentnahmen und Emissionen durch Planung von Höchstmengen), eleganten (wenig Bürokratie) und freiheitsermöglichenden (dem Einzelnen wird kein Verbrauchsstil vorgeschrieben) Rahmungen ihren sozialen Schrecken (regressive Wirkung, d.h. überproportionale Belastung ärmerer Haushalte) zu nehmen, hätte die Linke eine neue Synthese zwischen Planung, Markt und Solidarität anzubieten. Die Pro-Kopf Rückverteilung der Einnahmen solcher Öko-Abgaben wie im UTE-Modell (Umwelt-Transaktions-Einkommen) hätte diese Qualität, da sie gleichzeitig mit der Verteuerung ökologisch schädlicher Produktion und Konsumtion umverteilt - von oben nach unten! Sicherlich wäre diese Idee noch zu konkretisieren, müssten Nebenwirkungen und die Machbarkeit der Kommunikation eines solchen Konzepts überdacht werden. Der Grundansatz hat aber das Potenzial, ein gravierendes Dilemma der Umweltpolitik aufzulösen: Ist die Besteuerung von Umweltgütern zu hoch, wird sie unsozial, ist sie zu niedrig, bewirkt sie nichts.

Es wäre ein signifikanter Unterschied zum Green New Deal[2], der ebenfalls Ökosteuern im Programm hat, den sozialen Ausgleich aber über das Wachstumsprojekt neue Arbeitsplätze verspricht. Ein Sozialausgleich nach dem UTE-Modell hingegen wäre wachstumsunabhängig!

4. „Mehr Demokratie“

in Wirtschaft und Gesellschaft stellt das vierte Rückgrat für den PLAN B dar. Politik muss gestalten können gegenüber den systemischen Imperativen der Märkte und der Machtzirkel. Dazu wird mehr Bürgerbeteiligung durch verschiedenste Verfahren (Beiräte, Planungszellen, Bürgerpanels, Bürgerentscheide etc) eingefordert. Ungeklärt bleibt aber zum einen auch im PLAN B – wie dort auch angemerkt – das Verhältnis von repräsentativer und direkter Demokratie. Zum anderen ist zu fragen, in welchem Maße diese Verfahren, die ja seit einigen Jahren sukzessive in die politische Regulierung eingeführt werden, Markt- und Machtdynamiken wirklich zurückdrängen können. Dies gilt auch für betriebliche Mitbestimmung, die stark ausgebaut werden soll. Ob Belegschaften wirklich ihren Betrieb ökologisch verantwortlicher führen würden als das Management, ist keineswegs sicher. Auch die Möglichkeit des Sozial- und Tarifdumping wird den Arbeitnehmern einfallen, wenn der Markt enger wird und bei Pleite ihr sozialer Absturz droht. Partizipation ist richtig, aber im Betrieb gilt genauso wie in der Kommune: Es gibt kein richtiges lokales Leben im falschen ökonomischen und politischen Rahmen.

Vom Green New Deal zur sozial-libertären ökologischen Transformation

Während die im PLAN B präsentierten Ideen der politischen Lenkung von Investitionsströmen und Märkten sowie die Idee der Bürgerbeteiligung in ähnlicher Weise auch in den hegemonialen Green New Deal - Konzeptionen und Nachhaltigkeitsstrategien zu finden sind, weisen die Prinzipien „Gleichheit statt Spaltung“ und „Sicherheit im Wandel“ auf einen „Sozialen Green New Deal“. Das Soziale meint hier nicht nur neue Arbeitsplätze und Chancen auf persönliche Qualifikationssprünge (wie im Green New Deal), sondern mehr ökonomische Gleichheit und mehr ökonomische Lebenssicherheit. Ohne Gleichheit keine Ökologie – das ist die eine notwendige Intervention der Linken - und hier bringt PLAN B einen guten Aufschlag.

Doch es reicht nicht aus, den Green New Deal sozialer zu machen. Ein sozial-ökologischer Umbau braucht nicht nur andere Produktions-, sondern auch eine andere Lebensweise. Die Visionen im PLAN B zeigen, wie alternativ konsumiert werden kann: Es wird fast ausschließlich öffentlicher Verkehr und erneuerbarer Strom aus dezentralen Quellen benutzt und es werden fair und ökoeffizient hergestellte Industrieprodukte gekauft.

Nach allem, was wir heute über die ökologische Krise wissen, muss jedoch nicht nur anders, sondern auch weniger konsumiert werden – andernfalls drohen vielfältige Rebound-Effekte (auch Dienstleistungen haben einen ökologischen Fußabdruck..). Soll dieses Weniger nicht nur für Randgruppen attraktiv sein, so muss die Gesellschaft insgesamt weniger herrschaftsförmig werden. Ein genügsamerer Lebensstil, eine „Eleganz der Einfachheit“ kann sich nur entwickeln auf der Basis eines freiheitlichen Lebensalltags. Wer unten ist oder sich in welcher Weise auch immer unterdrückt fühlt, wer seine Arbeit als entfremdet wahrnimmt, wird sich nicht zu neuer Bescheidenheit überzeugen lassen, sondern braucht zur Kompensation demonstrativen Status-Konsum, entschädigende Erlebniswelten, führt Aufholjagden etc.

Eine ökologische Lebensweise muss nicht nur als notwendige Änderung dastehen, sondern als Befreiung aus beengenden, stressigen, sozial isolierenden Verhältnissen ihre Attraktivität entfalten. Bestandteil einer solchen Vision wäre etwa Zeitwohlstand, wäre etwa ein Leben in mehr – frei gewählten – Gemeinschaften, wäre ein Leben mit mehr individuellen Freiräumen, aber weniger Konsum- und Erwerbsdruck.

Ein neuer Lebensstil kann natürlich nicht von einer Partei ausgearbeitet und dann der Bevölkerung vorgeschlagen werden. Genauso wenig dürfen Lebensstil-Fragen aber einfach weggelassen werden, geht es doch um Alternativen zur „imperialen Lebensweise“ in einem Industrieland, die nicht nur aus der Anwendung alternativer Techniken resultieren können.

Für ein Projekt zum sozial-ökologischen Umbau der LINKEN ergeben sich daraus mindestens zwei Ansprüche: Erstens sind die im PLAN B vorgeschlagenen Reformmaßnahmen auf ihre Vereinbarkeit mit freiheitlich-ökologischeren Lebensstilen - welcher konkreten Natur auch immer - hin zu überprüfen. Zu fragen wäre etwa:

  • Führen sie zu Freiräumen, in denen neue Lebensstile ausprobiert werden können?
  • Bewirken sie mehr Entscheidungsspielräume für den Einzelnen, auf dem Arbeitsmarkt und im sozialen Leben?
  • Befördern sie nicht-konsumtive Selbstverwirklichung?
  • Entschleunigen sie das alltägliche Leben?

Auf Basis dieser und anderer Fragestellungen sollte zweitens im PLAN B – deutlicher als bisher – dargestellt werden, in welcher Weise sich mit ihm die Gesellschaft so ändert, dass erfüllendere, freiheitlich-ökologischere Lebensstile für alle Bevölkerungsschichten befördert werden. Das wäre eine Vision für eine „sozial-libertäre ökologische Transformation“ (oder auch einen „sozial-libertären Green New Deal“) als eine neue soziale Idee: Die Verbindung von mehr Ökologie, mehr wirtschaftlicher Gleichheit und mehr Freiheit für alle.

Ulrich Schachtschneider ist Energieberater und freier Sozialwissenschaftler und Mitglied in der BAG Umwelt, Energie, Verkehr sowie im Gesprächskreis Nachhaltigkeit der rls Berlin

Links:

  1. https://www.plan-b-mitmachen.de/
  2. https://www.prager-fruehling-magazin.de/de/article/193.green_new_deal.html