Prager Frühling, Magazin für Freiheit und Sozialismus (www.prager-fruehling-magazin.de)
Redaktionsblog

Das kann die SPD: Wahlkampf

Beitrag von Thomas Lohmeier, geschrieben am 01.06.2009
So ...

Läuft man dieser Tage durch die Straßen ist man irritiert: Dumpinglöhne würden CDU wählen, behauptet die SPD auf ihren Europawahlplakaten. Die CDU? Wurde nicht mit Hartz IV die Zumutbarkeitsgrenze für Arbeitslose gestrichen, die verhinderte, dass Arbeitslose durch Androhung der Kürzung ihrer mickrigen Hartz-IV-Kohle zu Annahme jeder Arbeit gezwungen werden können? Ist Hartz IV nicht der ganze Stolz der sozialdemokratischen Regierungszeit?

... oder so?

Würden Finanzhaie wirklich FDP wählen?

Finanzhaie würden FDP wählen? Möglich, dass diese lieber für das neoliberale Original als die sozialdemokratische Kopie stimmen. Aber interessiert sich das Kapital dafür, welche Partei regiert? Warum also FDP wählen, wenn eine regierende SPD seine Interessen viel wirkungsvoller umsetzen kann? Die „Finanzhaie“ – denen jetzt der sozialdemokratische Finanzminister Milliarden über Milliarden hinter herschmeißt, damit sie nicht im Trockenen schwimmen müssen - dürften mit ihrer Politik sehr zufrieden sein. Rot-Grün, nicht die Kohl-Regierung, erfüllte ihre sehnlichsten Wünsche: niedrigerer Spitzensteuersatz, steuerliche Begünstigungen für Private-Equity-Gesellschaften und nicht zuletzt die Steuerfreiheit für Gewinne von Kapitalgesellschaften aus Beteiligungsverkäufen, wodurch das Spekulieren erst richtig Spaß macht. Warum also sollten „Finanzhaie“ eigentlich nicht SPD wählen?

Fragen, die man sich bei Betrachtung der - übrigens ästhetisch sehr gelungen – Plakate stellen könnte. Aber die SPD weiß, dass im Krieg wie im Wahlkampf die Wahrheit zuerst stirbt. Im Gegensatz zu anderen Parteien weiß sie aber auch, dass eine Wahlentscheidung in erster Linie nicht eine Entscheidung für eine, sondern eine Entscheidung gegen andere Parteien ist. Negative Campaigning mobilisiert die eigenen Wähler und demobilisiert die Wähler anderer Partei. Es gehört deshalb zum Einmaleins einer guten Wahlkampfführung.

Ein Fähnchen im Wind

Im Endspurt eines Wahlkampfes müssen aber positive Botschaften kommuniziert werden. Auch diese Grundregel beherzigt die SPD. So fordert sie nun seit gut einer Woche „faire Löhne“ und „Transparenz und Kontrolle auf den Finanzmärkten“. Das ist zwar das Gegenteil von dem, was sie während ihrer jetzt elfjährigen Regierungszeit getan hat - das aber interessiert die SPD nicht. Sie macht Politik wie ein Fähnchen im Wind. Den Föhn, der die heiße Luft bläst, nachdem sich das SPD-Fähnchen richtet, wird leider nicht von der LINKEN gehalten, wie ein weiteres Plakatmotiv suggerieren könnte. Um in der latent antisemitischen Bildsprache der SPD zu bleiben: Wahrscheinlich führen den Föhn dicke Zigarre rauchende Männer im Frack.

Die SPD kann Wahlkampf. Ein Wort über den Wahlkampf anderer Parteien zu verlieren, ist an dieser Stelle überflüssig. Ihre Kampagnen sind an Ideenlosigkeit nicht zu überbieten. Wenn die LINKE allerdings nicht bis zur Bundestagswahl lernt, wie man gutes Negative Campaigning gegen die SPD betreibt (mit der sie sich ja einen Großteil ihrer potentiellen Wähler teilt), wird sie noch eine böse Überraschung erleben. Dann wird diesen nämlich bei der Bundestagswahl möglicherweise unklar sein, wer zu wählen ist, wenn auf einem Plakat auf blauem Grund und weißer Schrift aufgefordert wird: Rot wählen.

Mehr Rente für Kurras!

Beitrag von Thomas Lohmeier, geschrieben am 27.05.2009

Seit Tagen regt sich die Republik, angeführt durch ihre beiden wichtigsten Boulevardmagazine Spiegel und Bild, über den Mann auf, der einst von westdeutscher Politik und Gerichten unterstützt und frei gesprochen war, den Studenten Benno Ohnesorg am 2. Juni 1967 ermordet zu haben. Warum? Weil er nicht - wie zu erwarten gewesen wäre - dem westdeutschen, sondern dem ostdeutschen Spitzeldienst zur Verfügung stand. Deshalb, so findet Ehrhart Körting, Berlins sozialdemokratischer Innenminister, soll dem Todesschützen Kurras die Rente gestrichen werden. Und noch schlimmer: die Polizeigewerkschaft, die damals seinen Anwalt zahlte, möchte ihn jetzt ausschließen. Einen Studenten erschießen, das kann ja auch jedem engagierten Polizisten einmal passieren. Aber für die Stasi spitzeln?

Für seine "Aufklärungsarbeit" muss er jetzt büßen: Rentenkürzung! Geschwerkschaftsausschluss! Und haben sie nicht recht? Bekommen nicht auch die Rentner in Ostdeutschland weniger Rente als ihre westdeutschen Geschwister? Strafrente auch für Wessis! Wer will dem widersprechen? Ich! Mehr Rente für Kurras! Der Mann hat vor 40 Jahren getan, was sich viele seiner westdeutschen Landsleute nicht trauten. Ob er aus eigenem Antrieb handelte oder im Auftrag Erich Mielkes, bleibt sein Geheimnis. Aber dafür, dass er tat, wofür viele damals klammheimliche Freude empfanden, und wofür ihm die Besucher im Gerichtssaal nach seinen Freisprüche Beifall spendeten, dafür sollte er doch belohnt und nicht betraft werden: Mehr Rente für diesen alten Mann.

Kreatives Handeln ist gefragt!

Beitrag von Jörg Schindler/Kolja Möller, geschrieben am 25.05.2009

Dass die Partei DIE LINKE in der Wirtschaftskrise nicht so recht auf Trab kommt, dürfte zwischenzeitlich jedem aufgefallen sein. Jetzt scheinen zusätzlich einzelne Abwanderungen zur SPD das Negativimage der LINKEN in der medialen Öffentlichkeit noch mal zu verstärken.

Skandale und Skandälchen waren in den letzten Jahren für DIE LINKE eigentlich täglich Brot. Man denke nur an Christel Wegners Stasi-Äußerungen, die Turbulenzen bei Landeslistenauftstellungen usw. Doch im Gegenzug war DIE LINKE mit ihren Forderungen nach einem Mindestlohn und einer Abkehr von Hartz IV präsent: Beide Projekte überlagerten die negative Botschaften, die Wahlerfolge erzeugten innerparteilichen Einigungsdruck und die SPD stellte sich auch immer wieder extrem dämlich an. DIE LINKE war der Profiteur einer Gelegenheitsstruktur. Sie musste selbst gar nicht so viel tun und konnte die SPD vor sich hertreiben.

Anders in der Wirtschaftskrise. Jetzt wäre kreatives Handeln gefragt, konzeptionelle Alternativen, ein sozial-ökologisches Bretton-Woods oder einen red/new-deal, ein roter Faden jedenfalls, um aus der Negativspirale rauszukommen: Was wäre z.B., wenn DIE LINKE einen ausdrücklich nicht-parteipolitischen Beirat mit VertreterInnen aus NGOs und Gewerkschaften, mit Bewegungslinken und Intellektuellen aus Europa und anderen Ländern der Welt einsetzte, der einen solchen Leitfaden ausarbeitet? Was wäre, wenn sich die Parteiführung die ersten Auswirkungen der Krise vor Ort in einem Drittwelt-Land anguckt und darüber „live“ auf der Homepage berichtet würde?

Doch gegenwärtig wirkt die Linkspartei auf den status quo fixiert und langweilig. Äußerungen verschiedener Parteigranden wirken eher wie Appelle an die eigenen Leute. Der erfolgreiche Ansatz der letzten Jahre, die Bevölkerung mit attraktiven und kreativen, provokanten Themen zu gewinnen, ist einem lähmenden Rechthaberei-Getue und langweiliger Positionierungslitanei gewichen. Tatsächlich haben die beiden Hauptströmungen der Partei ein Problem mit kreativem Handeln: Der sog. "Reformer"-Flügel rekrutiert sich schwerpunktmäßig aus der Landes- und Kommunalpolitik der neuen Bundesländer und tut sich schon in der bundespolitischen Arena schwer. Der sog. „linke“ Flügel vermutet, dass die Krise zu einem atmosphärischem Antikapitalismus führt, den DIE LINKE öffentlich befeuern müsse.

Dies paart sich mit der etwas paranoiden Angst des so genannten "linken" Flügels vor der "Sozialdemokratisierung" der Partei, wonach in der Krise die Gefahr groß sei, dass Ost-Reformer und West-Gewerkschafter ihre gemeinsamen Interessen an einem reformpolitisch gebändigtem Kapitalismus erkennen und so die Partei ihr antikapitalistisches Profil verliere. Deshalb werden nur noch radikal klingende Phrasen gedroschen. Wenn sich öffentlich geäußert wird, dann nicht in der Absicht, Wählerinnen und Wähler für eine linke politische Alternative bei den Bundestagswahlen zu gewinnen, Adressat sind die innerparteilichen Gegner.

Will DIE LINKE aus der Negativspirale rauskommen, muss sie den Mut zu kreativem Handeln aufbringen. Wie soll z.B. Opel gerettet werden, ohne die Überproduktionskrise, die in der Tat einen Umbau der Produktion in Bochum, Rüsselsheim & Co. erforderlich macht, zu ignorieren? In welchem Bereichen sollen die insgesamt 2 Millionen neuen Stellen denn geschaffen werden, von denen - folgt man dem Wahlprogramm - allein 1 Million im öffentlichen Dienst entstehen sollen? Der SPD Unglaubwürdigkeit vorzuwerfen, ist richtig, reicht aber nicht aus. Die Kassetten aus 2005 ziehen nicht mehr so gut und neue sollten aufgenommen werden.


Wählt Sodann!

Beitrag von Thomas Lohmeier, geschrieben am 22.05.2009

Was macht eigenltich der Bundespräsident? Er ist ideeller Gesamtdeutscher. Er kennt keine Parteien, keine Klassen - er kennt nur Deutsche. Er ist die moralische Instanz, die den Gemeinwillen ausspricht. Kritik an ihm ist Nestbeschmutzung und in der politischen Auseinandersetzung verboten. Der kritiklose Präsident kann auf diese Weise formulieren, was als politische und moralische Maßstäbe zu gelten haben.

Morgen wird wieder so ein ideeller Gesamtdeutscher gewählt (unwahrscheinlich, dass es eine ideelle Gesamtdeutsche wird). Betrüblicher Weise sieht die Geschäftsordnung der Bundesversammlung nicht vor, das Amt vakant zu lassen. Das Dilemma, mit jeder Wahl nicht nur einen guten oder schlechten Präsidenten, sondern auch die ideologische Funktion des gütigen Landesvaters zu bestimmen, ist der Präsidentenwahl inhärent. Die LINKE hat dieses Dilema auf elegante Weise zu lösen gewusst und mit Peter Sodann einen Kandidaten nominiert, der das Amt mit Humor zu dekonstruieren weiß.

Die Medien nennen den ehemaligen Tatort-Kommissar Ehrlicher einen "Klamauk-Kandidaten", weil er Deutsche-Bank-Chef Ackermann verhaften will, Deutschland aufgrund der sozialen Ungleichheit nicht als richtige Demokratie bezeichnen und die Kinderhymne von Brecht als Nationalhymne einführen möchte. Ganz und gar passt auch nicht ins Bild, dass er auf unsinnige Reporterfragen nachdenken möchte, bevor er Luftblasen blubbert, wie es ansonsten im politischen Betrieb üblich ist.

Sodann hat während seines Wahlkampfes viel zur Dekonstruktion des Bundespräsidentenamtes getan. Dafür gebührt ihm schon jetzt Dank. Aber wie viel schöner wäre es, würde der Präsident der Deutschen - so es ihn denn schon geben muss - bei Staatsbesuchen die Kinderhymne spielen lassen und sich parteisch gegen die Macht und Interessen der großen Konzerne und Finanzinstitute einsetzen? Wählt Sodann, schwenkt nicht um. Wer Köhler verhindern will, hat eine gute Alternative!

Steinbrück hat recht. Verheugen auch.

Beitrag von Jörg Schindler, geschrieben am 18.05.2009

Manchmal kann man nicht anders. Da muss man dem deutschen Finanzminister einfach zustimmen. So hat er der EU-Kommission, und speziell seinem Parteifreund Verheugen als dessen Kommissar, "aggressive Deregulierungspolitik" vorgeworfen. Zuvor hatte Verheugen dem Finanzminister ins Stammbuch geschrieben, dass die deutsche Politik keine richtige Bankenaufsicht mehr betrieben habe. Es sei "kein Naturgesetz, hochriskante Finanzgeschäfte zuzulassen". Auch da kann man nicht anders. Auch Verheugen hat recht.

Fragt sich nur, wann beide endlich den Rücktritt des jeweils anderen fordern. Und einräumen, dass sie die letzten Jahre Mitglied in derselben SPD ihres Parteifreundes waren. Und mit der "Haltet-den-Dieb"-Kinderei aufhören. Das wäre ja wohl eigentlich angebracht.

Wiederholung eines Grundfehlers

Beitrag von Robert Zion und Norbert Schepers, geschrieben am 15.05.2009
Robert Zion

Der Aufschrei in den konservativen Medien ob des vermeintlichen Linksrucks der Sozialdemokratie nach der Veröffentlichung des SPD-Wahlprogramms war nicht von Dauer, nachdem nüchterne Kommentatoren auf den machtpolitischen Kontext hinwiesen, in dem Schröders Erben seit geraumer Zeit operieren. Nichts Neues also unter der sozialdemokratischen Sonne? Nicht ganz.

Norbert Schepers

Das von Andrea Nahles und dem Labour-Politiker Jon Cruddas vorgelegte Strategiepapier Die gute Gesellschaft stellt den ersten Versuch dar, einen vorsichtigen Neuanfang nach „New Labour“, den Regierungsbeteiligungen im Zeichen des Neoliberalismus und dem folgenden Absturz der europäischen Sozialdemokratie zu umreißen.

Was ist nun diese „gute Gesellschaft“? Zunächst einmal eine seitenlange Abhandlung von guten Absichtserklärungen und Wertebekundungen. Immerhin, auch erste Keime von Selbstkritik finden sich in dem Papier. Man sei zu „unkritisch“ gewesen und habe den globalen Kapitalismus schlichtweg in seinen zerstörerischen Potenzialen „unterschätzt“. Also Schwamm drüber, schließlich geht es um die Sozialdemokratie, die nicht nur Partei ist, sondern sich als historische Bewegung im Bewusstsein ihrer selbst versteht? Schwenkt nun in einer Art dialektischem Prozess diese Sozialdemokratie, quasi historisch notwendig, wieder auf links um? Keineswegs, denn nicht nur der globale Kapitalismus, auch die Sozialdemokratie befindet sich in einer existenziellen Krise.

Nahles/Cruddas benennen ungewollt sogar den Grundfehler von „New Labour“ und „Neuer Mitte“ – die Ursache der eigenen Krise – und zwar durch eigene Wiederholung dieses Fehlers: „Der Ausgangspunkt für ein neues Modell der Sozialdemokratie sind unsere Werte. Darauf können wir die gute Gesellschaft aufbauen.“ Die moralischen „Werte“ einer Gesellschaft aber waren nie ein Input, etwas Vorgelagertes oder gar politisch Induziertes. Sie waren und sind immer Ausdruck dessen, wie die Gesellschaft ökonomisch produziert und sich damit auch kulturell reproduziert. Daran, dies nicht zu sehen sowie dem Glauben verfallen zu sein, der industriegesellschaftliche geprägte, sozialdemokratische Arbeitsethos könne als Grundwert von oben in eine sich sozial und in den Arbeits- und Lebensformen immer mehr ausdifferenzierende moderne Gesellschaft hinein gegeben werden, sind „New Labour“ und „Neue Mitte“ gescheitert, und daran würde auch „Die gute Gesellschaft“ scheitern.

Was die Sozialdemokratie geschaffen hat und auch mit Nahles/Cruddas neu schaffen könnte, ist das, was Ulrich Beck in seiner Abhandlung von der „Risikogesellschaft“ die „Verwandlung der Außenursachen in Eigenschuld, von Systemproblemen in persönliches Versagen“ genannt hat. „Selber schuld“, lautete die Botschaft der Sozialdemokratie an ihre eigene Klientel in Zeiten neoliberaler Deregulierung. Daher ist „New Labour“ nie „New“, sondern immer „Old Labour“ gewesen, eine autoritär gewordene Durchsetzung eines industriegesellschaftlichen Arbeitsethos in einer post-industriellen Gesellschaft, und daher war die „Neue Mitte“ nie eine „Mitte“, sondern vor allem ein 0Oben“. Und wie ein Bollwerk zur Aufrechterhaltung aller Selbstzerstörungstendenzen der Sozialdemokratie, steht dann auch bei Nahles/Cruddas der Satz: „Wir werden Eigenverantwortung stärken und die Beschäftigungsfähigkeit jeder(s) einzelnen präventiv fördern.“ Das klingt wie unmittelbar bei Schröder und Blair abgeschrieben. Dort hieß es noch: „Teilzeitarbeit und geringfügige Arbeit sind besser als gar keine Arbeit.“ Katja Kipping hat dies, im Anschluss an Wilhelm Heitmeyer, „Nützlichkeitsrassismus“ genannt. Das neoliberale Modernisierungsprojekt der Sozialdemokratie, ihre „Werte“ mit einem autoritären Sozialstaat administrativ durchzusetzen, hat – ebenso wie der Nützlichkeitsrassismus – in Deutschland einen berüchtigt gewordenen Namen: Hartz IV.

Immerhin sagen Nahles/Cruddas aber auch: „Anspruch auf Sozialleistungen ist ein Bürgerrecht und sollte es Menschen möglich machen, mit Veränderungen und schwierigen Lebenssituationen in jeder Lebensphase fertig werden können.“ Davon, wie ernst diese Bekundung zu nehmen ist, hängt viel für die SPD ab – wahrscheinlich sogar alles. Eine Sozialdemokratie des 21. Jahrhunderts wird nur noch eine solche sein können, die ihren Arbeitsbegriff grundlegend revidiert, die die Arbeit, die gesamtgesellschaftlich getan wird, anerkennt und ohne Vorbedingungen sozial absichert, sei diese nun marktko nform oder nicht. Sonst blieben all die gut gemeinten Bekundungen über die „Demokratie“ und die „Freiheit“ pure Lippenbekenntnisse, wie auch die richtige Bemerkung: „Eine gute Gesellschaft kann nicht von oben nach unten errichtet werden, sondern kann sich nur aus einer Bewegung heraus entwickeln, die von der Bevölkerung ausgeht und ihr dient.“

Das Wort „Hartz IV“ kommt bezeichnenderweise in dem Papier von Nahles und Cruddas nicht vor. So bleibt der Verdacht, dass „Die gute Gesellschaft“ eine wäre, in der Menschen in ihren Potenzialen und ihrem Wert dann doch wieder nur an ihrer „Beschäftigungsfähigkeit“ gemessen werden. Das ewig uneingelöste Versprechen der „Vollbeschäftigung“ gäbe es dann wieder ungefragt obendrein, plus die Utopie einer Gesellschaft aus – über permanentes Wachstum generierten – normierten Arbeitsverhältnissen, über die dann allein soziale Sicherheit hergestellt würde. Die schlichte Tatsache aber, dass dies alles schon lange eine Lüge ist und überhaupt nichts mehr mit der Lebenswirklichkeit von immer mehr Menschen zu tun hat, ist der eigentliche Grund für die Krise unserer Demokratie im Allgemeinen und der Sozialdemokratie im Besondern. „Wohin führt aber ein politischer Diskurs und eine Politik, die den Menschen einredet, das als für alle unentbehrlich anzusehen, was nur noch immer Wenigeren zugänglich ist?“ fragt der Sozialphilosoph André Gorz. Und er antwortet: Zum „Verfall und Entzivilisierung der Gesellschaft.“

Eine Abkehr vom antidemokratischen Projekt „Hartz IV“ ist deshalb auch die Bedingung für einen neuen Crossover-Diskurs oder gar eine rot-grün-rote Machtoption. Eine Bedingung, ohne die es nicht geht. Solange selbst Protagonisten wie Nahles nicht bereit sind, sich klar von ihrem Projekt einer autoritären Modernisierung des Sozialstaats zu verabschieden, wird es kein gemeinsames Projekt einer gesamtgesellschaftlichen Linken geben können. Dieses wird einen emanzipatorischen Horizont dafür umreißen müssen, wie solidarische Antworten auf die Krise gefunden werden können und wie unter heutigen Bedingungen eine Gesellschaft angestrebt werden kann, „worin die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist“ (Karl Marx).

Zu den Autoren:

Robert Zion ist Sprecher des Kreisverbandes Gelsenkirchen von Bündnis 90/DIE GRÜNEN.
Norbert Schepers ist Mitglied der Redaktion des Magazins prager frühling sowie der Partei DIE LINKE.

Zuerst veröffentlicht am 14. Mai 09 in der Wochenzeitung Der Freitag.

"Feine und volle Vorlesung"

Beitrag von Norbert Schepers, geschrieben am 13.05.2009
Chantal Mouffe, updating radical democracy

"Feine und volle Vorlesung: Luxemburg Lecture mit Chantal Mouffe" wurde über unsere gestrige Veranstaltung "updating radical democracy!" mit Chantal Mouffe getwittert. Tatsächlich kamen Hörsaal-Gefühle auf, Teile des Publikums saßen wegen Überfüllung auf dem Boden und lauschten den spannenden Beiträgen über Hegemonie und radikale Demokratie von Mouffe, Alex Demirovic und Katja Kipping im Festsaal des Berliner Abgeordnetenhauses. – Unsere Kooperationspartnerin, die Rosa-Luxemburg-Stiftung (dort wird es auch Mitschnitte der Veranstaltung zu sehen geben), eröffnete damit zugleich ihr neues Format der Vorlesungsreihe „Luxemburg Lectures“ an würdiger Stätte: An diesem historischen Ort wurde am 1. Januar 1919 die KPD gegründet.

updating radical democracy: Alex Demirovic, Kolja Möller (Moderation), Chantal Mouffe und Katja Kipping
updating radical democracy: Hörsaal-Gefühle
updating radical democracy: Demirovic, Möller, Mouffe
updating radical democracy: Möller, Mouffe, Kipping
updating radical democracy: Mouffe mit Julia Bonk, Emanzipatorische Linke
updating radical democracy

Amok

Beitrag von Jörg Schindler, geschrieben am 09.05.2009

Die absurdeste Meldung der Woche ist wohl diese: Die Bundesregierung möchte - wegen des Amok-Attentats auf eine Schule in Winnenden - das Waffenrecht verschärfen und Paint-Ball-Spiele verbieten. Absurd ist dies aus mehreren Gründen.

Absurdität 1: Was hat Paint-Ball mit Winnenden zu tun?

Man kann es kurz sagen: Nichts. Paint-Ball-Spiele sind ein Zeitvertreib, bei denen sich Leute in ein Wald- oder Wiesenstück begeben und sich mit kleinen Spielzeuggewehren beschießen, aus denen Farbkugeln austreten. Wer die Farbkleckse abkriegt, scheidet aus.

Der Einwand, hier würde das Töten von Menschen "gespielt", ist grotesk. Diese Paint-Ball-Gewehre sind völlig ungefährlich. Und: Wer würde denn Kindern das Räuber-und-Gendarm-Spielen verbieten, die Winnetou-Old-Shatterhand-Filme auf den Index jugendgefährdender Filme stellen oder Schachvereine auflösen wollen? Auch dort wird der Kampf von Gut gegen Böse nachgespielt, im Schachspiel wird am Ende gar ein ganzes Volk einschließlich Kavallerie, Landbevölkerung und zu guter Letzt auch das Königspaar gespielterweise ausgelöscht.

Absurdität 2: Warum wird das Waffenrecht nicht wirklich verschärft?

Das ist tatsächlich der Skandal. Einerseits geht es irgendwelchen großen Paint-Ball-Spielkindern an die Farbspritzpistolen. Andererseits wird das Waffenrecht dort, wo es in der Tat notwendig wäre, nicht verschärft. Noch immer ist es Inhabern so genannter "Waffenbesitzkarten" erlaubt, auch tatsächlich gefährliche Waffen zu Hause zu lagern - eine Erlaubnis der Kreisverwaltung genügt. Während Paint-Ball-Pistolen ungefähr so gefährlich sind wie Wasserspritzpistolen, können so genannte "Waffennarren" im Freundeskreis damit angeben, zumindest potenziell ihre Mitmenschen mit gezieltem scharfen Schuss des Großkalibers aus Omis alter Schrankvitrine um die Ecke bringen zu können. Völlig ohne Not: Denn möglich wäre es auch, die Waffen in den Räumen der örtlichen Schützenvereine gut gesichert zu lagern.

Absurdität 3: Warum ist die Schule eigentlich Feindgelände?

Hier wäre dann auch anzusetzen. Warum gehen Jugendliche in eine Schule, um dort Lernende ins Jenseits zu befördern? Die Schule ist offensichtlich wahrgenommenes Feindgelände, wird nicht mit Spaß und Freude am Lernen, sondern als Ort des Drucks, der Konkurrenz, des Sich-Anpassen-Müssens und nicht zuletzt des eigenen Versagens wahrgenommen. In psychischen Ausnahmesituationen projeziert diese Wahrnehmung dann die Schule als Ort des eigenen "Vietnam". Auch, wenn wir letzterem nicht mehr rational folgen können, muss dann doch das Thema einer kooperativen statt einer konkurrenzbasierten Schule auf die Tagesordnung. Die Abschaffung des dreigliedrigen Schulsystems und des Durchfallens wären dann konkrete Schritte gegen Amok.

Absurdität 4: Warum darf die Bundeswehr täglich Amok laufen?

Während also die Spaß-Paint-Baller an ihren Feld-Wald-und-Wiesen-Versteckspielen gehindert werden sollen, übt die staatliche Institution Bundeswehr täglich mit scharfen Waffen und mit tödlichem Ernst den Amoklauf in den deutschen Kolonien Afghanistan-Nord und Kosovo. Niemand stellt die Frage, ob derartige Ballerspiele aufgrund ihres Vorbildcharakters für jugendliche Amokläufer an deutschen Schulen nicht mal dringend verboten werden sollten. Wenn man also Nachahmungstaten der Amokläufe der Bundeswehr in abgelegenen afghanischen Bergdörfern und im kosovarischen Prizren verhindern will, wäre jetzt ein guter Zeitpunkt, diese Abenteuer zu beenden, die Bundeswehr endlich dem Waffengesetz zu unterstellen und in das Technische Hilfswerk zu integrieren.

Updating radical democracy!

Beitrag von Thomas Lohmeier, geschrieben am 07.05.2009
Der Flyer

Gemeinsam mit Ernesto Laclau hat Chantal Mouffe in den 1980er Jahren in „Hegemonie und radikale Demokratie. Zur Dekonstruktion des Marxismus“ die theoretischen Grundlagen einer radikaldemokratischen Linken ausgearbeitet. Insbesondere die diskurstheoretische Lesart des gramscianischen Hegemoniekonzepts hat ganze Forschungszweige inspiriert. Unter dem Titel „Updating radical democracy!“ soll noch einmal den Grundlagen des Laclau/Mouffschen Postmarxismus nachgegangen werden. Fraglich ist dann auch, ob Veränderungen und Konkretisierungen, auch angesichts der gesellschaftlichen Veränderungen der letzten zwanzig Jahre, geboten sind.

... und das Kleingedruckte

Die Veranstaltung führt der prager frühling e. V. in Kooperation mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung statt. Sie ist die Auftaktveranstaltung der Vorlesungsreihe „Rosa-Luxemburg-Lectures“ (mehr unter
www.rosalux.de).

Chantal Mouffe hält ihren Vortrag in englischer Sprache.

Response: Alex Demirovic (TU Berlin), Katja Kipping (DIE LINKE, Redakteurin des prager frühlings)

Datum:

Dienstag, 12. Mai 09, 19.30 Uhr

Veranstaltungsort:

Festsaal des Abgeordnetenhauses von Berlin
Niederkirchner Str. 3 – 5, 10117 Berlin (Mitte)

Wegbeschreibung: vom S-und U-Bahnhof Potsdamer Platz in die Scheidemannstraße,
links in die Niederkirchner Straße (ca. 10 Min. Fußweg).

Achtung: Bitte einen gültigen Paß mitbringen!

Agenda 2009: Menschen statt Profite

geschrieben am 06.05.2009

Schlagworte:

krise

Cafe Wallstreet

Die Demonstrationen am 28.3. in Berlin und Frankfurt waren ein erfolgreicher Auftakt für die Krisenproteste. Die Lücke einer Stimme von links in den Auseinandersetzungen um die Krise konnte kurzzeitig geschlossen werden.

Die Kooperation von Gewerkschaftslinken, Attac, Linkspartei, Sozialprotesten und antikapitalistischen Bewegungen war nicht ohne Schwierigkeiten, könnte aber in der derzeitigen Situation das Vakuum füllen und in der Öffentlichkeit für einneues gesellschaftliches Projekt stehen. Einzelnen Akteuren wird es kaum gelingen, die Wahrnehmung von Teilbereichsvertretungen zu überwinden und über politische Spektren und soziale Unterschiede hinweg Menschen für verschiedene Formen von Protesten und Aktionen zu mobilisieren.

Ein Teil des Berliner Vorbereitungskreises für die Demo hat deshalb eine 'Agenda 2009' als Vorschlag für die weiteren Krisenproteste entwickelt. Dabei geht es u.a. darum, die Verbindung von konkreten Forderungen und Alternativen mit Kapitalismuskritik so auszugestalten, dass die Interessen breiterer Bevölkerungsteile aufgegriffen werden. Denn nach wie vor gibt es für die Definition der Krise und die Legitimität von Alternativen eine relative Offenheit, die genutzt werden sollte, um die Kräfteverhältnisse zu verschieben.

Damit es nicht bei einem einmaligen Aufflackern von Protest bleibt, sondern ein langfristiger und erfolgreicher Prozess gesellschaftlicher Veränderungen eingeleitet wird, wird deshalb auch eine gemeinsame Agenda für das nächste Jahr vorgeschlagen, die Ausgangspunkt für weitere Diskussionen und gemeinsame Aktionen sein kann. Die "Agenda 2009" soll einen Anfang für vielfältige Diskussionen und Weiterentwicklungen von von entstandenen Bündnissen sein.

Agenda 2009: Menschen statt Profite

Wir zahlen nicht für Eure Krise – für eine solidarische Gesellschaft

Der Neoliberalismus, die Religion der Überlegenheit der Märkte, ist an der Wirklichkeit blamiert. Erstmals in der Geschichte verbinden sich eine globale Finanz- und Wirtschaftskrise mit einer globalen ökologischen Krise und der Krise der elementarsten Lebensgrundlagen der Menschheit.

Welche Krise?

Die Krise weitet den Blick für die ungelösten Widersprüche des neoliberalen Kapitalismus: Die Doktrin des Freihandels und die Spekulationen auf dem Nahrungsmittelmarkt zogen Hungerkrisen nach sich. Das ungehemmte Wirtschaftswachstum verschärfte den Klimawandel und soziale Ungleichheit, während die Profite der Konzerne weiter stiegen und die Finanzmärkte aufblähten. Die Politik der Lohnsenkung und prekären Jobs führte zu Armut und Verschuldung. Die Finanzmärkte und die Idiotie der Kleinkredite stürzen die Beschäftigten und kleinen Kreditschuldner als erste in den Abgrund. Die Bindung der Alterversorgung an den Aktienmarkt vergrößerte die Spekulationsblasen und bringt Altersarmut für Viele. Freiheit, Sicherheit, Wohlstand, Demokratie erweisen sich als uneingelöste Versprechen des Kapitalismus. Damit ist auch die Frage nach der Legitimität des Kapitalismus neu auf der Tagesordnung.

Die Regierungen haben keine Lösung

Jahrelang wurde mit dem Verweis auf leere Kassen und das Dogma des ausgeglichenen Staatshaushaltes der Sozialstaat zerstört, bei Bildung und Infrastruktur gekürzt. Parteien und Regierungen, die diese Politik in den letzten Jahrzehnten vorangetrieben haben, werfen bei ihren (hilflosen) Versuchen die Krise einzudämmen die Glaubenssätze des Neoliberalismus über Bord.
Jetzt scheint alles möglich. Die Regierungen verschieben Milliarden Steuergelder zu Gunsten der Rettung von Banken und Unternehmen. der Maßnahmen zur Bearbeitung der – vergleichsweise kleinen – Krisen der letzten Jahre hat zu nachhaltigen Lösungen geführt, sie haben die jetzige Krise vorbereitet und verschärft: den Klimawandel durch Wirtschaftswachstum, Rohstoffverbrauch und ökologische Zerstörung.
Die derzeitige Politik geht in allen Ländern zu Lasten der Beschäftigten und Arbeitslosen, RentnerInnen und Studierenden sowie der Kommunen und demokratischer Gestaltungsmöglichkeiten. Die kleinen Konjunkturprogramme können nicht verbergen, dass die Rechnung für die Geldgeschenke an die Banken und Unternehmen bald präsentiert werden wird – in Deutschland spätestens nach der Wahl.
Ein staatliches Eingreifen, das einseitig die Interessen der Unternehmen in den Vordergrund stellt, birgt die Gefahr weiterer Entleerung von Demokratie und der Herausbildung autoritärer Strukturen. Die Versuche der Stabilisierung des Finanzsystems laufen auf eine Garantie überbewerteter Vermögenswerte und eine Verlängerung der Krise hinaus. Die Konzentration von Macht und Eigentum im Bankensektor nimmt damit noch zu. So wird die nächste Krise bereits vorbereitet, die Grundlagen des Finanzkapitalismus – die Konzentration von Kapital, Macht und Reichtum bleiben unangetastet.
Andere Krisenbearbeitungsformen wie der so genannte „Green New Deal" stellen neue Kapitalverwertungsformen in den Vordergrund, nicht aber die sozialen Interessen von Belegschaften und den Bevölkerungen im Globalen Süden. Indem Biotech-, Pharmaindustrie und IT-Unternehmen massive Unterstützung durch den Staat erhalten, lassen sich zwar deren Gewinne erhöhen, nicht aber die Nahrungsmittel- und Gesundheitskrise bekämpfen. Eine Stärkung der Märkte in diesen Bereichen ist lebensgefährlich für die Bevölkerungen, die nicht am Markt teilnehmen können. Darüber hinaus verschärft die Krise die Konkurrenzen auf dem Weltmarkt und damit die sozialen Spaltungen zwischen Nord und Süd.
Die Gefahr besteht, dass die Bearbeitung der einen Krise die anderen verschärfen wird: die Bearbeitung der Finanzkrise geht zu Lasten der öffentlichen Ausgaben für Bildung und Sozialstaat, die Bearbeitung der Klimakrise auf Kosten der Nahrungssicherheit des Globalen Südens, die Bearbeitung der Wirtschaftskrise auf Kosten der Löhne und sozialen Sicherheit der Beschäftigten.

Umdenken, Umarbeiten und Umverteilen ist notwendig. Nicht um die Überbrückung einer kleinen Durststrecke geht es. Mit der Krise steht die Frage auf der Tagesordnung, wie wir leben wollen. Wie wir die Beteiligung an Gesellschaft, Reichtum, Arbeit, Freizeit, Kultur und Bildung für Alle sichern und welche schnellen Schritte wir gehen zur Verbesserung der Lebensbedingungen – Schritte gegen Hunger, Armut, Krieg, unwürdige Arbeitsbedingungen und Arbeitslosigkeit.
Nicht alle Probleme lassen sich auf einmal lösen. Aber damit die Bekämpfung der Krise nicht nur die Probleme verschiebt, die Kosten nicht auf die Mehrheit der Menschen abgewälzt werden, müssen Alternativen für eine grundlegende Veränderung der Gesellschaft sichtbar werden, auch in den kleinen Schritten.

Wir kämpfen für:

1. Ein Schutzschild für die Menschen – Bail out the people, not the banks

Arbeitsplätze verteidigen und schaffen:

  • Staatliche Hilfen zur Sicherung von Arbeitsplätzen, Löhnen und Mitbestimmung der Belegschaften statt zur Sicherung von Profiten: Finanzhilfen an Unternehmen müssen an staatliche Anteile an den Unternehmen und Erweiterung der Mitbestimmungsrechte der Belegschaften gebunden werden.
  • Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden bei vollem Lohnausgleich – 100% Gehalt für Kurzarbeiter.

Sofortmaßnahmen gegen Armut und Niedriglöhne:

  • Sofortige Anhebung der Sätze auf 500 EUR Miete für alle ALG II-EmpfängerInnen. Abschaffung aller Sanktionen und Gängelungen.
  • Mindestlohn von 10 EUR – Verlängerung des ALG I auf mindestens 24 Monate
  • Rücknahme der Agenda 2010/Hartz-Gesetze, Einführung einer (bedingungslosen, individuellen) Grundsicherung, die ihren Namen wert ist und die wirkliche Teilhabe an Gesellschaft sicherstellt.

Die Profiteure des Finanzkapitalismus sollen für die Krise zahlen!

  • Deutliche Erhöhung der Spitzensteuersätze, Einführung einer Vermögenssteuer
  • Erhöhung der Unternehmenssteuern
  • Besteuerung von Kapitalgewinnen und Finanzmarktgeschäften

2. Neuerfindung der Demokratie

Mit dem Scheitern des Neoliberalismus kommt auch die Vorstellung, dass der Markt alle Lebensbereiche regieren sollte, an ihr Ende. Stattdessen müssen Fragen der Gestaltung des gesellschaftlichen Lebens neu gestellt werden und als Fragen der Demokratie verstanden werden. Rücknahme der Vermarktlichung bedeutet nicht einfach, dass der Staat als neuer Akteur auf den Markt tritt, sondern dass zunehmende Bereiche des Lebens dem Markt entzogen werden – und damit Raum entsteht für wirkliche Demokratie.

Demokratie bedarf der sozialen Absicherung - und es muss etwas zu entscheiden geben.

Rücknahme der Privatisierungen

  • von Post, Bahn, Energie- und Wasserversorgung
  • Ausbau Öffentlicher Güter, die allen zur Verfügung stehen müssen: Bildung, Gesundheit und Pflege, Wohnen, Wasser- und Energieversorgung, Mobilität
  • Gestaltung der öffentlichen Güter in Formen kommunaler und regionaler Demokratie

Ausrichtung der Wirtschaft an sozialen und ökologischen Zielen

  • Finanzhilfen für Unternehmen müssen an soziale und ökologische Auflagen geknüpft werden: Verbot betriebsbedingter Kündigungen, Sicherung der Löhne, Verkürzung der Arbeitszeiten, Abbau von Arbeitsstress und gesundheitsschädlichen Arbeitsbedingungen, Ausbau der Demokratie im Betrieb.
  • Die Produktion muss an sozialen und ökologischen Zielen ausgerichtet werden – nicht an den Profiten der Aktionäre.
  • Schrittweise Überführung von klima-, sozial- und umweltschädlicher Produktion in sozial und ökologisch relevante Produktionszweige. von Atomanlagen und Kohlekraftwerken. Dieser Umbau darf nicht auf dem Rücken der Belegschaften ausgetragen wird!

Vergesellschaftung der Banken:

  • Entschädigungslose Enteignung aller privaten Banken und Finanzfonds – Überführung in einen demokratisch kontrollierten, öffentlichen Fond.
  • Für ein öffentliches Bankensystem unter gesellschaftlicher Kontrolle, das an sozialen und ökologische Zielen ausgerichtet ist.
  • Verbot von Hedge-Fonds, Private Equity und Leerverkäufen.

3. Globale Umverteilung des Reichtums:

Die Krise hat die Delegitimation der globalen Institutionen deutlich gemacht, die Kreditvergaben und „Strukuranpassungsmaßnahmen“ geregelt haben. An die Stelle von Weltbank, G8/G20 und IWF müssen Formen globaler Demokratie treten, die zunächst das Interesse der Menschen, nicht das Funktionieren kapitalistischen Wirtschaftens im Blick haben.

  • Sofortprogramm zur Bekämpfung des Hungers und Durchsetzung des Rechts auf Ernährung: Unterstützung regionaler Landwirtschaft – Enteignung von Großgrundbesitz, Lebensmittel- und Agrarkonzernen.
  • Schaffung eines globalen Fonds für solidarische Entwicklung und sozial gerechte Bekämpfung des Klimawandels - zu finanzieren über die Einführung globaler Steuern.
  • Bekämpfung der weltweiten Armut statt der Armen: Demilitarisierung statt Aufrüstung und Krieg.
  • Keine Abschottung der EU-Außengrenzen durch eine militärische und polizeiliche Grenzsicherung.

Aktiv werden!

Die Bearbeitung der Krise kann nicht den Regierenden überlassen werden. Um sicher zu stellen, dass alle mit ihren Ursachen bekämpft werden werden wir in den nächsten Monaten gemeinsam für Interessen und Ziele kämpfen! Dafür gilt es neue Formen des Widerstands zu finden und neue Bündnisse zu gründen: Von Beschäftigten und Studierenden, von RentnerInnen und MigrantInnenorganisationen, von Arbeitslosen und SozialhilfeempfängerInnen und UmweltaktivistInnen.


Für unsere gemeinsamen Aktionen wir eine Widerstands-Agenda, in der die Verschränkung der unterschiedlichen Perspektiven sichtbar wird:

Zentral sind Schritte in Richtung auf politische Streiks und Generalstreik, verbunden mit Blockaden und anderen Formen sozialen Ungehorsams, die die betrieblichen Aktionen unterstützen und gesellschaftlich verankern.


Als nächste Schritte schlagen wir vor:

  • Gemeinsamer Aufruf zur Gründung lokaler Aktionsbündnisse für die kon-
    krete Ausgestaltung der Kämpfe und Forderungen vor Ort. Hier können Solidari-
    tätskommitees für Belegschaften entstehen, die von Betriebsschließungen, Ent-
    lassungen und Lohnkürzungen bedroht sind.
  • Beteiligung an der DGB-Demonstration am 16. Mai in Berlin, um sichtbar zu machen, die über die bisherigen Vorschläge der Gewerkschaftsführungen hinausgehen: politische Streiks, Kampf um kostenfreie öffentliche Güter, transnationale Solidarität, Verbindung mit den Forderungen des Bildungsstreiks.
  • politische Streikaktionen in den Betrieben, die durch Aktionen sozialen Ungehorsams (Blockaden von Straßen, Börsen, Banken etc.) und Solidaritäts-Initiativen der lokalen Aktionsbündnisse unterstützt werden. Zur Ausweitung der Bündnisse in die Betriebe hinein werden Kontakte zu Beschäftigten, Vertrauensleuten und Betriebsräten aufgenommen.
  • Eine Kampagne für das Recht auf politischen Streik und die Ausweitung von Demokratie und gesellschaftlicher Teilhabe.
  • Job-Center-Aktionen wie der „Zahltag“, aus denen spontan Demonstrationen zu Banken, Börsen und Behörden entstehen können.
  • Verbindung von Bildungsstreik und Betriebskämpfen: Solidaritätsstreiks von Gewerkschaften und andere Formen gewerkschaftlicher Unterstützung in der Bildungsstreikwoche; am 17. Juni gemeinsame Demonstrationen zum Bildungsstreik, am 18. Juni gemeinsam zum Banken-Aktions-Tag.
  • Gemeinsamer Aktionstag der lokalen Bündnisse am 17. September: Ak-
    tionen sozialen Ungehorsam wie Blockaden, Streiks in Betrieben, Schulen und Hoch-
    schulen, abends Demonstrationen in vielen Städten.
  • Großdemonstration im Frühjahr 2010.

Die Phantasie kommt beim Kämpfen.

  • UnterzeichnerInnen:
  • Ben Stotz (aktiv in der Vorbereitung des bundesweiten Bildungsstreiks)
  • Christina Kaindl (Gruppe Soziale Kämpfe)
  • Corinna Genschel
  • Edgar Schu (Aktionsbündnis Sozialproteste)
  • Florian Becker (Gruppe Soziale Kämpfe)
  • Florian Wilde (die linke.SDS)
  • Jan Latza (aktiv in der Vorbereitung des Berliner Bildungsstreiks)
  • Katja Kipping (Stellvertretende Vorsitzende der Partei Die Linke.)
  • Mario Candeias (Rosa-Luxemburg-Stiftung)
  • Michael Prütz (Berliner Alternative für Solidarität und Gegenwehr)
  • Steffi Graf (die linke.SDS)
  • Tim Laumeyer (Antifaschistische Linke Berlin)
  • sowie die Gruppe Soziale Kämpfe

Kontakt für Ünterstützungserklärungen, Kritik und Diskussionsbeiträge: info@kapitalismuskrise.org

Blättern:
Sprungmarken: Zum Seitenanfang, Zur Navigation, Zum Inhalt.