22.01.2013

Aufstand, Ärger und Authentizität: Jugendkulturen als Mode

Diana Weis (Hg.): Cool Aussehen. Mode und Jugendkulturen. Archiv der Jugendkulturen Verlag, Berlin 2012, 235 Seiten, 36,00 Euro

Bernd Hüttner

Das Archiv der Jugendkulturen[1] in Berlin ist das größte Archiv zur bunten und verschachtelten Welt der Jugendkulturen und –stile. Seine Bibliothek und seine Zeitschriften- und Fanzine-Bestände dürften in Europa einzigartig sein. Im dem Archiv zugeordneten Verlag ist nun ein farbiges und ambitioniert gestaltetes Buch zu „Mode und Jugendkulturen“ erschienen.

„Jugend“ wurde erst im Boom der Nachkriegszeit zu einer kaufkräftigen Gruppe und als solche markiert und angesprochen. Dieser Trend wurde durch die 1968er Jahre und ihre Folgen beschleunigt. Heute reicht die Zielgruppe der Jugendlichen nicht nur im Werbe- und Konsumbereich bis zu den gut 50-jährigen. Selbstverständlich war und ist Jugend nicht nur ein Objekt der Konsumindustrie, sondern drückt sich auch immer selbst auf vielerlei Art und Weise aus, z.B. in und mit der schwarzen Lederjacke, einem der Symbole für Dissidenz in den 1950er Jahren. Viele weitere Arten, sich mit Mode im Fordismus und im heutigen Differenzkapitalismus von anderen abzuheben, werden in den zwei Dutzend Artikeln untersucht und vorgestellt: Mods, Punks, Techno, Skins, Riot Grrrls, bzw. konkreter Jeans, Heavy-Metal-Kutten oder selbstgestaltete Mode in der DDR. Mode bedeutet in allen Beispielen immer auch „Kultur“. Schuhe, Haare, Schmuck, Kleidung, eben das komplette Aussehen stehen für etwas, das nur manchmal für „Außenstehende“ sofort erkennbar ist.

Es werden nicht nur sich progressiv dünkende Stile beschrieben, sondern auch Popper, Dandys, Pali-Tuch-Träger*innen, oder die Gothic-, Punk- und Classic-Lolitas aus Japan. Das Buch zeigt nebenbei, wie durch Kritik an Bekanntem und am „Alten“ Neues entsteht, das dann wiederum „Mode“ und Bestandteil neuer Konsummuster und –normen wird. Spannend sind die gelegentlich eingestreuten historischen Dokumente, alte BRAVO-Cover oder Ausrisse aus anderen Zeitschriften. Sie zeigen, wie der Mainstream – egal ob in den 1950ern oder den 1990ern Jahren - im Moment des Geschehens seine Minderheiten sieht und wie er mit ihnen umgeht.

Insgesamt wirkt „Cool aussehen“ mehr wie ein coffee-table-book, und ist dies in gewissem Sinne auch. Es beinhaltet jedoch, durch die akademische Herkunft der meisten Autor*innen, viele kulturwissenschaftlich und jugendsoziologisch informierte Analysen, die der Leserin den Blick für die Vielzahl und vor allem die Ausdifferenziertheit heutiger und historischer Jugendkulturen weiten. Es ist kein Buch über das Ping-Pong zwischen „Straße“ und „Industrie“, keines über die Ausverkaufsdebatte, eher ein bisschen eines über „Style“; es lebt durch seine Bilder, ganz wie klassische Modemagazine.

Blog zum Buch: www.coolaussehen.de[2]

Video zum Buch: www.youtube.com/watch?v=vPO3frIucGU[3]

Zwei Videos von 2010 zum Archiv der Jugendkulturen: http://www.youtube.com/watch?v=0C4gElDIv7M[4] // http://www.youtube.com/watch?v=09y1Mnuvrxk[5]

Links:

  1. http://www.jugendkulturen.de/
  2. http://www.coolaussehen.de/
  3. http://www.youtube.com/watch?v=vPO3frIucGU
  4. http://www.youtube.com/watch?v=0C4gElDIv7M
  5. http://www.youtube.com/watch?v=09y1Mnuvrxk