innenansichten des patriarchats

Über den Männerbund, Frauentausch und Countersexismus

Caren Lay
Der einzige liebenswerte Männerbund.

Wie so viele Bereiche war auch die Politik lange eine reine Männerdomäne. Auch hier sind die Geschlechterverhältnisse mächtig ins Wanken geraten. Doch trotz Quotenregelungen, Doppelspitzen, erfolgreicher Frontfrauen und anderer Flintenweiber erweist sich so manche archaische Organisationsform von erstaunlicher Hartnäckigkeit. Eines dieser vormodernen Relikte ist der Männerbund. Er organisiert sich bis heute nach dem Vorbild der Artus-Runde. Im Zentrum steht ein charismatischer Anführer oder König, der von einer Vielzahl von Anhängern, Knappen oder Jüngern umgeben ist. Beim Buhlen um die Gunst des Häuptlings tritt der Konkurrenzkampf untereinander in den Hintergrund. Das ansonsten beliebte Spiel von Status und Revier verliert an Bedeutung. Es ist ohnehin klar, wer der Chef ist. Endlich entspannen in Gemeinschaft der Brüder. Mindestens genauso wie um die materielle Belohnung geht es um die Ehre: Es ist eine Ehre, an der Tafel sitzen zu dürfen, am Herrschaftswissen des Obersten teilhaben zu dürfen, genauso wie es am absolutistischen Hofe eine Ehre war, dem König das Nachthemd zu reichen. Dies bringt eine Irrationalität mit sich, die über dem zwanglosen Zwang des besseren Argumentes steht und Rationalistinnen regelmäßig verzweifeln lässt.

Welche Rolle spielen Frauen in der männerbündischen Gesellschaft, sind wir doch per definitionem von der unmittelbaren Teilhabe ausgeschlossen? Sie sind Objekte im Frauentausch. Männer haben die Macht und nutzen Frauen als Gabe, um soziale Allianzen mit anderen Männerbünden zu pflegen. So zumindest sieht es der Anthropologe Claude Lévi-Strauss, der das phallische Verwandtschaftssystem analysierte, das vor ca. 4000 Jahren entstand. Bis heute halten sich Relikte eines Weltbildes, in dem Frauen als Bräute der „Eigentlichen“, also der charismatischen Männerfiguren, betrachtet und gehandelt werden. Das war beim letzten Machtkampf in der Linkspartei in erschreckender Reinform zu sehen. Den erkämpften Quoten- und Doppelspitzen sei Dank. Als Braut gehandelt zu werden, ist noch besser, als lediglich als Kelch in der Artusrunde herumgereicht zu werden. Immerhin. Welche Strategien können Frauen nun wählen, um die Dynamik des Männerbundes zu durchbrechen?

Auf die Solidarität von Frauen zu setzen, ist zwar eine wünschenswerte, doch nicht notwendiger Weise erfolgsversprechende Strategie. „Frauensolidarität gibt es nicht“ – bedauerte schon Simone de Beauvoir. Zu verlockend ist die Verführung, das teuerste Geschenk zu sein, die Teuerste. Mich lockt eher die Verführung des Countersexismus. Statt die Reduzierung auf den Körper aggressiv zurück zu weisen oder gar Körperlichkeit zu negieren, kann es immerhin ein amüsanter Zeitvertreib sein, den Körper des Mannes genauer unter die Lupe zu nehmen. Denn die erotische Kategorisierung von Männern ist im herrschenden Sex/Gender-System nicht vorgesehen. Mit einer humorvollen Gesprächspartnerin lässt sich die schlecht sitzende Frisur, der Ansatz zum Bierbauch oder das altmodische Schuhwerk am Besten mustern. Interessanter Nebeneffekt: Wenn das Hemd tailliert und der Bauch trainiert ist, kann sich sogar noch ein netter Flirt entwickeln. Männer werden so zwar zur Beute degradiert, dürfen immerhin vom Baum der Erkenntnis kosten. Und Frauen, die sich dem Tauschgeschäft unter Männer verweigern, hören auf, sich wie ein Geschenk zu verhalten. Dann beginnt die Dekoration zu sprechen und der Männerbund kann einpacken.>

Caren Lay ist Bundestagsabgeordnete und stellvertretende Parteivorsitzende der LINKEN. Sie hat Soziologie und Gender Studies studiert und erkundet ihre Forschungsgegenstände vorzugsweise durch teilnehmende Beobachtung.