Klimawandel und Gesellschaftsveränderung
System change not climate change!
Im Jahr 2005 wurde eine rot-rot-grüne Regierungskoalition in Oslo gebildet. Eine Sensation, zum einen weil Norwegens Arbeiterpartei (DNA) schon vor der Stortingswahl dazu gezwungen wurde, eine Koalition zu bilden, zum anderen weil die Sozialistische Linkspartei (SV) zum ersten Mal in eine Koalition einbezogen wurde. Mit dem Seitenblick auf Oslo bereitet sich nun auch die schwedische Linkspartei (V) auf eine Koalition mit der Sozialdemokratie (SAP) und den Grünen vor. Auch in Dänemark wird gegenwärtig über eine engere Zusammenarbeit zwischen Sozialistischer Volkspartei (SF) und Sozialdemokratie verhandelt.
Dass die skandinavischen sozialdemokratischen Parteien überhaupt dazu gezwungen sind, Koalitionsaussagen zu machen, ist ein deutliches Zeichen für ihre Krise. Eine Krise, die Hand in Hand geht mit einer Verwerfung des klassischen skandinavischen Parteiensystems. Es gibt zwar Unterschiede in der jeweiligen Parteienlandschaft. Es war jedoch in Norwegen, Dänemark und Schweden jahrzehntelang die Sozialdemokratie, die den Fixpunkt der politischen Landschaft ausmachte. In allen drei Ländern wurde der nationale Wohlfahrtsstaat von einer starken Sozialdemokratie geformt. Die Parteienpolitik teilte sich in zwei Blöcke auf: Hinter den Sozialdemokrat/-innen standen Linkssozialist/-innen bzw. (Ex-)Kommunist/-innen. Gegen die Sozialdemokratie agierte eine zerbrechliche Allianz bürgerlicher Parteien. Die Stärke der Sozialdemokratie fußte dabei auf der Möglichkeit, die bürgerlichen Mitteparteien durch Kompromisse einbinden zu können.
Der Profiteur dieses Blocksystems war lange die Sozialdemokratie, die einzige Kraft, die über die jeweiligen Blockgrenzen hinaus Alliierte finden konnte. Gleichzeitig wurde die Linke mit dem Hinweis auf eine drohende Machtübernahme der Rechten oft zur Tolerierung von sozialdemokratischen Minderheitenregierungen gezwungen. Die Hegemonie der Sozialdemokratie wurde jedoch in den 1980er und 1990er Jahren gebrochen und führte teils zur Stärkung des bürgerlichen Lagers, teils zur Stärkung der linken Parteien. Das Problem der jeweiligen Linken war es dabei jedoch, der Logik des althergebrachten Blocksystems nicht entrinnen zu können. Sowohl die dänische SF als auch norwegische SV und schwedische Linkspartei konnten zwar bisweilen ihre Wahlergebnisse erheblich auf Kosten der jeweiligen Sozialdemokratie verbessern, Einfluss auf die Politik konnten sie jedoch nur selten erlangen. Der einzige Partner war nämlich ausgerechnet die Sozialdemokratie.
Dieses System wurde in Dänemark und Norwegen erst von den erdrutschartigen Erfolgen der wohlfahrtsnationalistischen Rechten ausgehöhlt. Der Dänischen Volkspartei (DF) und der norwegischen Fortschrittspartei (Frp) gelang es schließlich das traditionelle Parteiensystem zu sprengen und den rasanten Niedergang der jeweiligen Sozialdemokratie einzuleiten. Dadurch erklärt sich die Entstehung der norwegischen Regierungskoalition des Jahres 2005.
Die feste Allianz zwischen Sozialdemokratischer Partei, Sozialistischer Linkspartei und (grüner) Zentrumspartei stellt in diesem Zusammenhang den Versuch dar, den Einfluss der norwegischen Fortschrittspartei durch einen erweiterten „sozialistischen“ Block einzudämmen. Ähnlich gelang es der schwedischen Sozialdemokratie im Jahr 2008, die Grünen in eine feste Allianz einzubinden und damit die drohende Zusammenarbeit von Grünen und dem zurzeit mit knapper Mehrheit regierenden bürgerlichen Block zu verhindern. Ob es in Dänemark gelingen wird, eine überlebensfähige Zusammenarbeit links der Mitte zu etablieren, scheint noch offen, da es dazu eigentlich eines dritten Partners bedarf.
Ob die neue Form der festen Zusammenarbeit zwischen sozialdemokratischen und roten und grünen Parteien jedoch auch eine Verschiebung des Kräfteverhältnisses innerhalb dieser Allianzen beinhaltet, bleibt abzuwarten. Auch wenn die Zusammenarbeit unzweifelhaft durch die Krise der skandinavischen Sozialdemokratie überhaupt erst ermöglicht wurde, deutet die Entwicklung in Norwegen und Schweden darauf hin, dass es nicht die Linke ist, die von dieser Zusammenarbeit profitiert.
Wie oben angedeutet, konnte die Linke in allen drei Ländern von der Krise der skandinavischen Sozialdemokratie profitieren. Die Linke konnte lange auf Kosten einer kraftlosen und rechtslastigen Sozialdemokratie wachsen. Die Probleme der Linken beginnen jedoch, wenn die Zusammenarbeit mit der Sozialdemokratie dazu führt, dass gerade jene Profilfragen aus Gründen der Koalitionsraison von der politischen Tagesordnung verschwinden bzw. von den Sozialdemokraten zurück erobert werden.
Die norwegische Sozialistische Linkspartei (SV) ist so die große Verliererin der Regierungszusammenarbeit: Sie verlor 2,7 Prozent bei der letzten Wahl und erhielt 6,1 Prozent der Stimmen. Gleichzeitig gab es eine erhebliche Wählerwanderung von SV zur Arbeiterpartei DNA. Ähnliches scheint sich in Schweden abzuzeichnen. Hier erzielte die Linkspartei ein Resultat von 5,9 Prozent, im Vergleich zur letzten Wahl 2006 ein Verlust von 2,5 Prozent. Im Wahlkampf hatte die Partei stets versichert, dass man die „erfolgreiche“ Zusammenarbeit mit den regierenden Sozialdemokraten fortsetzen wolle. Seitdem krebst die Partei in den einschlägigen Umfragen um 5%.
Das Problem der norwegischen als auch der schwedischen Linkspartei ist es, sich nicht mehr eindeutig profilieren zu können. Da beide Parteien sich vor allem als Verteidiger des bestehenden Sozialstaates und Gegner von Privatisierungen profiliert haben, werden sie im Prinzip zu Verwaltern von klassischen sozialdemokratischen Positionen. Dies funktioniert jedoch nur solange, wie die eigentliche Copyrightinhaberin, die Sozialdemokratie, sich von diesen Positionen entfernt. Andere Profile sind entweder zu unbedeutend (Widerstand gegen ausländische Militäreinsätze, Kubasolidarität), werden nur halbherzig verfolgt (Arbeitszeitverkürzung) oder sind bereits in zunehmendem Maße von anderen besetzt (Umweltfragen, EU-Widerstand).
Das Dilemma, das sich stellt ist nur sehr, sehr schwer zu lösen: eine Regierungsteilnahme, das Ziel traditioneller parlamentarischer Politik – scheint zu einer fortschreitenden Schwächung linker parlamentarischer Kräfte zu führen. Und schwache Koalitionspartner/-innen haben nur wenig Einfluss.
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