Volker
Beck, Parlamentarischer Geschäftsführer der GRÜNEN Bundestagsfraktion
spricht aus, was offensichtlich ist: Die Erwägungen von CSU-General
Dobrindt, DIE LINKE je nach Erkenntnisstand des Geheimdienstes verbieten
zu lassen, wären Ausdruck seiner Unterdrückungsphantasien. Würde
Dombrindt seine Phantasien ausschließlich in konsensualen SM-Spielchen
ausleben, müssten diese allerdings nicht weiter interessieren. Doch
leider beherrschen sie auch seine politische Agenda.
Betrachten
wir seine am Sonntag im Ersatzparlament “Günter Jauch” vorgetragenen
Erwägungen, DIE LINKE bei Bedarf verbieten zu lassen, also politisch.
Dann wird deutlich, dass es sich bei Dobrindt nicht um den Psychopathen
handelt, für den Beck ihn hält - er outet schlicht seine
antidemokratische Gesinnung. Ein Verbot der LINKEN zielt nämlich
letztlich weniger auf die Partei DIE LINKE als vielmehr darauf,
gewerkschaftliche, linksliberale und klassisch-sozialdemokratische
Positionen, gerade auch innerhalb der SPD und des DGB, außerhalb der
demokratischen Ordnung zu stellen und Bündnisse mit der LINKEN zu
deligitimieren.
Dobrindt
will nicht DIE LINKE treffen, sondern eine politische Strömung, die
politisch gewerkschaftsorientiert und ökonomisch keynesianistisch ist
und die im Grunde nichts anderes fordert als die Sozialdemokratie der
1970er und 1980er Jahre (vielleicht sogar bis zum Regierungsantritt
Schröders). Dies ist auch der eigentliche Grund, weshalb sich entgegen
der landläufigen Meinung nicht die K-Gruppen-verdächtigen
Bundestagsabgeordneten, sondern in der überwiegenden Mehrheit
ostdeutsche LinkssozialdemokratInnen der LINKEN unter Überwachungsstatus
des Geheimdienstes wiederfinden. Es geht ihm, wie einst Bismarck, um
die Einführung eines “Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen
der Sozialdemokratie” - welche sich heute parteipolitisch allerdings
nicht mehr in der SPD, sondern in der LINKEN organisiert.
Der
Kampf um die Demokratie, die durch die Erpressungen der Finanzmärkte
schon geschwächt genug ist, geht nun offenbar in die entscheidende
Phase. Und dass es darum geht, bestätigt letztlich sogar die Kritik des
FDP-Generals Döring an Dobrindt, der sich mit den Worten, dass durch ein
Verbot noch lange nicht die Gesinnung aus der Gesellschaft verbannt
würde, zitieren lässt - Dörings Formulierung erinnert nicht zufällig an
bekannte Argumente gegen ein NPD-Verbot.
Wenn
es Dobrindt und die CSU schaffen, politische Opposition (und nicht das
Verbot von politischer Opposition) als undemokratisch zu markieren, sind
alle Elemente eines legitimen, politikfähigen antidemokratischen
Diskurses vorbereitet. Käme es zum Verbot der LINKEN, könnte man von
Deutschland schwerlich noch von einer Demokratie sprechen. Deshalb ist
es höchst irritierend, dass bisher weder SPD noch Grüne Dobrindts
Rücktritt forderten. Finden sie es normal, dass eine Regierungspartei
einen Generalsekretär haben darf, der offen zur geheimdienstlichen
Bespitzelung und zum Verbot einer demokratischen Partei aufruft? Kann
man jemanden, der eine demokratische Partei verbieten lassen will, einen
Demokraten nennen? Es mag sein, das Dobrindt nur als bayerischer Bauer
vorgeschickt wurde, um die Möglichkeiten der Transformation der
Demokratie in einen autoritären Krisenbewältigungsstaat, wie ihn die
Griechen schon erfahren dürfen, auszutesten. Nun ist ein Bauer nicht die
entscheidende Figur im Schachspiel - aber dennoch kann er sehr
gefährlich werden, wenn man ihn nicht abräumt oder gar bis zur
Grundreihe kommen lässt.
Jetzt
mag es noch absurd anmuten, aber früher oder später wird es, wenn
solche Positionen im demokratischen Diskurs als sagbar gelten, dazu
kommen, dass jedwedes gewerkschaftliche oder sozialstaatliche Engagement
außerhalb des "Konsens der Demokraten" gestellt, wenn nicht gar
kriminalisiert wird. Dobrindts Überlegungen zeigen daher eine neue
Qualität der politischen Auseinandersetzung an, die nur sehr bedingt
etwas mit der LINKEN als Partei zu tun hat. Sollte sich dieser Diskurs
verfestigen, also nicht nur die Überwachung der LINKEN als legitim
gelten, sondern sogar ihr Verbot erwogen werden, befinden wir uns in
einem Kampf um die demokratische Verfasstheit des Landes, die vielleicht
nur noch mit jener zu Zeiten der Spiegel-Affäre zu vergleichen ist. An
Dobrindts Verbleib im Amt wird sich zeigen, ob diese Runde der Schlacht
um die Demokratie an die Demokraten oder an die Antidemokraten geht.