Essen und gegessen werden
Erst so ein Fressen und dann auch noch Moral!
Katja Schneider: An sich wäre das eine nette Vorstellung, wenn wir die Welt einfach „besser essen“ könnten. Aber leider sind die aktuellen Probleme auf dieser Welt alles andere als einfach. Trotzdem können wir mit unseren alltäglichen Entscheidungen, was wir essen und trinken, Einfluss darauf nehmen, wie viel Kohlendioxid damit produziert, wie viel Fläche belegt oder unter welchen Bedingungen Tiere gehalten werden. Schließlich müssen wir davon ausgehen, dass unsere Ernährung neben Effekten auf individuelle Bedürfnisbefriedigung und Gesundheit immer auch Auswirkungen auf Umwelt, Gesellschaft und Ökonomie hat und umgekehrt all diese Aspekte auf unser Ernährungssystem zurück wirken. Für die Umwelt heißt das beispielsweise, dass in Deutschland etwa 20 Prozent allen Energieverbrauchs und der CO2-Emmission durch unsere Ernährung verursacht werden. Der damit verbundene vom Menschen verursachte Klimawandel wird in Zukunft wesentlich die Nahrungsproduktion beeinflussen. Von Temperaturerhöhungen und Niederschlagsveränderungen im negativen Sinn betroffen sein wird vor allem die Landwirtschaft in vielen Ländern Afrikas. Auswirkungen unseres Ernährungsverhaltens zeigen sich also dort, wo ohnehin die Ernährungssicherheit gering und die Unterernährung hoch sind. Unter dieser Perspektive können wir mit anders essen die Welt vielleicht nicht retten, üben aber mit den alltäglichen, bewussten oder unbewussten, Konsumentscheidungen Einfluss auf deren Entwicklung aus.
Die Beantwortung dieser Frage hängt davon ab, wie dieser Diskurs geführt, welche Richtung zum „guten Essen“ gewiesen wird. Wird nachhaltiges Essen lediglich mit dem Kauf von Lebensmitteln aus ökologischem Landbau oder der Konzentration auf regionale handwerklich erzeugte Spezialitäten gleichgesetzt, erscheint die Kritik der sozialen Benachteiligung angebracht. Nachhaltiger Konsum im Bereich Ernährung hat jedoch sehr viel mehr und vor allem vom Einkommen unabhängige Facetten. Pflanzenbetonte Kost steht ganz oben auf der Liste der Empfehlungen für eine nachhaltige Ernährung. Gering verarbeitete oder saisonale Lebensmittel machen das Essen nicht teurer, sondern sind ernährungsphysiologisch betrachtet oft sogar sinnvoller.
Aber vielleicht sollten wir in dieser Diskussion die Perspektive erweitern und nicht nur an der Verantwortung der KonsumentInnen ansetzen, sondern ebenso die Verantwortung entlang der gesamten Produktkette mitdenken. Diese fängt bei der landwirtschaftlichen Erzeugung an und geht über Verarbeitung, Handel und Außer-Haus-Verpflegung. Darüber hinaus können auf Preis, Verfügbarkeit, Zeitverwendung oder Bildung abzielende politisch bedingte Rahmenbedingungen dazu beitragen, dass ein nachhaltiger Ernährungsstil eher normal und den Ernährungsalltag bereichernd statt asketisch wahrgenommen wird.
Diese Frage kann uns wohl nur die Zukunft beantworten. In Industrieländern können auf jeden Fall jenseits der konventionellen Ökonomie alternative Entwicklungen beobachtet werden: Solidarische Landwirtschaft als Zusammenschluss von einem landwirtschaftlichen Betrieb mit einer Gruppe privater Haushalte, Food-Coops, Saisongärten, Tauschringe für Dienstleistungen oder Foodsharing-Initiativen, um Lebensmittel zu teilen statt wegzuwerfen. Ob diese in der Nische bleiben oder zu einem Stück selbstverständlicher Ernährungsrealität werden, wird sich zeigen.
Zahlen und theoretische Berechnungen zeigen, dass der Hunger auf der Welt aktuell weniger als ein Produktions- sondern als ein Verteilungsproblem einzuschätzen ist. Alternative Szenarien zur Lösung des Welternährungsproblems setzen auf nachhaltige Landbewirtschaftung, Regulierung von Landvergabe bzw. veränderte Ernährungsstile.
Im Weltagrarbericht wird der Schwerpunkt auf Erhalt und Erneuerung der natürlichen Lebensgrundlagen durch langfristig naturgerechte Nutzung gelegt. Statt Orientierung auf neue Technologien, Intensivanbau in Monokulturen oder Gentechnik wird auf eine kleinräumig strukturierte, standortgerechte und ökologisch nachhaltige Landwirtschaft fokussiert. Potenzial für nachhaltige Lösungen liegt demnach in intelligenten traditionellen Anbaumethoden, herkömmlich bewährten Verarbeitungsmethoden, durch partizipative Züchtung erzeugtem Saatgut, Nutzung von natürlichem Dünger sowie regionalen Vermarktungsstrukturen.
Eher pflanzliche als tierische Lebensmittel essen, die der Saison und in der Menge dem tatsächlichen Verbrauch entsprechend ausgewählt, möglichst aus ökologischem, vielleicht aus eigenem Anbau oder über eine Einkaufsgemeinschaft bezogen, fair gehandelt, zu Fuß oder mit dem Fahrrad eingekauft werden. Und das Wichtigste dabei ist: mit Genuss essen.
Dr. Katja Schneider, Haushalts- und Ernährungswissenschaftlerin, ist seit 2003 wissenschaftliche Mitarbeiterin der Arbeitsgruppe Ernährungsökologie am Institut für Ernährungswissenschaft der Justus-Liebig-Universität Gießen und seit 2008 Projektleiterin der „Vernetzungsstelle Schulverpflegung Hessen“. Neben Schulverpflegung in Theorie und Praxis gehört zu ihren Arbeitsschwerpunkten die ernährungsökologische Forschung und Lehre.
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Die neue Ausgabe des prager frühling erscheint am 26.10.2012 und kann hier bestellt werden.Im Schwerpunkt geht es diesmal um die „Neue soziale Idee“ und damit die Frage nach emanzipatorischen Potentialen, aber auch den Grenzen einer linken Sozialpolitik.
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Von wegen „schönste Nebensache“ der Welt. Sex ist diesmal der Schwerpunkt unseres Heftes. Während uns die Starsoziologin Eva Illouz über den Zusammenhang von Kapitalismus und Partnerwahl aufklärt, analysiert Kathy Meßmer Intimchirurgie als widersprüchliche Praxis. Außerdem im Schwerpunkt: ...
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prager frühling stößt an: ein Prosit den Parallelgesellschaften! Schon klar, Integration fordert immer die Anderen. Deshalben sagen wir: "Erst wenn Efes sich ins deutsche Biersortiment eingegliedert hat und ein Hefeweizen anbietet, werdet ihr merken, dass man so etwas nicht trinken kann." Wie aber geht sozialistischer Antirassismus? Etienne Balibar, Nichi Vendola und viele andere versuchen sich in Antworten ...
Dissidenz und ziviler Ungehorsam sind die Hefe linker Politik. Kann Sie auch Schmiermittel des Kapitalismus sein? Wo schlägt Subversion in unpolitischen Abweichungsfetisch um? Unsere Autor_innen schauen nach, diskutieren und polemisieren.
Ist geistiges Eigentum Diebstahl? Stellen Raubkopien das Ergebnis von Aneignung oder eine besonders perfide Ausbeutung des Kreativproletariats dar? Darüber diskutieren in unserem Heft u.a. Michael Hardt, Cornelia Koppetsch, Sabine Nuss und Stefan Meretz. Digital Natives diskutieren die Implikationen der Digitalisierung von Demokratie ...
„Crossover“ ist der Versuch, eine Diskussion über politische Kooperation von sozialistischen, grünen und sozialdemokratischen Positionen in Gang zu setzen, deren Ergebnis hegemoniefähige progressive Reformprojekte werden sollen. So nahe liegend dies angesichts des Niedergangs der neoliberalen Ära ist, so blockiert ist diese Perspektive dennoch ...
Den politischen Gemütszustand unserer Welt beschreibt nichts besser als der alte Kalauer: „Öko? Logisch.“ Niemand schmunzelt mehr drüber, aber alle nehmen den Schenkelklopfer für sich in Anspruch. Dass alles irgendwie auch „öko“ sein müsse, also die Sache mit der Umwelt halt ein Problem sei, ist – logisch – Allgemeinplatz geworden ...
Die Linke und die Nation ist der Schwerpunkt der fünften Ausgabe des prager frühlings. Außerdem beschäftigen wir uns unter dem Motto "balkan beats" mit der Linken in Post-Jugoslawien. Mit dabei sind Thomas Seibert, Julia Bonk, Klaus Höpcke, Michel Albert, Christin Löchner, Lothar Bisky, Ringo Bischoff, Katja Kipping, Andreas Fischer-Lescano und die Band Ego-Tronic ...
Original sanktionsfrei: Weg mit Hartz IV! Her mit dem schönen Leben! Neben vielen investigativen und weniger investigativen Beiträgen zum Hartz IV-Regime, wollen wir Euch in dieser Ausgabe auch unseren Vorschlag vorstellen, dem Hartz IV-Regime die Forderung nach einem Infrastruktursozialismus entgegen zu setzen ...
Februar 2009 erschien die dritte Ausgabe des prager frühling. Das Schwerpunktthema ist "Demokratie und Herrschaft" mit Beiträgen und Artikeln von Chantal Mouffe (University of Westminster, London), Jürgen Peters (IG Metall), Colin Crouch, Franziska Drohsel (Juso-Vorsitzende), die Gruppe Soziale Kämpfe, Sonja Buckel (Universität Frankfurt) und viele andere mehr ...
Mitte Oktober 2008 kam die zweite Ausgabe von prager frühling, dem neuem Magazin für Freiheit und Sozialismus. Das nächste Heft widmet sich schwerpunktmäßig dem Verhältnis von Politik und Kultur. Ziel der Redaktion ist es, politisches Engagement und Kultur einander näher zu bringen. Dabei geht es nicht um eine Kolonisierung des einen Bereichs durch den anderen ...
Der Schwerpunkt der ersten Ausgabe des Magazins prager frühling heißt "Refound: NeuBegründung". Unsere Autorinnen erklären was der "Bruch nach vorn" ist. Mit dabei Frigga Haug, Thomas Seibert, Hans Jürgen Urban, Daniela Dahn und Michel Friedmann.