So nicht!
Demokratie als Praxis
Drastisch gesprochen sorgte der mit russischer Unterstützung geführte Krieg in der Ukraine zumindest hinsichtlich der emanzipatorischen Linken in Russland für einen begrüßenswerten Nebeneffekt: Er hat die Spreu vom Weizen getrennt. Endgültig oder jedenfalls auf absehbare Zeit. Dabei sind seit Beginn des Maidan und auch nach Einsetzen der Kampfhandlungen im Donbass keine grundsätzlich neuen Konfliktlinien aufgetreten, aber die bereits bestehenden haben sich so sehr vertieft, dass sich schier unüberwindliche Gräben innerhalb der im weitesten Sinne sich als links positionierenden Kräfte auftun. Aber nicht immer beschränken sich Differenzen auf unterschiedliche Organisationen und politische Zusammenhänge.
Was den offenen oder indirekten Unterstützern der von so manchen Linken als Vorposten im Kampf gegen den amerikanischen Imperialismus oder Wahlweise der ukrainischen Oligarchie interpretierten „Volksrepubliken“ Optionen für neue Bündnisse insbesondere in der extremen Rechten beschert, führte bei emanzipatorischen Kräften der Linken im Zuge des eskalierenden Kriegsgeschehens gelegentlich zu internen Zerwürfnissen. So finden sich beispielsweise bei der Autonomous Workers Union (AST), die sich vor einem Jahr durch eine kritisch-solidarische Haltung gegenüber der Maidan-Bewegung hervortat, heute unterschiedliche Einschätzungen hinsichtlich des militärischen Vorgehens der Kiewer Zentralregierung gegenüber den Abtrünnigen im Osten. Die AST spricht sich gegen eine Zwangsmobilisierung zum Fronteinsatz und eine Verkürzung der Wehrpflicht aus. Gekämpft werden soll auf freiwilliger Basis. Was jedoch die Notwendigkeit einer militärischen Verteidigung ukrainischen Territoriums anbelangt bzw. die persönliche Präferenz zugunsten oder gegen die individuelle Beteiligung an Kampfhandlungen, stehen sich diametral entgegengesetzte Positionen gegenüber.
Dabei sieht sich die ukrainische Linke mit einem gesellschaftlichen Klima konfrontiert, das es noch schwieriger als während des Maidan macht, vom Mehrheitsdiskurs abweichende kritische Positionen offen zu formulieren und sich damit Gehör zu verschaffen. Noch komplizierter ist die Situation für Linke oder anarchistische Gruppen im Donbass. Wer sich mit kritischen Tönen bei den derzeitigen Machthabern unbeliebt macht, muss mit erheblichen Konsequenzen rechnen. So mancher Aktivist richtet sich deshalb im Untergrund ein, andere haben die Region verlassen.
Die kriegsbedingte patriotische Grundstimmung formiert oder deformiert in gewisser Weise auch den Diskurs zwischen emanzipatorischen Gruppieren oder einzelnen Vertreter_innen. Zwistigkeiten zwischen der ukrainischen und russischen emanzipatorischen Linken bleiben nicht aus. Aufgrund der Vielzahl an schockierenden Ereignisse rund um das Kriegsgeschehen, die die Grundfeste der ukrainische Gesellschaft völlig auf den Kopf gestellt haben, dominiert auch im aktivistischen Kreisen eine von Emotionen geleitete Wahrnehmung und Reaktion. Das hat zur Folge, dass selbst geringfügigste Differenzen plötzlich in eine ungemeine Wucht umschlagen und ihre ursprüngliche Bedeutung über alle Maßen ansteigt. Aus diesem Grund scheint die Erreichung eines Konsens, den es für gemeinsame Erklärungen und Handeln benötigt, fast unmöglich, was die Gefahr einer Depolitisierung der Debatten in sich birgt. Ein vorübergehender Ausweg mag in dem Versuch bestehen, sich zunächst soweit als möglich auf Allgemeinplätze zu beschränken, um überhaupt Gemeinsamkeiten zu finden.
Aber die unterschiedlichen nationalen Perspektiven und Diskurse lassen sich eben nicht völlig ausblenden und kommen nicht zuletzt auf der symbolischen Ebene zum Tragen, wenn beispielsweise als Solidaritätszeichen mit der Ukraine das Schwenken einer ukrainischen Fahne eingefordert wird. Immer wieder geäußerte Erwartungen an russische Aktivist_innen, der russischen Kriegsmaschinerie eine konsequente Antikriegsrhetorik und entsprechende Aktionen entgegenzusetzen, bleiben größtenteils unerfüllt. Die Bildung eines gruppenübergreifenden Antikriegsblock auf der Moskauer Demonstration gegen den Krieg in der Ukraine am 21. September 2014 scheiterte an der ursprünglichen Intention nicht zuletzt aufgrund der desolaten Lage, in der sich die russische emanzipatorische Linke befindet. Seit Wladimir Putins Rückkehr ins Präsidentenamt ist der Raum für Politik von unten derart geschrumpft, dass man nicht einmal mehr von einer Defensive linker Kräfte sprechen kann. Persönliche Aversionen und Animositäten überdecken dabei häufig politische Beweggründen bei der eigenen Positionierung. Die eigene politische Macht- und Konzeptionslosigkeit gerät zur Falle.
Durch die Ukraine-Krise verschärfte sich in Russland die ohnehin vielerorts zu beobachtende Apathie angesichts der sich immer weiter einschränkenden Handlungsoptionen und massiver Gängelung durch den Staatsapparat. In der Ukraine steht der Umgang mit praktischen Fragen im Vordergrund, beispielsweise die Versorgung von Flüchtlingen aus dem Donbass, was fast schon eine Massenbewegung Freiwilliger hervorgebracht hat und die ukrainische Gesellschaft in ihrem Selbstverständnis sichtbar beeinflusst. Das hat auch Auswirkungen auf die emanzipatorische Linke. In Russland bleiben diese Form des Agierens außen vor, dafür keimt durch die sich verschärfende Wirtschaftskrise die Hoffnung auf ein aktiveres Protestverhalten der Bevölkerung auf. Das scheint sich einerseits in der Praxis zu bestätigen, aber dass der Staatsapparat nicht unbeteiligt bleibt, zeigt u.a. die kurzfristige Absage einer zuvor genehmigten Demonstration in Twer Mitte Februar. Die von Massenentlassungen unmittelbar bedrohte Belegschaft eines Waggonbaubetriebes hatte die größten Arbeitnehmerproteste seit Jahren angekündigt.
Gerade im Aufgreifen einer klar sozial ausgerichteten Agenda finden sich Ansatzpunkte für eine emanzipatorische Politik in der sich über kurz oder lang auch die ukrainische und russische Linke wieder unvoreingenommen näher kommen können. Erste Schritte in diese Richtung sind gemacht, wenngleich davon von Außen bislang kaum etwas zu sehen ist.
Ute Weinmann lebt seit 1999 Moskau. Sie arbeitet als freie Journalistin und ist Autorin von „Opposition gegen das System Putin“. Auf ihrem Blog schreibt sie regelmäßig über Migration und Rechtsextremismus in Russland, in letzter Zeit aber auch vermehrt über den Krieg in der Ukraine.
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Griechenland hat die Austeritätspolitik abgewählt - durchgesetzt hat dies eine linke soziale Bewegung auf den Straßen und Plätzen. Ohne die enge Verzahnung mit Syriza als parlamentarischer Verlängerung wäre dies nicht möglich gewesen. In Dresden hingegen marschiert mit Pegida eine neue APO von rechts und mit der AfD rückt eine neue Rechtspartei in die Parlamente ein. Genügend Gründe also sich mit den Formatierungen parlamentarischer Demokratie zu beschäftigen. Spielräume für emanzipatorische Kämpfe zu ergründen und Beschränkungen einer Politik im Zählverein zu analysieren.
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Emanzipatorische Alternative jenseits von Markt und Staat oder nur Lückenbüßer für vormals staatlich organisierte Aufgaben? Unsere Autor*innen haben sich auf die Suche nach heutigen Commons gemacht. Im ersten Teil der Ausgabe haben sie die Kontaktzonen zum Markt, Staat und Care-Ökonomien besichtigt und theoretisch vermessen. Im zweiten Teil der Ausgabe haben sie Gemeinschaftsgärten durchstreift sowie an „Energietischen“ gesessen, um Kämpfe um Commons zu dokumentieren.
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Nein, ihr habt’s wieder falsch verstanden! Entschleunigung heißt nicht Breitbandrossel, liebe Telekom. Und Du, Frankfurter Polizei: Die Entdeckung der Langsamkeit meint nicht, zehn Stunden Zwangsentschleunigung im Kessel. In der Stress-Ausgabe prager frühling geht’s, darum wie man es richtig macht.
Der Realsozialismus ist auch auf der Speisekarte gescheitert: Als Diktatur des schlechten Geschmacks. Die Verhältnisse an kapitalistischen Tafel sind nicht weniger ungenießbar. Tausch von ökonomischem und sozialem Kapital geht vor. Wenn Renate Künast eine Flasche fairen Bio-Orangensaft kauft, geht locker das Tagesbudget eines Hartz-IV beziehenden Kindes über die Theke ...
Die neue Ausgabe des prager frühling erscheint am 26.10.2012 und kann hier bestellt werden.Im Schwerpunkt geht es diesmal um die „Neue soziale Idee“ und damit die Frage nach emanzipatorischen Potentialen, aber auch den Grenzen einer linken Sozialpolitik.
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Von wegen „schönste Nebensache“ der Welt. Sex ist diesmal der Schwerpunkt unseres Heftes. Während uns die Starsoziologin Eva Illouz über den Zusammenhang von Kapitalismus und Partnerwahl aufklärt, analysiert Kathy Meßmer Intimchirurgie als widersprüchliche Praxis. Außerdem im Schwerpunkt: ...
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prager frühling stößt an: ein Prosit den Parallelgesellschaften! Schon klar, Integration fordert immer die Anderen. Deshalben sagen wir: "Erst wenn Efes sich ins deutsche Biersortiment eingegliedert hat und ein Hefeweizen anbietet, werdet ihr merken, dass man so etwas nicht trinken kann." Wie aber geht sozialistischer Antirassismus? Etienne Balibar, Nichi Vendola und viele andere versuchen sich in Antworten ...
Dissidenz und ziviler Ungehorsam sind die Hefe linker Politik. Kann Sie auch Schmiermittel des Kapitalismus sein? Wo schlägt Subversion in unpolitischen Abweichungsfetisch um? Unsere Autor_innen schauen nach, diskutieren und polemisieren.
Ist geistiges Eigentum Diebstahl? Stellen Raubkopien das Ergebnis von Aneignung oder eine besonders perfide Ausbeutung des Kreativproletariats dar? Darüber diskutieren in unserem Heft u.a. Michael Hardt, Cornelia Koppetsch, Sabine Nuss und Stefan Meretz. Digital Natives diskutieren die Implikationen der Digitalisierung von Demokratie ...
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Original sanktionsfrei: Weg mit Hartz IV! Her mit dem schönen Leben! Neben vielen investigativen und weniger investigativen Beiträgen zum Hartz IV-Regime, wollen wir Euch in dieser Ausgabe auch unseren Vorschlag vorstellen, dem Hartz IV-Regime die Forderung nach einem Infrastruktursozialismus entgegen zu setzen ...
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Mitte Oktober 2008 kam die zweite Ausgabe von prager frühling, dem neuem Magazin für Freiheit und Sozialismus. Das nächste Heft widmet sich schwerpunktmäßig dem Verhältnis von Politik und Kultur. Ziel der Redaktion ist es, politisches Engagement und Kultur einander näher zu bringen. Dabei geht es nicht um eine Kolonisierung des einen Bereichs durch den anderen ...
Der Schwerpunkt der ersten Ausgabe des Magazins prager frühling heißt "Refound: NeuBegründung". Unsere Autorinnen erklären was der "Bruch nach vorn" ist. Mit dabei Frigga Haug, Thomas Seibert, Hans Jürgen Urban, Daniela Dahn und Michel Friedmann.